Gibt es Monopole?

Die Monopole, nach denen Physiker suchen, sind so schwer wie eine Bakterie und verbergen sich am Ende des Universums - womöglich ja in einem Restaurant ebendort, auf dem Klo

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Monopole mit der Betonung auf dem Po sind eine wirtschaftliche Realität, wenn auch keine wünschenswerte. Weniger klar ist hingegen, ob Monopole mit der Betonung auf dem Mo Realität sind - auch wenn sich viele Forscher das wünschen. Was macht sie so attraktiv? Zunächst mal wohl die Tatsache, dass sie der Schulphysik widersprechen. Irgendwann in der Mittelstufe haben wir gelernt, dass magnetische Pole immer zu zweit auftreten.

Ob als Hufeisen oder als Stab, ob als Permanent- oder als Elektro-Magnet, zu jedem Nordpol gehört demnach ein Südpol. Das scheinen ja schon die Maxwellschen Gleichungen nahezulegen, in denen für magnetische Flussdichte und die magnetische Ladungsdichte kein Platz ist. Das liegt allerdings daran, dass man die Gleichungen derart angepasst hat, dass sie unsere Realität möglichst gut beschreiben. Und in dieser Wirklichkeit hat eben noch niemand einzelne magnetische Pole beobachtet. Oder besser: hatte, aber dazu später.

Dass ein physikalisches Phänomen nicht nachzuweisen ist, hält Physiker natürlich keineswegs davon ab, sich über seine Natur Gedanken zu machen. Erst so ist es ja überhaupt möglich, auf die Suche nach dem Phänomen zu gehen. Die Zeiten, da es ausreichte, sich einen Apfel auf den Kopf fallen zu lassen, um eine Entdeckung zu machen, diese Zeiten sind leider lange vorbei. Das Monopol jedenfalls, sollte es tatsächlich als Teilchen existieren, wäre als Träger der magnetischen Ladung das Gegenstück zum Elektron - für die Physiker schon einmal eine angenehm symmetrische Vorstellung.

Seine sonstigen Eigenschaften wären ziemlich phänomenal: Es brächte etwa 10 hoch 16 GeV auf die Waage und stieße damit in Bereiche vor, die sonst Kleinstlebewesen vorbehalten sind. Damit ist auch klar, dass es in Beschleunigerexperimenten kaum künstlich zu erzeugen sein wird - auch der LHC kann in solche Bereiche noch lange nicht vorstoßen. Bleibt also nur die Suche nach vorhandenen Monopolen - am besten am Rande des Universums. Dafür, dass man dort fündig würde, sprechen unsere Vorstellungen von der Frühzeit des Universums - und zwar von der extremen Frühzeit.

10 hoch minus 36 Sekunden nach dem Urknall

Etwa 10 hoch minus 36 Sekunden nach dem Urknall müsste es einen Moment gegeben haben, als sich die Starke Wechselwirkung (Anziehungskraft zwischen den Quarks) und die Elektroschwache Wechselwirkung (Vereinigung aus Elektromagnetismus und schwacher Wechselwirkung) voneinander lösten. Im Ergebnis müssten, so die Theorie, Monopol-Teilchen entstanden sein. Wegen der starken inflationären Tendenzen des gerade geborenen Universums wurden diese frühen Monopole wohl in für uns mittlerweile unerreichbare Fernen des Weltalls geschwemmt - eine direkte Beobachtung wäre da ein fast unglaublicher Zufall. Allerdings einer, der dem forschenden Zuschauer jede Menge Anerkennung brächte - könnte doch damit ein wichtiges Puzzleteil zur Grand Unified Theory (GUT) hinzugefügt werden, zu der Theorie, die alle Wechselwirkungen zusammenfassen soll.

Aber vielleicht braucht es den unendlichen Unwahrscheinlichkeitsantrieb ja gar nicht, um dem Monopol auf die Spur zu kommen. Es könnte sich auch in exotischem Material verstecken, das uns auf der Erde durchaus zur Verfügung steht. Was Forscher hier nachgewiesen haben, hat mit dem von Paul Dirac erdachten, bakterienschweren Teilchen aber wenig zu tun. Der Vorwurf, es handle sich um eine Art Trick, greift zu kurz - die Umstände lassen aber schon daran gemahnen. Das exotische Material, um das es geht, ist Spin-Eis. Das hat mit Eis nur insofern zu tun, als die gegenseitige Lage der atomaren Spins in diesem Material an die der Wasserstoffatom-Spins in Wassereis erinnert.

Anregungen mit Eigenschaften von Monopolen

Die aktuell von Forschern untersuchten Systeme, etwa Holmiumtitanat, haben das Problem, dass sich die Spins der in den Gittern festgehaltenen Atome nicht frei ausrichten können. Ohne externen Einfluss und bei niedrigsten Temperaturen sind sie so positioniert, dass sich die Wirkung von jeweils zwei Spins gegenseitig aufhebt - es entsteht kein magnetisches Moment. Steigt allerdings die Temperatur, klappt hier und da mal ein Spin um - es entsteht Magnetismus. Mit Hilfe von thermischer Energie ist es möglich, den umgeklappten Spin durch das komplette Kristallgitter zu treiben - das ergibt den Effekt eines einzelnen, sich bewegenden Pols.

Nun handelt es sich dabei nur um ein Pseudoteilchen, eine Anregung. Mittlerweile gelang es aber französischen Physikern in einem Beitrag in Nature Physics zu zeigen, dass diese Anregungen tatsächlich Eigenschaften von Monopolen haben - auch wenn ihre Ausbreitung auf Spin-Eis beschränkt ist. Zur GUT werden diese Monopole deshalb wohl nichts beitragen - zu der Tatsache, dass unser Physiklehrer damals unrecht hatte, aber schon.