Globalisierungskritiker gnadenlos seziert

"Spiel ohne Grenzen" zeigt die linke Unfähigkeit zur Debatte

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Es war in der letzten Zeit still geworden um die globalisierungskritische Bewegung, die noch vor 2 Jahren mit den Massenprotesten von Genua und Göteborg für Aufsehen gesorgt hatte. Die Proteste gegen den G8-Gipfel im französischen Evian haben längst nicht mehr die Dynamik wie die Mobilisierungen im Sommer 2001.

Vielleicht könnte der Rückgang der Bewegung auch daran liegen, dass die Inhalte der globalisierungskritischen Bewegung oft diffus und verschwommen sind und gelegentlich sogar ein Einfallstor für reaktionäre und strukturell antisemitische Politikmuster bieten? Das zumindest ist die Fragestellung des Kongresses Spiel ohne Grenzen, der am Freitagabend in der Münchner Universität mit einem Referat des Konkret-Herausgebers Hermann L. Gremliza begonnen hat.

Bis Sonntag sezieren Referenten, vornehmlich aus dem antideutschen, antinationalen und kulturlinken Spektrum, Theoriebausteine der Antiglobalisierungsbewegung. Vieles davon hat man schon in Zeitungsaufsätzen oder Büchern gelesen, doch eine solch kompakte Kritik an den Globalisierungskritikern gab es wohl bisher selten.

Eine verkürzte, weil personifizierende Kapitalismuskritik mit Anschlussstellen zum Antisemitismus attestiert der österreichische Publizist Thomas Schmidinger großen Teilen der Bewegung. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen auch Mitarbeiter der Zeitschrift Phase2 bei ihrer Analyse der mit den Globalisierungskritikern eng verbundenen deutschen Antikriegsbewegung, der sie Antiamerikanismus unterstellen. Immerhin stellen sie noch die Frage, "inwieweit Antiamerikanismus 'teilbar' in richtige und falsche Kritik ist". Der Münchner Publizist Peter Bierl kommt am Ende seines Beitrags, in dem er einen Teil der prominenten Globalisierungskritiker wie Maria Mies, Susan George und Vandana Shiva etwas bemüht in die Esoterik-Ecke schiebt, zu einer sicher zutreffenden Einschätzung.

Vermutlich entwickelt sich die neue Bewegung wie die ehemalige Ökologiebewegung: Die Linke verhindert, wenn sie es denn will, eine Wendung nach Rechtsaußen, ein paar Reformen werden durchgesetzt und einige Prominente landen auf Ministersesseln.

Doch auch linke Theoriepäpste traten auf, die begründungsfrei ihre Wahrheiten verkündeten. So postulierte der Mitarbeiter der antideutschen Postille Bahamas, Stephan Grigat:

Die Solidarität mit Israel bedarf keiner großartigen Begründungen. Sie hätte eine Selbstverständlichkeit zu sein.

Sein Bahamas-Kollege Fabian Kettner belehrt all jene, die dem von Toni Negri und Michel Hardt herausgegebenen Buch "Empire" (Die Globalisierer blockieren die Globalisierung) positive Seiten abgewinnen können: "Man muss nicht viel wissen oder gelesen haben, um dieses Buch als schlecht beurteilen zu können". Vorher muss das Autorenduo auch noch in die Nähe des Faschismus gebracht werden werden.

Schon im Vorfeld hat die Einladungspolitik der Kongress-Vorbereitungsgruppe starke Kritik ausgelöst. Im Internet kursierten sogar Aufrufe, den Kongress zu stören, weil sich einige Referenten aus dem Bahamasumfeld eindeutig hinter die US-Kriegspolitik gegen den Irak gestellt hatten. Einige Referenten sagten daraufhin ihre Teilnahme ab.

Wir verstehen uns nicht explizit als antideutsch, beschäftigen uns allerdings auch mit Fragestellungen, die durch diese Strömung aufgeworfen worden sind,

erklärte Torsten Weber von der Vorbereitungsgruppe.

Der Kongress hat neben manch erhellender Kritik an den Globalisierungskritikern in erster Linie deutlich gemacht, dass man zu einer argumentativen Debatte nicht willens oder in der Lage war. Dann hätte man zumindest einige der Kritisierten zum intellektuellen Schlagabtausch auf das Podium bitten müssen.