Griechenland: Rundfunkreform verfassungswidrig

Das Gerichtsgebäude. Foto: Wassilis Aswestopoulos

Tsipras Regierung erleidet eine schwere Niederlage und ist in argen Nöten

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Das oberste Verwaltungsgericht, der griechische Staatsrat (Symvoulio Epikratias), hat am späten Mittwochabend mit 14 zu 11 Stimmen entschieden, dass das von Staatsminister Nikos Pappas initiierte Rundfunkgesetz verfassungsfeindlich ist. Das Gericht benötigte 55 Tage und fünf Sitzungen. Die Nachricht führte, wie nicht anders zu erwarten, zu Sondersendungen bei allen Fernsehstationen.

Weitreichende Folgen

Das Urteil wird in Athen weitreichende Folgen haben. Die gesamte Opposition verlangt bereits den Rücktritt von Pappas. Der enge Freund des Premiers Alexis Tsipras hatte das Gesetz gegen alle Widerstände durchgepaukt. Er versuchte sogar die gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung klagenden Sender mit einer Expressschließung vor vollendete Tatsachen zu stellen. Bei den betroffenen Sendern waren knapp 2.000 Arbeitsplätze in Gefahr.

Pappas nahm mehr als achtzig Millionen der ersten Rate der vier von ihm lizensierten Sender ein und Tsipras verteilte das Geld bereits für Kindergartenplätze und die Anstellung von Ärzten und Pflegern. Nun muss das Geld an die Reeder Yannis Alafouzos und Evangelos Marinakis, und die Unternehmer Ivan Savvidis und Minoas Kyriakou zurückgezahlt werden. Auch dies wurde vom Gericht bestimmt.

Inwieweit die neuen Fernsehstationen von Savvidis und Marinakis, für die weitere Investitionen bereits getätigt wurden, um die Fristen des Gesetzes von Pappas einzuhalten, über die Rückerstattung der gezahlten Rate hinaus, auch noch Schadensersatzansprüche haben, ist noch offen.

In einer ersten, in der Wortwahl heftigen Reaktion wies Regierungssprecherin Olga Gerovasili darauf hin, dass nun 15.000 Kinder die Kindergärten verlassen müssen, und die Krankenhäuser weiterhin ohne Personal bleiben. Gerovasili war bei ihrem über den Rundfunk verbreiteten Statement sichtlich erschüttert und griff das Gericht mehrmals in ziemlich undiplomatischer Weise an. Sie versicherte jedoch, dass allen sendenden Stationen umgehend vorläufige Lizenzen erteilt werden.

Tsipras liebste Erfolgsstory demontiert

Das, was der Staatsrat besonders bemängelte, war die Tatsache, dass der verfassungsmäßig verankerte Rundfunkrat durch die Regierung entmachtet wurde. Dementsprechend hart fiel das Urteil aus. Es gibt keinerlei aufschiebende Wirkung. Die Regierung ist umgehend dazu verpflichtet, den vorherigen Status Quo wiederherzustellen und den Rundfunkrat einzusetzen.

Für die neuen Fernsehsenderbesitzer, die aus der Auktion hervorgingen, bedeutet dies, dass sie nicht auf Sendung gehen dürfen. Der Rundfunkrat muss umgehend wieder eingesetzt werden. Pappas selbst hatte sich die Kompetenzen des Rats per Gesetz auf seine Person übertragen lassen - auch dies ist hinfällig.

Tsipras hatte bereits vor Wochen eine Kabinettsreform angekündigt. Allgemein wird in Athen erwartet, dass sein enger Freund und Vertrauter Pappas nun nicht mehr zu halten ist. Zudem hatte Tsipras die Auktion dazu genutzt, sich bei der Internationalen Messe von Thessaloniki als Besieger der Diaploki, der Verquickung von Staat und Oligarchen, zu präsentieren.

Mitten in den negativen Schlagzeilen wegen der von Tsipras adoptierten neoliberalen Sparpolitik blieb das Thema der Rundfunklizenzen bis zum Urteil des Staatsrats Tsipras liebste Erfolgsstory. Mehrfach hatte der Premier öffentlich bezweifelt, dass der Staatsrat es kaum wagen würde, das Gesetz von Pappas zu Fall zu bringen.

Opposition verlangt Neuwahlen

Es bleibt anzumerken, dass der Staatsrat bei früheren Urteilen ähnlicher Tragweite den davon betroffenen Regierungen immer eine Hintertür oder zumindest eine Frist offen ließ. Ein derart hartes Urteil gab es zumindest in der jüngsten Vergangenheit, auch hinsichtlich der mit den Rettungskrediten verbundenen harten sozial ungerechten Maßnahmen nicht.

Die faktische Niederlage vor Gericht stellt die Regierung mitten im Beginn der zweiten Inspektion des dritten Kreditprogramms für Griechenland vor schwierige Aufgaben. Die Opposition hatte eine Neubesetzung des von Pappas aufgelösten Rundfunkrats dadurch blockiert, dass sie für ein Votum verlangte, dass Pappas sein Gesetz fallen lassen würde.

Der Rat kann nur mit vier Fünftel des Parlaments berufen werden. Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis sieht nun eine Chance für eine Retourkutsche. Tsipras hatte die Regierung Samaras durch eine erfolgreiche Blockade der Präsidentenwahl zu Fall gebracht. Nun muss er zur Erfüllung der Vorgaben des Gerichts die Stimmen der Opposition bekommen. Diese jedoch verlangt vorgezogene Neuwahlen des Parlaments.

Schließlich sitzt die Regierung auch noch in einer anderen Falle. Es ist ihr vor Vorliegen der schriftlichen Begründung des Gerichtsentscheids nicht gestattet, ein neues Gesetz für den Rundfunk zu erlassen. "Regierungen fallen durch Wahlen und nicht durch Urteile", hatte Tsipras vor dem bahnbrechenden Richterspruch gesagt. Es wird sich in den nächsten Tagen zeigen, ob dies tatsächlich zutreffend ist.