Guantanamo-Feeling: Die falschen Stempel im Pass

Ein Mitarbeiter des Europäischen Parlaments wurde am Internationalen Flughafen von Miami festgenommen und verhört

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24 Stunden in US-Haft, sechs Stunden wiederholte Verhöre durch die Grenzpolizei, Schlafentzug, Misshandlungen. Paul-Emile Dupret versteht auch knapp eine Woche nach den Geschehnissen am internationalen Flughafen von Miami nicht, wie er am vergangenen Sonntag unter Terrorverdacht geraten konnte. Der belgische Staatangehörige und außenpolitische Berater im Europäischen Parlament war mit einer Gruppe von EU-Abgeordneten der Fraktion der Vereinigten Linken/ Nordische Grüne Linke auf dem Rückweg aus der nicaraguanischen Hauptstadt Managua nach Madrid. Die Parlamentarier hatten in Nicaragua mehrere Tage lang an einem Arbeitstreffen des São-Paulo-Forums teilgenommen. Für Dupret nichts Ungewöhnliches: Als Fraktionsmitarbeiter muss er oft Dienstreisen ins Ausland unternehmen. Bislang gab es nie Probleme. Dann kam der vergangene Sonntag.

Wie viele Interkontinentalflüge führte auch diese Reise mit einer Maschine der spanischen Fluggesellschaft Iberia über den Internationalen Flughafen von Miami. Eine Stunde Aufenthalt war eingeplant, dann sollte es mit dem Anschlussflug weiter nach Europa gehen. Dupret hielt sich wie die gesamte Reisegruppe im Transitbereich auf, trank einen Kaffee, vertrieb sich die Zeit.

"Als ich bei der Sicherheitskontrolle dann meinen Reisepass vorzeigte, runzelte der US-Grenzbeamte seine Stirn", erinnert sich der Belgier. In dem Reisepass befanden sich mehrere Stempel und Visa aus Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, Kuba, Venezuela Kolumbien oder Ecuador. Trotz der Erklärung, dass ihn seine parlamentarische Arbeit in diese Länder geführt habe, wurde Dupret von der Delegation getrennt und abgeführt. Ein normaler Umgang mit internationalen Fluggästen im Jahr drei des sogenannten Kampfes gegen den Terrorismus.

"Ich wurde über sechs Stunden lang immer wieder verhört", sagt Dupret im Gespräch mit Telepolis. Der Skandal daran sei, dass sie Beamten von Beginn an von seiner Arbeit als Parlamentsberater wussten. "Ich gehe davon aus, dass ich bei den US-Behörden als langjähriger Menschenrechtsaktivist bekannt war", so die Mutmaßung des Geschädigten, der oft in Konfliktstaten wie Kolumbien und Venezuela arbeitet. Als Grenzbeamte in Miami während der Verhöre in seinem Gepäck dann ein Buch fanden, in dessen Umschlaginnenseite eine Widmung und die persönliche Visitenkarte des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez klebte, wurden die Fragen gezielter. Ob er sich mit Hugo Chávez in Venezuela und mit Fidel Castro in Kuba getroffen habe?

Als sich die Fragen zum x-ten Mal wiederholten, wurden sie des Spiels wohl selber müde. Nachdem man mir schon zu Beginn der Verhöre erklärt hatte, dass ich Reisen in die Vereinigten Staaten ohne eine Autorisierung der US-Behörden künftig vergessen könne, wurde ich in eine Zelle abgeführt. Dabei hätten sie mich mit dem nächsten Iberia-Flug fünf Stunden später einfach abschieben können.

Paul-Emile Dupret im Gespräch mit Telepolis

In der Zelle wurde der Belgier weitere achtzehn Stunden festgehalten. Der Raum war mit grellem Licht ausgeleuchtet, an der Wand dröhnte ein Fernseher in ohrenbetäubender Lautstärke. An Schlaf war nicht zu denken. Solche Haftbedingungen werden in Verhörhandbüchern der US-Armee empfohlen, um den Widerstand der Gefangenen durch Schlafentzug zu brechen. Menschenrechtsorganisationen haben diese und andere Methoden im Zusammenhang mit den jüngsten Folterskandalen der US-Armee in Afghanistan und Irak als Folter verurteilt und ein Verbot gefordert.

Dem entgegen scheinen die umstrittenen Methoden inzwischen sogar im Transitbereich der US-Flughäfen Einzug gefunden zu haben. Da US-Beamte seit Beginn des "Kriegs gegen den Terrorismus" auch hier Menschen nach eigenem Ermessen festnehmen können, muss man keineswegs mit den Al-Qaida in Verbindung gebracht werden, um in den fragwürdigen Genuss der Verhörmethoden zu kommen. Mitunter reicht schon der falsche Stempel im Pass, um das originale Guantánamo-Feeling aufkommen zu lassen.

Der Fall wird nun ein Nachspiel haben. Trotz nahender Parlamentsferien soll der Präsident des EU-Parlamentes eine Protestnote an die US-Regierung senden. Dupret nämlich befürchtet empfindliche Auswirkungen auf seine Arbeit als Menschenrechtsbeauftragter. "Weil ich nun einen Vermerk in meinem Pass habe, kann ich nicht mehr frei in die USA einreisen, was meine Arbeit in vielen Sachgebieten schlicht unmöglich macht", sagt er. Auch könnten andere Regierungen, wie die Kolumbiens, das provisorische US-Einreiseverbot benutzen, um den Parlamentsmitarbeiter ebenfalls auf die schwarze Liste zu setzen. Aber schließlich läuft auch der Krieg in Kolumbien unter dem Label des Antiterror-Kampfes - wie der des Weißen Hauses.