Hoffnungsschimmer oder totale Enttäuschung?

Demonstrationen in Algerien: Übermacht der Polizei beim Einkesseln und Niederprügeln. Auch in Marokko soll demonstriert werden - unter anderem gegen das Comeback der Folter

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Die Demonstration am vergangenen Wochenende in Algiers wurde von der Polizei mit brutalen Mitteln niedergeschlagen, aber die Oppostion will weitermachen, jeden Samstag, bis Präsident Bouteflika abtritt.

„Wir werden demonstrieren, bis das Regime zurücktritt. Jeden Samstag werden wir Druck machen“, wird Mohsen Belabes, ein Sprecher der Oppositionspartei RCD, von al-Jazeera zitiert, weitere zu Wort kommende „Aktivisten“ stehen ebenso für eine solche „Jetzt-erst-recht“-Haltung; man hofft auf ein Momentum: "We should continue protesting every Saturday in the same square, we will gather momentum as we progress we want our dignity back.“

Das klingt mehr nach Selbstbefeuerung als Selbstbewusstsein. Die Zahl der teilnehmenden Demonstranten war am vergangenen Samstag zu gering. Die Polizei hatte wegen ihrer Übermacht leichtes Spiel beim Einkesseln und Niederprügeln der Demonstranten. Ungefähr 2.000 Demonstranten sahen sich in der Hauptstadt 30.000 Polizisten gegenüber. Die geringe Teilnehmerzahl wurde von Kritikern als „totale Enttäuschung“ gewertet; man hatte doch gehofft, dass mehr zu mobilisieren gewesen wären.

Diese relativ niedrige Teilnehmerzahl machte auch Außenminister Medelci leicht, die Demonstrationen als Angelegenheit von Minderheiten herunterzuspielen.

Ganz sicher scheint sich die Regierung gegenüber einem möglicherweise doch stärkeren Unmut in der Bevölkerung nicht zu sein. Präventiv verspricht man die Aufhebung des Ausnahmezustands, der seit 1992 in Kraft ist - allerdings ohne einen genauen Zeitpunkt zu nennen. Zudem eröffnen Öl-und Gasvorkommen der Regierung Möglichkeiten, die Bevölkerung angesichts Arbeitslosigkeit und hohen Lebenshaltungskosten zu beruhigen.

Wie lange das gut geht, ist allerdings ungewiss. Das könnte schon kommenden Samstag etwas schwieriger werden, dafür sind nämlich auch Streiks in ganz Algerien angekündigt. Und Frankreich wie auch die USA haben versprochen, diesmal genauer hinzusehen, wie die Sicherheitskräfte mit Demonstranten umgehen. Man wünsche, dass sich die Demonstrationen „in Freiheit und ohne Gewalt“ abspielen würden, wird das franzöische Außenministerium zitiert.

Für Sonntag, den 20 Februar, werden auch Proteste im Nachbarland Marokko angekündigt. Hinter der sogenannten #Feb20-Kampagne steht laut „The Arabist“ die Mittelinkspartei PSU und „zivilgesellschaftliche“ Gruppen:

Schon hat eine Gegen-Kampagne gegen diese Bewegung in Marokko begonnen, die Organisatoren werden als „Islamo-Linke“ und „Nihilisten“ und anderen derartigen Schlagworten bezeichnet, die vom lächerlichen Kommunikations-Ministerium favorisiert werden. Währenddessen haben es die Marokkaner zuhause und im Ausland satt, solchen Unsinn und leere Versprechungen zu hören [...]. Der König hat nichts dazu getan, den Marokkanern zu einem würdevollen Verhältnis zum Staat im 21. Jahrhundert zu verhelfen. Die marokkanische Regierung hatte in den vergangenen 10 Jahren Chancen, wirksame Reformen anzugehen, tat dies aber nicht. Die Einschüchterung der Bevölkerung geht weiter und die Folter erlebte ein Comeback. Es ist Zeit, dass die Regierung einen Stoß in die richtige Richtung erhält.

The Arabist