Griechenland: Führen Sprachprobleme zur Abschiebung?

Immigrationsminister Giannis Mouzalas. Bild: W. Aswestopoulos

Helfer und das UNHCR äußern schwere Vorwürfe gegenüber der griechischen Regierung

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Offenbar nutzen griechische Behörden die sprachlichen Defizite von möglichen Asylbewerbern aus, um diese im Eilverfahren abzuschieben. Zu dieser erschreckenden Erkenntnis verleiten die Berichte über das Schicksal mehrerer Syrer, die vor einigen Wochen auf der Insel Milos ankamen. Einige der Syrer, darunter auch Familien mit Kindern im Säuglingsalter, wurden bereits abgeschoben.

Offiziell heißt es dann, einige Syrer hätten freiwillig die Abschiebung in die Türkei verlangt. Immer wieder gibt es Meldungen, welche über derartige Vorkommnisse informieren. Die Kurznachrichten werden über den offiziellen Verteiler des Flüchtlinge betreffenden Briefings verteilt und landen dann nahezu ohne Änderungen in den Agenturen.

Nun berichten Netzwerke freier Helfer über die Hintergründe, wie diese sich aus Sicht der Flüchtlinge darstellen. Demnach wurde mindestens zwei Familien von auf Milos gestrandeten Syrern ohne Dolmetscher ein zu unterzeichnendes Dokument vorgelegt, in dem unter anderen auch ein Kästchen war, wo sie ankreuzen mussten, dass sie Asyl in Griechenland beantragen wollten. Die Syrer, insgesamt zehn Personen, hatten das Dokument schlicht unterschrieben, verstanden jedoch nicht, was weiter mit ihnen geschah.

Über Facebook dokumentierten sie, wie sie von Milos aus zu einem ihnen zunächst unbekannten Ort auf Kos transportiert wurden. Von dort dachten sie, dass es weiter nach Athen ginge, sie landeten jedoch in der Türkei. Die Abschiebung fand am 20.10. statt und wurde, wie in den anderen Fällen auch, als freiwillige Rückkehr über den Presseverteiler vermeldet.

Die Helfer schalteten das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) ein und es gab, nachdem die Geschichten der Flüchtlinge verifiziert wurden, Proteste des UNHCR bei der griechischen Regierung. Der UNHCR legte am 21.10. die gesammelten Daten zu den zehn Syrern vor und bat in scharfer Form um eine Stellungnahme. Offensichtlich seien die Rechte der Asylsuchenden verletzt worden, hieß es. Am 22.10. gab es die erste Stellungnahme der Regierung, die wiederum über den Presseverteiler verbreitet wurde. Demnach sind nach Ansicht der Regierung die Vorgänge um die zehn Syrer folgendermaßen abgelaufen: "Die wahren Vorgänge sind:

  • Die erste Belehrung über ihre Rechte zur Beantragung des Asyls des internationalen Schutzes erfolgte durch die Beamten der Gruppe für Registrierung der griechischen Polizei am Tag ihrer Ankunft auf Milos, am 9. Oktober 2016. Die spezifische Belehrung wurde während ihres zehntägigen Aufenthalts im Zentrum für Ankunft und Registrierung der Immigrationspolitik auf Leros wiederholt.
  • Im Flughafen von Kos, der letzten Station des Rückflugs in die Türkei wurden sie erneut von den sie begleitenden griechischen Polizisten gefragt, ob sie im letzten Moment noch einen Asylantrag stellen wollten. Eine dreiköpfige Familie sprach, vor dem Einstieg ins Flugzeug am Flughafen auf Kos, den Willen des Stellens eines Asylantrags aus, und wurde nicht ins Flugzeug für den Rückflug gebracht. Keiner der übrigen zehn Syrer äußerte eine ähnliche Absicht.
  • Wir betonen, dass während der gesamten Rückabschiebung - auch im Flugzeug - Beamte der Frontex sowie ein Vertreter des Bürgerobmanns anwesend waren und den Vorgang überwachten."

Damit schien der Fall zumindest von Regierungsseite aus zunächst einmal abgeschlossen zu sein. Am Donnerstag gab es zu dem Fall einen erneuten Rundbrief der Regierung. Immigrationsminister Giannis Mouzalas ließ mitteilen, dass er sich nach intensiver Beschäftigung mit der Sachlage in den kommenden Tagen hinsichtlich der Vorwürfe des UNHCR äußern werde.