Hat die Menschheit noch eine Chance?

Bild: Kristopher Roller/Unsplash

Die Klimakatastrophe ist nur eine von vielen Krisen. Zur Bewältigung der Vielfachkrisen sind neue Wege notwendig. Höchste Zeit, sich von der westlich dominierten Vorstellung von "Entwicklung" zu verabschieden.

Wenn RWE Lützerath abbaggern darf, dann hat sich die Bundesregierung – allen voran die zuständigen Olivgrünen – endgültig von einer ernsthaften Klimapolitik und vom ohnehin unzureichenden 1,5 Grad-Ziel verabschiedet.

Der 2022 erschienene Bericht "Earth for All" des Club of Rome scheint ungehört zu bleiben, so dass wohl das darin beschriebene Szenario "Zu wenig, zu spät" eintreffen wird, mit noch mehr Ungleichheit, sozialen Spannungen und einem globalen Temperaturanstieg um weit mehr als zwei Grad, mit verheerenden Auswirkungen.

Das andere Szenario, das die Menschheit vor dem Aussterben retten könnte, würde einen sofortigen "Riesensprung" erfordern: Abschaffung von Armut und Ungleichheit, Ermächtigung von Frauen, Aufbau eines gesunden Nahrungsmittelsystems und Nutzung sauberer Energien. All dies ist nicht – und schon gar nicht in dem erforderlichen Umfang und der notwendigen Geschwindigkeit – in Sicht.

Die Klimakatastrophe ist nur eine von vielen Krisen, die eine weitere Existenz der Menschheit ernsthaft infrage stellen. Auf dem Weltnaturgipfel COP15 im Dezember 2022 verhandelten Vertreter:innen aus fast 200 Ländern über den Erhalt der Biodiversität (siehe: Schutz der Biodiversität: Die Illusion einer Lösung).

Diese Konferenzen finden regelmäßig statt, formulieren schöne Ziele, die jedoch nie erreicht werden. Durch die Ausbeutung und Verschmutzung der Natur schreitet das Artensterben immer schneller voran.

Die Bundesregierung bezeichnet die Ergebnisse des COP15 vollmundig als "Signal der Entschlossenheit":

Bis 2030 sollen mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz gestellt und der Pestizideinsatz halbiert werden. Außerdem soll es mehr Geld für den Schutz der Artenvielfalt geben.

Bundesregierung

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) kritisiert, es fehlten "konkrete Vereinbarungen zur Umsetzung und messbare Ziele". Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger betont:

Die Welt rast in der Natur- und Klimakrise auf einen Abgrund zu. Doch statt entschieden zu bremsen, geht sie lediglich etwas vom Gas.

Jörg-Andreas Krüger

Westlich dominierter Naturschutz vertreibt Indigene

Je nach Umsetzung und Interessenlage können die wohlklingenden Vorsätze auch das Gegenteil bewirken, wenn beispielsweise die Gelder in Greenwashing-Projekte fließen, oder wenn Indigene mit dem Argument des Naturschutzes vertrieben werden. Schon vor dem Gipfeltreffen hatten Amnesty International und andere NGOs an die Regierungen appelliert:

Ohne eine drastische Überarbeitung wird das sogenannte 30×30-Ziel das Leben indigener Völker zerstören, die Lebensgrundlagen anderer Subsistenz-Landnutzer*innen massiv beeinträchtigen, und gleichzeitig von den wahren Ursachen für den Zusammenbruch von Artenvielfalt und Klima ablenken.

Survival International, Amnesty International, Minority Rights Group International und Rainforest Foundation UK

Solche Naturschutzgebiete stellten "den Eckpfeiler typischer, westlich dominierter Naturschutzbemühungen" dar und hätten schon bisher "in vielen Teilen Afrikas und Asiens zu Vertreibungen, Hunger, Krankheiten und Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Tötungen, Vergewaltigungen und Folter geführt".

Um die Ökosysteme zu schützen, müssten die Rechte derjenigen geschützt werden, "die in ihnen leben und auf sie angewiesen sind", denn 80 Prozent der gesamten biologischen Vielfalt der Erde komme "auf dem angestammten Land indigener Völker vor". Deren Rechte auf Land und Selbstbestimmung seien zu schützen, so wie es "in internationalen Menschenrechtsübereinkommen festgeschrieben" sei.

In einer Präsentation für den Deutschen Bundestag hatte der Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) 2019 auf die "Beiträge indigener Völker und lokaler Gemeinschaften zur Verbesserung und zum Erhalt wilder und domestizierter Biodiversität und Landschaften" hingewiesen und betont, dies sei auch ein "Angebot alternativer Konzepte der Mensch-Natur-Beziehungen".

Diesem Aspekt fehlt bisher die notwendige Aufmerksamkeit, und er sollte meines Erachtens in den Klimakämpfen eine größere Rolle spielen.

Die Einsicht, dass der Kapitalismus strukturellen Wachstumszwängen unterliegt, ist weit verbreitet. Aber allein daraus erklärt sich noch nicht die Gewalttätigkeit gegenüber Mensch und Natur, die der kapitalistischen Wirtschaftsweise kulturell eingeschrieben ist.

Aus feministischer Perspektive ist eine andere Wirtschaft zwar notwendig, aber nicht hinreichend für eine Postwachstumsgesellschaft, denn patriarchale und koloniale Macht, Herrschaft und Gewalt sind älter als der Kapitalismus (siehe dazu den Beitrag der Autorin unter #PoWaKap).