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Habeck plant neue Subventionen für Industriestrom

Energie und Klima – kompakt: Die Industrie soll bis 2030 vergünstigten Strom erhalten. Umweltschützer:innen fordern ein Ressourcenschutzgesetz. Warum das notwendig ist, zeigt allein ein Konzern.

Am Freitag hat Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck ein Konzept [1] für einen gedeckelten Industriestrompreis vorgelegt. Demnach soll für bestimmt energieintensive Unternehmen der Strompreis in den nächsten Jahren auf sechs Cent pro Kilowattstunde (kWh) begrenzt werden.

Überschreitet der durchschnittliche Börsenstrompreis eines Jahres diesen Wert, bekämen die Unternehmen die Differenz erstattet. Damit möchte Habeck die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Unternehmen in diesem Jahrzehnt, Arbeitsplätze und Standorte sichern.

Die Mittel dazu müssten aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfond kommen, heißt es in dem Papier. Denn die Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds werden schon für die Programme zur Dekarbonisierung der Industrie und der Gebäude – hier insbesondere den Heizungstausch - benötigt.

Die Kosten für den Preisdeckel bis zum Jahr 2030 schätzt das Ministerium auf 25 bis 30 Milliarden Euro. Bundesfinanzminister Christian Lindner steht dem Vorschlag bislang ablehnend gegenüber. Außerdem hält Lindner die Umwidmung von Mitteln aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfond für verfassungsrechtlich bedenklich. Dass es rechtliche Hürden gibt, wird allerdings in dem Papier aus dem Wirtschaftsministerium eingeräumt.

In Bezug auf den gedeckelten Industriestrompreis ist auch von einem "Brückenstrompreis" die Rede. Davon sollten "ausschließlich energieintensive Industrieunternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, inklusive neuer energieintensiver Transformationsindustrien" profitieren und der Deckel sollte maximal bis 2030 gelten.

Ab dann soll nämlich (mit einem Anteil von 80 Prozent) ausreichend günstiger erneuerbarer Strom im Netz vorhanden sein. Damit die Unternehmen auch bei einem subventionierten Strompreis noch sparsam mit der Energie umgehen, soll der vergünstigte Tarif nur für 80 Prozent ihres Verbrauchs gelten.

In den Vorschlägen enthalten ist auch ein Konzept für Industriestrompreise über 2030 hinaus. Über einen langfristigen "Transformationsstrompreis" sollen die energieintensiven Unternehmen preisgünstigen Strom aus erneuerbaren Energien beziehen können.

Zum einen soll die Industrie ihren erneuerbaren Strom günstig über sogenannte Differenzverträge (contracts of difference) beziehen können. Contracts of difference (CfD) werden laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung [2] (DIW) bereits im Vereinigten Königreich und in Frankreich für Offshore-Windenergie genutzt.

Sie sichern Projektentwickler gegen niedrige Strompreise und Stromverbraucher:innen gegen hohe Strompreise ab. Damit verhindern sie, dass die Risiken niedriger Strompreise sozialisiert, die Profite hoher Strompreise aber privatisiert werden. Vor Projektbeginn wird – beispielsweise in Ausschreibungen für Solar- oder Windenergie – ein CfD-Preis ermittelt, der für 20 Jahre für eine Anlage gilt,

… erläutert das DIW.

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Ein zweites Instrument sind Power Purchase Agreements (PPAs). "Der Abschluss von PPAs von EE-Erzeugern mit Industriepartnern soll mit Bürgschaften abgesichert werden, um die Risikoprämien dieser Verträge zu reduzieren (norwegisches Modell). Alternativ prüfen wir eine teilweise Haftungsfreistellung von kreditgebenden Banken", heißt es dazu beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Zudem soll regional überschüssiger Strom besser genutzt und seltener abgeregelt werden, zum Beispiel, indem er günstig zur Erzeugung von Wärme oder grünem Wasserstoff abgegeben wird. Industrieunternehmen, die ihren Strom aus erneuerbaren Erzeugungsanlagen in der Nähe beziehen, sollen von vergünstigten Netzentgelten profitieren.

Robert Habeck hat das Konzept für einen gedeckelten Industriestrompreis vergangene Woche fast pünktlich zum Erdüberlastungstag vorgelegt. "Deutschlands Wohlstand basiert auch auf seiner starken industriellen Basis und wir brauchen diese starke Basis auch in Zukunft", erklärte der Bundeswirtschaftsminister.

Der Wohlstand in Deutschland und die starke Industrie sorgen aber auch dafür, dass hierzulande die natürlichen Ressourcen noch schneller überlastet sind als in vielen anderen Ländern. Umso genauer müsste eigentlich hingeschaut werden, welche Industrien mit günstigen Strompreisen subventioniert werden sollen.

Das lässt sich aus dem Arbeitspapier noch nicht klar herauslesen. Zumindest sollen sich die Empfänger von Subventionen zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 verpflichten.

Beim Erdüberlastungstag geht es um mehr als das Klima. Am 4. Mai hat Deutschland in diesem Jahr seinen Anteil an erneuerbaren Ressourcen für das Jahr aufgebraucht. Würden alle Länder so viele Ressourcen pro Kopf verbrauchen wie Deutschland, bräuchte die Menschheit drei Erden.

Der reale Verbrauch von Naturgütern der Menschheit liegt derzeit in einer Größenordnung dessen, was rechnerisch 1,75 Erden liefern könnten, so das Global Footprint Network [3]. Der Erdüberlastungstag für den gesamten Globus fiel dementsprechend im vergangenen Jahr auf den 28. Juli.

Quetschen wir unsere Erde weiter aus wie bisher, werden wir die Auswirkungen der Klimakrise niemals eindämmen können. Denn das ökologische Hauptproblem ist die Ressourcenverschwendung. Artensterben und globale Erwärmung sind nur die Symptome. Wenn wir eine Chance auf eine lebenswerte Zukunft haben wollen, müssen wir das Problem endlich bei der Wurzel packen. Wir brauchen einen rechtlich verbindlichen und klaren Reduktionspfad,

… sagt der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Olaf Bandt, anlässlich des Erdüberlastungstags. Der BUND fordert, dass die Bundesregierung ein Ressourcenschutzgesetz verabschiedet, in dem der Rohstoffverbrauch pro Person und Jahr bis zum Jahr 2050 mit klaren Zahlen beschränkt wird. In Deutschland stagniere der Verbrauch seit Jahren auf viel zu hohem Niveau.

Wird nun mit günstigen Strompreisen die industrielle Produktion gefördert, zieht das wiederum Ressourcenverbrauch nach sich. Besonders ressourcenintensiv ist beispielsweise die Automobilbranche, und sie wird es auch bleiben, selbst wenn sie sich eines Tages endlich aus der Produktion von Verbrenner-Pkw verabschiedet.

Der BUND führt ein Zukunftsszenario der Organisation PowerShift an, wonach Volkswagen 2030 allein für die Batterien seiner Fahrzeuge knapp 800.000 Tonnen Aluminium und 250.000 Tonnen Nickel benötigen würde. Das ist zehnmal so viel Nickel und Aluminium wie der gesamte geplante Ausbau der Windkraft in Deutschland (bis 2030) – bei nur einem Konzern.

Besonders ungünstig wäre es daher, wenn Elektroautos in Konkurrenz zur Herstellung von Windrädern treten, denn deren Strom wird am Ende wieder benötigt, um die Autos auch zu laden. Abgesehen davon, dass für den Bau von Straßen für noch mehr Autos weitere Natur zerstört und Ressourcen verbraucht werden.


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https://www.heise.de/-8991061

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/W/wettbewerbsfaehige-strompreise-fuer-die-energieintensiven-unternehmen-in-deutschland-und-europa-sicherstellen.pdf?__blob=publicationFile&v=6
[2] https://www.diw.de/de/diw_01.c.670596.de/differenzvertraege_contracts_for_difference.html
[3] https://www.footprintnetwork.org/