Hass zum Gruß

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Anklage gegen Menschenrechtsaktivisten, weil er sich unter FPÖ-Anhänger mischte, die vor einem Flüchtlingsheim dessen Schließung forderten?

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In Wien-Erdberg wurden am 3. Juni Flüchtlinge von Unterstützern der rechtspopulistischen FPÖ "empfangen". Die Demonstranten riefen fremdenfeindliche Parolen und drückten mittels Schildern ihren Unmut gegenüber dem lokalen Flüchtlingsheim aus. Die FPÖ fordert die sofortige Schließung. Alexander Pollak, Sprecher der österreichischen Menschenrechtsorganisation "SOS Mitmensch", mischte sich unter die Flüchtlingsfeinde und bot ihnen mit einem eigenen Schild die Stirn. Nun erwartet ihn womöglich eine Anzeige.

In Wien-Erdberg hießen FPÖ-Anhänger Flüchtlinge mit Schildern willkommen, auf denen unter anderem "Nein zum Asylantenheim" zu lesen war. Sie mischten sich unter sie und gaben kontra. Fühlten sie sich dabei nicht etwas einsam und allein gelassen?

Alexander Pollak: Ich bin als Privatperson zum Ort der Kundgebung gegangen, um dort ein Zeichen zu setzen, dass es auch Menschen gibt, die Asylsuchende willkommen heißen. Ich habe mich direkt dorthin gestellt, wo die FPÖ-Kundgebung angekündigt war, weil ich das Verhalten der FPÖ gegenüber den Menschen in der Asylunterkunft in Erdberg als zutiefst unanständig empfunden habe. Zum Glück waren auf der gegenüberliegenden Straßenseite noch über 100 weitere Menschen vor Ort, die ebenfalls einen respektvollen Umgang mit Asylsuchenden eingefordert haben.

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Haben die Flüchtlinge vor Ort verstanden, worum es da ging?

Alexander Pollak: Einige der Asylsuchenden kamen aus der Unterkunft heraus, um zu sehen, was da plötzlich los ist. Andere waren gerade auf dem Weg zur Unterkunft und mussten sich diesen durch die FPÖ-Anhänger bahnen. Ich gehe davon aus, dass sie gemerkt haben, dass ihnen hier leider kein freundlicher Empfang bereitet wurde.

Ist die jüngste Aktion sogar für FPÖ-Verhältnisse ein Tiefpunkt?

Alexander Pollak: Ich will, ehrlich gesagt, die FPÖ-Verhältnisse nicht zum Maßstab nehmen. Für die politischen Verhältnisse in Wien war es mit Sicherheit ein ganz, ganz tiefer Punkt. Wie sich Menschen, noch dazu welche, die politisch mitgestalten wollen, zu solch einem unanständigen Verhalten gegenüber Schutzsuchenden hinreißen lassen können, ist mir unbegreiflich.

Was sagt die Aktion ihrer Meinung nach über die österreichische Gesellschaft aus? Ist der Fremdenhass "normal" geworden?

Alexander Pollak: Teile der FPÖ setzen alles daran, damit Angst, Hass und das Auseinanderdividieren von Menschen nach Herkunft, Religion oder Aufenthaltsstatus normal werden. Dem gilt es entschieden entgegenzutreten. Eine Politik des radikalen Nationalismus, des Rassismus, der Asylhetze darf nicht zur Normalität werden, sonst riskieren wir all die demokratischen und menschenrechtlichen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte.

Wie man hört, hat Ihre Aktion ihnen Probleme mit der Polizei beschert. Können Sie kurz erläutern, was passiert ist und was womöglich noch auf Sie zukommt?

Alexander Pollak: Ich habe mich still mit meiner Willkommenstafel vor die Asylunterkunft gestellt. Der FPÖ hat das nicht gefallen. Einer versuchte mir ein "Nein zum Asylantenheim"-Schild vor den Kopf zu halten, andere beschwerten sich bei der Polizei. Ein Polizist drohte mir daraufhin mit einer Anzeige wegen "Störung einer Versammlung". Dabei habe ich weder "den Versammlungsraum unzugänglich" gemacht noch irgendjemanden am "Zutritt zur Versammlung gehindert". Ich war auch nicht in die Versammlung "unbefugt eingedrungen", da ich schon vor der FPÖ vor Ort war. Abgesehen davon bin ich in keiner Art und Weise laut, belästigend oder bedrohlich aufgetreten.

Nach etwa einer Stunde verließ ich den Platz in Richtung U-Bahn. In der U-Bahn-Station standen dann plötzlich zwei Polizisten vor mir, die mir offenbar gefolgt waren, und führten eine Personenkontrolle bei mir durch. Begründung: Ich hätte eine Versammlung gestört. Ich finde das befremdlich, denn ich habe mich, wie gesagt, ruhig und absolut friedlich verhalten. Wie dem auch sei, was mich wirklich bewegt hat, waren die vielen tausend positiven Reaktionen, die ich in sozialen Netzwerken auf meine Aktion erhalten habe. Das zeigt mir, wie wichtig es ist, positive Zeichen zu setzen.

Alexander Pollak ist Autor und Sprecher der österreichischen Menschenrechtsorganisation "SOS Mitmensch", außerdem war er fünf Jahre lang als Leiter von Anti-Diskriminierungsprojekten in der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) tätig.