Hoffnungsträger Genforschung

Die Weltgesundheitsorganisation erwartet von der umstrittenen Zukunftstechnologie Hilfe für Millionen Menschen in den Entwicklungsländern

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Während in den reichen Industrienationen ebenso heftig wie kontrovers über die möglichen Folgen der Genforschung diskutiert wird, könnte die neue Technologie die medizinischen Standards in den ärmeren Ländern revolutionieren. Zu diesem Ergebnis kommt der knapp 250 Seiten umfassende Bericht Genomforschung und Weltgesundheit, den die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeitgleich in London, Genf und Washington vorstellte. Die Studie, die von 14 international anerkannten Medizinern, Wissenschaftlern und Ethik-Spezialisten in den vergangenen 12 Monaten erarbeitet wurde, geht davon aus, dass die Genforschung eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Malaria, Tuberkulose und AIDS spielen und so vielen Millionen Menschen das Leben retten könnte.

Unter diesen Umständen versteht die WHO en Bericht in erster Linie als Beitrag zu einer ethischen Debatte, die endlich auch die Bedürfnisse der Entwicklungsländer in größerem Umfang berücksichtigen soll. Schließlich stünde die moderne Medizin, deren Erkenntnisse sich gerade im Bereich Genomforschung fast täglich vermehrten, vor epochalen Fortschritten, die nicht nur den wohlhabenden Nationen zugute kommen dürften. Genau das befürchten die Autoren, unter ihnen Prof. Dan Brock von der Brown University:

"Die Entwicklungsländer laufen Gefahr, von den Fortschritten der Genforschung ausgeschlossen zu werden, so wie sie in den 80er und 90er Jahren von der Computerrevolution ausgeschlossen wurden."

Daraus ergibt sich für WHO-Generaldirektorin Gro Harlem Brundtland keine kritiklose Unterstützung jedweder Experimentierlust, aber doch die Verpflichtung, die gewonnenen Forschungsergebnisse allen Nationen zugänglich zu machen:

"Wenn wir mit der Genomforschung verantwortungsbewusst umgehen, können wir die Gesundheitsfürsorge weltweit verändern. Entwicklungsländer hätten dann die Möglichkeit, für ihre Bürger in diesem Bereich schon in absehbarer Zeit entscheidende Verbesserungen zu erreichen."

Um diese (bei allem Misstrauen gegen die Genforschung) doch immerhin hehren Ziele in die Praxis umzusetzen, braucht die WHO Geld und Personal und fordert deshalb die Einrichtung eines Global Health Research Fund, der von ihren Mitgliedsstaaten zunächst einmal mit 1,5 Milliarden US-Dollar ausgerüstet werden soll. Diese Dachorganisation könnte weltweite Hilfs- und Kooperationsprojekte in die Wege leiten und im Idealfall auch überwachen.

Die Autoren der aktuellen Studie haben zu diesem Zweck eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, die bereits angelaufene medizinische Forschungsprojekte aufgreifen. Dazu zählt u.a. die gentechnische Produktion eines Designer-Mosquitos, der kein Malaria-Überträger ist und damit den Auslöser für zahllose Todesfälle in der Dritten Welt beseitigen könnte. Mit Hilfe der Genforschung sollen darüber hinaus Impfstoffe gegen Tuberkulose und Meningitis B, aber auch Pflanzenarten entwickelt werden, die gegen verschiedene Krankheitserreger resistent sind. Schließlich plädiert die WHO dafür, klinische Feldversuche zu unterstützen, wie sie beispielsweise in Nairobi und Oxford durchgeführt werden. Dort versuchen Wissenschaftler auf DNA-Basis einen Impfstoff gegen AIDS zu entwickeln, der speziell auf die Krankheitssituation in Afrika zugeschnitten ist.