Goldene Nica für Neal Stephenson

Durchgesickert: New York Times verkündete Gewinner in der Kategorie .net des Prix Ars 24 Stunden vor Pressekonferenz.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Offensichtlich wusste die New York Times schon zwei Tage vor der offiziellen Pressekonferenz morgen, Freitag, dass der Autor von SnowCrash und Cryptonomicon dieses Jahr die goldene Nica, den Hauptpreis des Prix Ars erhalten wird. Das Traditionsblatt konnte sich die vorzeitige Veröffentlichung dieses Resultats in der Online-Ausgabe nicht verkneifen (siehe NYTIMES (registrierungspflichtig)). "Nicht sehr erfreut" darüber zeigte sich eine Sprecherin des Veranstalters, ORF, mochte das Ergebnis der vorzeitigen Veröffentlichung aber auch nicht mehr dementieren.

Mit rund 100.000 Euro derzeit noch unangefochten der höchstdotierte Preis für interaktive und digitale Werke, wird der Prix Ars neben der Kategorie .net auch noch in den Kategorien Interactive Art, Computer Animation/Visual Effects und Digital Music vergeben. Während es aber in den anderen Kategorien weniger kontroversiell zugeht, hatte schon im Vorjahr die Jury in der Sparte .net Probleme, unter den eingereichten Werken ein wirklich herausragendes zu finden. Im Vorjahr entledigte man sich der Aufgabe, indem man Linus Torvald für die Entwicklung von Linux ehrte. Nun wird der Autor Neal Stephenson dafür ausgezeichnet, dass vor allem sein Buch Snowcrash die Vorstellung vieler Entwickler über das Internet beeinflusst hat.

Frau Dr.Christine Schöpf, die den Prix Ars für den ORF koordiniert, verteidigte die Entscheidung gegenüber Telepolis in einem Telefon-Interview damit, dass "nie Kunst im engeren Sinn Gegenstand des Prix Ars gewesen" sei sondern breitere Zusammenhänge, die auch Technologie, Wissenschaft und Kultur umfassten. Der Jury gehe es laut Frau Dr.Schöpf darum, wirklich Zeichen setzende Arbeiten auszuwählen, die neue Denkräume für die Entwicklung des ganzen Gebiets aufstoßen.

Dem naheliegenden Verdacht, dass John Markoff, der zugleich in der Jury des Prix Ars sitzt und bei der NYTimes arbeitet, Quelle der vorzeitigen Ankündigung in der Online-Ausgabe des Blattes ist, widersprach Frau Dr.Schöpf. Herr Markoff würde sich ganz sicherlich an die abgesprochenen Deadlines halten, sagte sie. Laut anderen Quellen wurden auch die Gewinner vorinformiert, so dass die "Lücke" auch in deren Umfeld zu finden sein könnte.

Die Entscheidung, den Preis wieder für eine eigentlich artfremde Leistung zu vergeben, wird vermutlich eine Mischung aus Kritik und Enttäuschung seitens der Künstler hervorrufen. Kurz vor der Preisverleihung im Vorjahr hatte ein Email-Hoaxer die falsche Anschuldigungverbreitet, die Entscheidung für Linux sei auf Sponsorendruck erfolgt. Bedenklich für das Image der Ars Electronica war bereits damals, wie viele Leute auf den Hoax reingefallen sind.

Hörbar um Schadensminderung bemüht, betonte Frau Dr.Schöpf, dass Überlegungen für eine neue Positionierung der Kategorie .net bereits im Gange wären. Bei der Einführung der Kategorie entwickelte Kriterien, die unter den Sammelbegriff "Webness" fallen, sollen wieder verstärkt werden. Man werde versuchen, eine europäische Note einzubringen, z.B. indem mehr demokratiepolitische Akzente gesetzt werden. Als Beispiele verwies sie auf die Internetseite der Seattle-Proteste oder auch den WWWiderstand in Österreich. In der Tradition des Prix Ars hätte sie sich auch vorstellen können, dass solche "politischen Internetprojekte" in .net ausgezeichnet werden. Auch will man wieder verstärkt ein "im Prinzip vorhandenes" Umfeld für die Teilnahme am Prix Ars mobilisieren.

Die offizielle Pressekonferenz mit der Ankündigung der Goldenen Nicas in den 4 Kategorien und den weiteren Nennungen erfolgt morgen, die Preisverleihung am 4.September, parallel zum nächsten Ars Electronica Festival.