Haftvollzug: Kommt das Internet bald auch nach Bayern und Baden-Württemberg?

Während Corona-Pandemie hatten Gefangene oft nur online soziale Kontakte. Doch auch grundsätzlich geht es um Resozialisierung. Das haben nicht alle eingesehen.

Das Thema Internetzugang für Strafgefangene hat während der Coronapandemie einen bis dahin ungeahnten Bedeutungsschub erfahren. Internetangebote im Gefängnis waren gerade während der Pandemie für die Gefangenen unerlässlich. Zum einen deshalb, weil der Besuchsverkehr eingeschränkt oder sogar ausgesetzt war und es diesen Verlust durch digitale Kontaktmöglichkeiten nach Kräften zu kompensieren galt.

Zum anderen haben inhaftierte Menschen ebenso ein Recht auf Informationsfreiheit wie alle anderen auch. Um dieses Recht zeitgemäß wahrnehmen zu können, brauchen sie – heute mehr denn je – Internetzugang in Haft.

Zudem ist ein Internetzugang für Strafgefangene untrennbar mit dem Aspekt der Resozialisierung verbunden. Die Landesstrafvollzugsgesetze verpflichten zur Resozialisierung von Gefangenen.

Zusätzlich lässt sich dieser Auftrag auch aus der Verfassung ableiten, namentlich aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner berühmten Lebach-Entscheidung bereits 1973 klargestellt hat.

Vor allem dieser Resozialisierungsaspekt hat die Bundesländer dazu bewogen, in den Strafvollzugsgesetzen sogenannte Öffnungsklauseln für die Internetnutzung durch Gefangene zu implementieren. Dabei waren im Ländervergleich lange Zeit Bayern und Baden-Württemberg die Schlusslichter. Sie hatten bewusst darauf verzichtet, ihrem Landesstrafvollzugsgesetz eine Internetregelung zu geben – aus Sicherheitsgründen.

Berlin mit Pilotprojekt

Umso überraschender dürfte es gerade für diese Bundesländer gewesen sein, als Berlin 2018 mit dem Forschungsprojekt "Resozialisierung durch Digitalisierung" (BlnAbghs-Drs. 18/2767) in die Testphase ging und im Zuge dessen erfolgreich und sicher Gefangenen einen Internetzugang anbieten konnte. Wie man auf berlin.de, dem offiziellen Hauptstadtportal, aktuell lesen kann, können Gefangene in Berlin inzwischen "in drei Gefängnissen im Internet surfen".

So ging Ende 2022 zunächst die Justizvollzugsanstalt für Frauen in Lichtenberg mit einem digitalen Haftraumsystem ans Netz, Anfang März 2023 folgte dann die Anstalt Heidering und Anfang April der offene Vollzug am Standort Robert-von-Ostertag-Straße. Das Ergebnis: "Damit hätten derzeit etwa 790 Gefangene Zugang zu verschiedenen Internetdiensten."

Diese Entwicklungen blieben in Bayern und Baden-Württemberg nicht verborgen. Im Gegenteil. In Baden-Württemberg wurde 2022 nicht nur eine Internetregelung ins Gesetzbuch aufgenommen, sondern vom Justizministerium wurde auch ein Modellprojekt mit dem gleichen Namen wie in Berlin ins Leben gerufen: "Resozialisierung durch Digitalisierung". Ab 2024 soll hier Gefangenen testweise Internetzugang gewährt werden.

Auch in Bayern hat sich etwas getan – wohl vor allem dank Corona. Denn Bayern hatte – trotz fehlender Internetvorschrift – Gefangenen während der Pandemie bereits Internetzugang für die Internetvideotelefonie ermöglicht. Mit Gesetz vom 21. Oktober 2022 wurde nun ebenfalls eine Öffnungsklausel für die Internetnutzung durch Gefangene eingeführt (BayLT-Drs. 18/23106).

Damit ist auch in Bayern und Baden-Württemberg von gesetzgeberischer Seite der Weg frei für einen Internetzugang für Strafgefangene – endlich! Dennoch. Es bleibt abzuwarten, ob und inwiefern die Justizverwaltungen beider Länder die neuen Vorschriften – von Testläufen abgesehen – tatsächlich praktisch werden lassen. Berlin kann und sollte hier das Vorbild sein.

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