Heldenträume in weißer Rüstung

Sonys "White Knight Chronicles" für PS3

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Japanische Rollenspiele für die PS3 sind bisher äußerst spärlich gesät. Nun erscheinen innerhalb eines Monats alleine drei große Titel. Sonys „White Knight Chronicles“ muss sich gegen Final Fantasy XIII und Star Ocean: The Last Hope von Square Enix behaupten.

Ein Bösewicht mit einem schwarzen Ritter als Begleitung auf der einen Seite, eine Gruppe junger Abenteurer auf der anderen: Das sind die Zutaten für eine typische Heldengeschichte. Mit einer entführten Prinzessin und einem Jungen, der sich in einen mächtigen weißen Ritter verwandeln kann, befinden wir uns in der Welt von White Knight Chronicles.

Das Fantasy-/Märchen-Setting in einer farbenfrohen, aber von unzähligen Monstern besiedelten Welt bilden die Grundlage zum Rollenspiel, das etwas ungewöhnlich beginnt: Zunächst erstellt der Spieler seinen Avatar mit zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten, um dann nach einer Stunde Spielzeit zu erfahren, dass er nur einen Nebenrolle an der Seite des Protagonisten hat wie Dr. Watson oder Sancho Pansa. Er bleibt der einzige stumme Charakter im Spiel.

Die Geschichte und die Umgebung wirken recht europäisch für ein japanisches Rollenspiel (JRPG). Die Entwickler von Level-5 folgen damit ihrer eigenen Tradition aus Spielen wie Dragon Quest VIII für die PS2, dem in Deutschland nicht erschienenen Jeanne D’Arc für die PSP oder Professor Layton (vgl. Rätselhafte Schachtel) für den DS.

Die Geschichte ist recht vorhersehbar und hat – anders als beispielsweise die Final-Fantasy-Spiele – ein einfaches, deutliches Gut-Böse-Schema. Der weiße Ritter selbst wirkt wie das Produkt seiner eigenen Fantasie: Er ist er eigentlich nur ein Gehilfe im Wirtshaus, der davon besessen ist, die Prinzessin zu beschützen. Genau diese Rolle bekommt er durch einen Pakt zugeteilt, der ihn zum Ritter in der strahlenden Rüstung macht. Für ein Rollenspiel ist die gesamte Story äußerst dünn. Das Spielgeschehen löst sich von herkömmlichen JRPG-Strukturen und erinnert eher an MMORPGs (Massively Multiplayer Online Role-Playing-Games). Die Regionen sind von zahlreichen Kreaturen bevölkert, von denen ein guter Teil aggressiv ist und die Heldengruppe angreift, sobald sie sich nähert. Einen Wechsel zwischen Bewegung der Gruppe und Kämpfen gibt es nicht.

Bis zu drei Charaktere kämpfen gleichzeitig gegen die Monster, wobei der Spieler selbst nur einen aktiv steuert. Dessen Aktionen wählt er über eine Aktionsleiste. Den anderen Charakteren gibt er taktische Grundvorgaben. Dazu gehört, ob sie sich mehr auf den Angriff, Verteidigung oder Heilung konzentrieren und ob jeder den nächstgelegenen Gegner angreift oder alle ihre Kräfte auf den Gegner des Spielercharakters bündeln. Die Einstellungen beschränken sich auf das Grundsätzliche, ein feingranulares Taktik- beziehungsweise Makro-System wie Final Fantasy XII oder Dragon Age: Origins (vgl. Götter, Drachen und andere Darwinisten) besitzt „White Knight Chronicles“ nicht.

Die Kämpfe laufen in Echtzeit ab, was vor allem Geduld erfordert: Zunächst muss der Spieler darauf warten, dass der Charakter handeln darf. Erst dann wählt er eine Aktion, auf deren Ausführung er wieder warten muss. Danach wieder holt sich der Zyklus. Der zeitliche Unterscheid zwischen leichten und mächtigen Angriffen ist gering. Schon bald hat jeder Charakter eine Vielzahl von Fähigkeiten im Repertoire – ebenso bald bemerkt der Spieler, dass es meist ausreicht sich auf wenige Angriffsarten und ein wenig Heilung zu konzentrieren.

Ein großes Problem des gesamten Kampfsystems ist eine in mehrfacher Hinsicht unausgewogene Balance. Zum Nachteil des Spielers wirkt sich das dadurch aus, dass die Gegner offensichtlich auch über große Entfernungen Nahkampfangriffe ausführen können – sich interessanterweise aber dennoch der Gruppe nähern. Umgekehrt muss der Spieler aber beispielsweise für Schwertattacken direkt neben dem Ziel stehen. Dieses Ungleichgewicht ist ärgerlich, da es taktisches Vorgehen mit einem starken Kämpfer an der Frontlinie und Zauberern in sicherer Entfernung quasi unmöglich macht.

Viele taktischen Manöver sind allerdings ohnehin nicht nötig, da die Gegner allesamt extrem schwach sind. Solange sich die Gruppe nicht mit zu vielen Monstern auf einmal anlegt, gewinnt sie jeden Kampf ohne Anstrengung. Dies gilt auch für rein optisch überlegene Gegner. Der erste Troll, auf den die Figuren unterwegs treffen, hat eine gewaltige Größe, entpuppt sich aber nach kurzer Zeit als Schwächling ohne Chance gegen die frischen, erfahrungslosen Abenteurer.

Besonders schade ist, dass damit das eigentlich interessante System zur Bekämpfung der größeren Gegner überflüssig wird: Der Spieler wählt aus, welchen Körperteil er angreift und kann so beispielsweise durch konzentrierte Attacken auf die Beine das Monster zum Straucheln bringen. Das Kampfsystem hat von der Idee her viel zu bieten, wenn nur die größeren Gegner und selbst die meisten Bosse, nicht zu einfach wären. Die Kämpfe dauern zwar oft relativ lange, jedoch ohne, dass die Heldengruppe jemals in echte Gefahr gerät.

Die Möglichkeiten der Charakterentwicklung sind gut ausgefeilt. Wie in RPGs üblich verdienen die Figuren Erfahrungspunkte und erreichen damit regelmäßig neue Stufen. Damit erhalten sie Fähigkeitspunkte, die der Spieler auf unterschiedliche Fertigkeiten verteilen kann. Eine feste Klassenzuordnung nach Magier, Krieger oder Bogenschütze gibt es nicht. Insgesamt gibt es acht Kategorien für sechs Waffenarten sowie Angriffs- und Heilmagie. Die einzelnen Skills bauen aufeinander auf, sodass es sich insbesondere bei den Waffen lohnt, jede Figur auf eine zu konzentrieren. Ein paar Basisheilzauber für jeden Charakter helfen dabei, dass sie sich im Zweifelsfall gegenseitig helfen können.

Stärke Angriffe haben im Kampf freilich ihren Preis: Sie verbrauchen entweder magische Energie oder sogenannte Aktionspunkte, die der Charakter zuvor mit anderen Attacken aufbauen muss. Aus den erlernten Fähigkeiten darf der Spier relativ frei eigene Combos erstellen, die im Verlauf länger und komplexer sein dürfen und korrektes Timing bei der Ausführung verlangen. Leider krankt das ausgeklügelte System daran, dass die einfachen Kämpfe keine kreative Vorbereitung erfordern, sondern ein paar Standardangriffe plus Heilzauber ausreichen.

Neben der zentralen Geschichte gibt es – auch das ist typisch für Rollenspiele – zahlreiche Nebenbeschäftigungen. Dazu gehören optionale Quests, die der Spieler wahlweise alleine oder online mit anderen Spielern absolvieren kann. Ein MMO wird „White Knight Chronicles“ damit nicht, sondern die Kämpfe innerhalb der Aufgaben sind vergleichbar mit Segas „Phantasy Star Online“, dem ersten Konsolen-Online-Rollenspiel: Bis zu vier Spieler kämpfen gemeinsam in einer separaten Instanz. Zur einfachen Kommunikation ohne Tastatur gibt es vorgefertigte Chat-Phrasen zur Kommunikation.

Leider haben die Multiplayer-Aufgaben leichte Mängel in der Umsetzung. So müssen die Spieler beispielsweise nacheinander mit dem jeweiligen Auftraggeber reden. Trotzdem sind die gemeinsamen Kämpfe deutlich unterhaltsamer als das Soloabenteuer, wobei der Spielspaß naturgemäß stark von den menschlichen Mitstreitern abhängt. Es kommt durchaus vor, dass alle Spieler wild einzeln davon rennen oder sogar einfach nichts tun als darauf zu warten, dass die anderen den Quest für sie abschließen. Für die Online-Funktion muss der Spieler sich zunächst anmelden und über einen Playstation-Network-Account verfügen. Monatliche Kosten fallen aber nicht an.

Eine weitere Nebenbeschäftigung ist der Aufbau einer eigenen kleinen Stadt, einem sogenannten Georama. Dazu verwendet der Spieler die im Abenteuer gefundenen Gegenstände, um Häuser, Produktionsstätten und Geschäfte aufzubauen. Außerdem heuert er Nichtspielercharaktere mit bestimmten Berufen an. Mit der Zeit kann er dann in seinem eigenen Georama von den Gebäuden und Einwohnern abhängige Waren wie beispielsweise spezielle Rüstungsteile einkaufen. Zusätzlich darf er seine Stadt online für andere Spieler freigeben.

„White Knight Chronicles“ hinterlässt einen äußerst gemischten Eindruck. Besonders die Online-Möglichkeiten, aber auch die Charakterentwicklung und die Verbesserung von Gegenständen sind ausgefeilt und motivierend. Die Grafik ist schön bis beeindruckend, die einzelnen Szenarien atmosphärisch rund. Ausgerechnet bei den Kernelementen versagt Sonys Titel jedoch. Die Story ist dünn und rutscht teilweise ins Lächerliche, wenn beispielsweise der weiße Ritter dank telepathisch begabter Eulenvögel mit einem Hologramm der gefangenen Prinzessin kommuniziert. Die Kämpfe sind schlicht langweilig. Nach einer Weile versucht der Spiele Gegner zu meiden – nicht, weil sie gefährlich wären, sondern um dem müden Herumgeklicke zu entkommen.

Level-5 hat bereits einen zweiten Teil von „White Knight Chronicles“ angekündigt. Bleibt zu hoffen, dass sie dafür die bereits vorhandenen guten Komponenten mit einer besseren Kampf-Balance und einer griffigen Geschichte kombinieren. Dann könnte die Fortsetzung das werden, was der erste Teil leider nicht ist: Ein richtig gutes Rollenspiel.