Hilft Google, rassistische Regionen auszumachen?

Geografische Verteilung der Häufigkeit bei der Suche nach dem N-Wort. Bild: PLos One/CC BY 2.5

Nach einer Studie von US-Epidemiologen ist die Mortalität von Schwarzen dort am höchsten, wo am meisten nach dem Wort "Nigger" gesucht wird

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Wie kann man feststellen, wo Menschen rassistisch sind, also Minderheiten diskriminieren? In Umfragen wird man dies nur bedingt herausbekommen, da Rassismus verpönt ist und sich nicht alle Rassisten als solche zu erkennen geben werden. Gut, dass es die Datenkrake Google gibt, haben sich Wissenschaftler um den Epidemiologen und Biostatistiker David Chae vom Maryland Population Research Center gedacht und in einer Studie ausgewertet, wo in den USA am meisten wohl in dem Glauben, anonym zu bleiben, nach dem "N-Wort", also nach der Umschreibung für das abwertend gebrauchte Wort Nigger, gesucht wird. Auch wenn nicht jeder, der nach Nigger sucht, ein Rassist ist, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass "die Nutzung von Big Data und die Auswertung von Millionen von Internetsuchen ein hohes Signal/Rausch-Verhältnis trotz möglicher Quellen irrtümlicher Messung" erbringt.

Die Häufigkeit der Suche nach dem N-Wort haben die Wissenschaftler in einer Karte dargestellt und die Gebiete markiert, in denen das Wort häufiger oder weniger häufig als im Durchschnitt verwendet wird. Dabei fällt auf, dass im gesamten Westen das Wort weniger als im Durchschnitt verwendet wird, was auch damit zu tun haben dürfte, dass hier auch weniger Schwarze leben. Umgekehrt ist es im Nordosten bis hinab in den Süden, wo der Bevölkerungsanteil der Afroamerikaner am höchsten ist, am stärksten von Georgia hinauf nach New York und Vermont, an der Golfküste, in Ohio und Michigan. Eine ähnliche Verteilung wurde bei der Häufigkeit der Verwendung von Nigger in Tweets festgestellt (wo es auch Überschneidungen mit der Diskriminierung von Schwulen gibt). Ist also dort der Rassismus, unterstellt, die Suche nach Nigger indiziert eine rassistische Einstellung, auch am höchsten, wo sich die ethnischen Gruppen am dichtesten reiben?

Geografische Verteilung der Häufigkeit bei der Suche nach dem N-Wort. Bild: PLos One/CC BY 2.5

Die Epidemiologen wollten aber weiter gehen und eruieren, ob das Vorkommen von Rassismus auch Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit hat. Ihre These ist, dass direkte und indirekte Diskriminierung durch sozioökonomische Faktoren (höhere Arbeitslosigkeit, Armut, Kriminalität, Drogenkonsum etc.), geografische Segregation der Wohnviertel und schlechteren Möglichkeit der Gesundheitsvorsorge (Parks, Supermärkte, Sporteinrichtungen, Krankenhäuser etc.) zu einem schlechteren Gesundheitszustand führt, was wiederum die Unterschiede zu anderen Bevölkerungsschichten verstärkt. Allerdings lässt sich ein solcher Zusammenhang mit statistischen Daten nicht belegen, auch wenn es eine Korrelation zwischen Rassismus und schlechterem Gesundheitszustand der Afroamerikaner nach der Studie gibt.

Die Häufigkeit der Wortsuche in den Jahren 2004 bis 2007 verbanden die Wissenschaftler in 196 Sendegebieten, in denen nach Nielsen Media Research die Menschen dieselben Fernseh- und Radiosender empfangen. Obgleich Satellitenfernsehen und Internet die räumliche Aussetzung an bestimmte Medien durchbrechen, gehen die Autoren davon aus, dass die Bewohner in diesen Sendegebieten in etwa ähnliche Meinungen erfahren, die auch Rassendiskriminierung beinhalten. Verknüpft wurden die Daten mit der Bevölkerungszusammensetzung in den Gebieten und der Mortalität für Schwarze über 25 Jahre. Damit sollte die nicht von Gewalt, wie zuletzt in Baltimore, sondern von chronischen Krankheiten wie Krebs oder Herzerkrankungen verursachte Mortalität erfasst werden. Die Hypothese ist, dass diese auf soziale Stressfaktoren beruhen, die auf Rassismus zurückzuführen seien.

Der häufigere Gebrauch des Wortes findet demnach in den Orten statt, in denen die Mortalität von Schwarzen höher ist, auch wenn andere sozioökonomische Variablen berücksichtigt werden. Der rassistische Effekt würde auf 30.000 zusätzliche Todesfälle jährlich hinauslaufen. So wollen die Wissenschaftler starke Zusammenhänge zwischen dem geografisch identifizierten Rassismus und den primären Todesursachen bei Schwarzen (Krebs, Infarkt, Herzerkrankungen) herausgefunden haben, die mit "chronischem psychosozialen Stress" zusammenhängen.

Rassismus hin oder her, das Aufwachsen und Leben in armen Wohnvierteln ist stets ein Indikator für eine schlechtere Gesundheit und eine geringere Lebenserwartung. Das könnte darauf hinweisen, dass Armut dort, wo sie gehäuft auftritt, auch unabhängig von der ethnischen Herkunft und Rassismus das Leben verkürzt (Die reichsten Engländer können 19 Jahre länger gesund leben als die ärmsten). Es kommt also immer darauf an, worauf man schaut.