Griechenland-Türkei: Diplomatisches Dilemma

Was geschieht mit den türkischen Hubschrauberinsassen, die im griechischen Alexandoupolis gelandet sind?

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Die Landung der türkischen Soldaten und des einen Zivilisten im nordgriechischen Grenzstädtchen Alexandroupolis stellt die Regierung Tsipras vor ernste diplomatische und juristische Probleme. Die letzten ministeriellen Einlassungen zum Thema ließen den Betroffenen wenig Hoffnung auf einen guten Ausgang ihres Asylverfahrens. Dimitris Vitsas, seines Zeichens Vizeminister für Verteidigung, sagte am Sonntagnachmittag, "die Argumente der Türkei sind sehr schwerwiegend, weil die verfassungsmäßige Ordnung verletzt wurde".

Zwar ist die griechische Justiz offiziell unabhängig, die Aussagen der griechischen Offiziellen klangen jedoch wie eine Vorverurteilung, die offenbar den politischen Druck auch auf die Richter übertragen soll. Die Regierung Alexis Tsipras bleibt damit weiterhin treu gegenüber der allgemeinen EU-Linie und übersieht dabei die Rechte der Asylsuchenden. Diese behaupten steif und fest, sie wären nicht in die Putschpläne eingeweiht gewesen, sie hätten lediglich Befehlen Folge geleistet und hätten nun um ihr Leben zu fürchten. Auch in Griechenland berichten alle Medien davon, dass Erdogan nun für die Putschisten oder diejenigen die er dazu zählt, die Todesstrafe wiedereinführen möchte, beziehungsweise von seinen Anhängern dazu gedrängt wird. Bilder und Videos von misshandelten Festgenommenen Soldaten, welche als Putschisten präsentiert werden, machen die Runde. Einer wurde geköpft.

Premierminister Alexis Tsipras selbst hat mit dem türkischen Präsidenten telefoniert. Auch die Außenministerien beider Länder stehen in engem Kontakt. Das jedoch ändert nichts an der Tatsache, dass es für solche Fälle keinerlei bilaterales Abkommen zwischen der Türkei und Griechenland gibt. Somit unterstehen die um Asyl Ersuchenden der griechischen Justizordnung. Diese besagt außer dem Recht der Asylsuchenden auf ein zweistufiges unabhängiges Verfahren, dass nach dem griechischen Recht eine Auslieferung dann verboten ist, wenn der dem Auslieferungsantrag zugrunde liegende Verstoß politisch oder militärisch ist, oder aber wenn ersichtlich ist, dass politische Gründe hinter dem Antrag stehen. Dies wiederum kann erst justiziabel entschieden werden, wenn die türkische Seite ihren Strafantrag samt des Auslieferungsgesuchs komplett formuliert hat.

Der griechische Gesetzgeber sah nicht vor, dass Umstände wie der Flüchtlingsdeal der EU die Rechte der Asylsuchenden beschneiden können. Die Entscheidung über die Einstufung des Auslieferungsantrags obliegt zuerst dem Rat des Berufungsgerichts, danach dem Areopag und schließlich dem Justizministerium. Letzteres ist in der gegenwärtigen politischen Lage wahrscheinlich geneigt, die Einstufung den diplomatischen Bedürfnissen des Landes anzupassen.

Über das griechische Recht hinaus gelten natürlich die Genfer Konvention und die allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948. Hier ist die Situation eindeutig. Erdogan hat bereits als Reaktion auf den Putsch Tausende ihm nicht genehme Richter entlassen. Rechtsstaatliche Verfahren sind unter solchen Umständen kaum zu erwarten.

Zudem würde eine rasche Auslieferung Tsipras Ansehen bei der Parteibasis endgültig zerstören. Es bleibt abzuwarten, wie sehr sich die griechische Regierung dem realpolitischen Druck von EU und Türkei beugen wird oder ob am Ende doch die auf Menschenrechte eingeschworene nominelle Ideologie Tsipras obsiegt.

Die Staatsanwaltschaft hat die acht aus der Türkei Geflüchteten wegen des illegalen Eindringens und der Verletzung des griechischen Luftraums angeklagt. Heute sollen sie noch vor Gericht erscheinen, die bleiben in Haft und konnten nicht mit ihren Familien sprechen. In einem Gespräch mit Erdogan soll der griechische Regierungschef Tsipras erklärt haben, dass das Verfahren gegen die Soldaten schnell vor sich gehen wird, aber in Übereinstimmung mit internationalem Recht und den Menschenrechten.