Honduras: Zelaya plant Regierung im Widerstand

Die Verhandlungen zwischen der Regierung von Honduras und den Putschisten sind gescheitert. Nun stehen die Zeichen auf Sturm

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Es gibt kaum mehr Hoffnungen auf eine friedliche Lösung der Staatskrise in Honduras. Nach zwei Verhandlungsrunden haben sich die Delegationen von Präsident Manuel Zelaya und Putschistenführer Roberto Micheletti am Sonntag ohne Ergebnis getrennt. Zuvor hatte Costa Ricas Präsident Oscar Arias als Vermittler einen Sieben-Punkte-Plan vorgelegt. Wichtigstes Anliegen: Eine Regierung der nationalen Einheit. Doch die Putschisten lehnten ab. Man werde keine Rückkehr des „Herrn Zelaya“ akzeptieren, sagte Carlos López Contreras, der „Außenminister“ der Putschisten. Arias warnte daraufhin vor der Gefahr eines Bürgerkrieges in dem mittelamerikanischen Land. „In Honduras haben sehr viele Leute Waffen“, sagte der sichtlich enttäuschte Mediator nach dem Abbruch der Verhandlungen. Indes kündigte Honduras´ Präsident Zelaya erneut seine Rückkehr an.

Arias hatte mit seinem Vorstoß versucht, den Weg für Zelayas Heimkehr nach Honduras zu ebnen. Im Gegenzug sollte der gestürzte Staatschef mit seinem Gegenspieler und ehemaligen Parlamentspräsidenten Roberto Micheletti eine „Regierung der Einheit und Versöhnung“ bilden. Weiterhin hätte sich Zelaya verpflichten müssen, eine Amnestie für alle Delikte zu erlassen, die mit dem Militärputsch von 28. Juni in Verbindung stehen. Auch sollte der 56-jährige Politiker der Liberalen Partei von den Plänen für eine verfassunggebende Versammlung Abstand nehmen. Laut dem Arias-Plan hätten die für Ende November geplanten Wahlen bereits am letzten Sonntag im Oktober stattfinden sollen. Nach dem sechsten Punkt hätte der Präsident das Kommando über die Streitkräfte dem (oppositionell besetzten) Obersten Gerichtshof übergeben. Und schließlich wäre eine Wahrheitskommission eingerichtet worden.

Obwohl die Regierungsdelegation Vorbehalte äußerte – vor allem gegen die Amnestie –, hatte sie sich zu Gesprächen über die Initiative bereiterklärt. Die Putschisten aber lehnten ab. Arias habe nicht verstanden, dass die Absicht, José Manuel Zelaya als Präsidenten einzusetzen, gegen die Verfassung und die internen Prinzipien des Landes verstoße, sagte Contreras. Man sei im Übrigen keine De-facto-Regierung, sondern eine legitime.

Zelaya plant Rückkehr auf dem Landweg

Nach dieser generellen Absage ist eine diplomatische Lösung der Krise kaum mehr denkbar. Zwar hat Arias beiden Seiten noch einmal 72 Stunden Bedenkzeit eingeräumt. Doch eine weitere Zuspitzung zeichnet sich ab. Mit ihrem Auftritt in San José, wo die Verhandlungen stattfanden, hätten „die Militärführung und die für diesen Putsch verantwortlichen Faschisten“ die internationale Gemeinschaft hinters Licht geführt, erboste sich Zelaya am Sonntag auf einer Pressekonferenz in der honduranischen Botschaft in Nicaragua. Das Regime von Roberto Micheletti sei international vollständig isoliert. Nun müssten die USA und andere international führende Staaten ihren Druck erhöhen: „Wenn das geschieht, wird dieser Putsch binnen weniger Stunden beendet sein.“

Zelaya will am Ende der Woche nach Honduras zurückkehren. „Die Entscheidung darüber ist gefallen“, sagte die Außenministerin seiner Regierung, Patricia Rodas. Der Präsident werde sich im Land an die Spitze einer „gigantischen Offensive“ stellen, die einen unbefristeten Generalstreik einschließt. Auch eine Beteiligung ausländischer Kräfte schloss Rodas nicht mehr aus. Nicht nur die gewählte Regierung werde „in den kommenden Stunden“ die Grenze zu Honduras übertreten. „Ganz Lateinamerika“ werde in Honduras präsent sein, sagte die Chefdiplomatin am Rande der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der sandinistischen Revolution in Managua. Die bevorstehenden Schritte seien vergleichbar mit der Politik Honduras, „das in vergangenen Tagen seine Türen und Grenzen im Kampf gegen die Somoza -Diktatur geöffnet hat“.

Demokratiebewegung bestimmt zunehmend die politische Agenda

Mit dem Scheitern der diplomatischen Bemühungen werden auch erste Differenzen zwischen der Zelaya-Regierung und der Demokratiebewegung im Land sichtbar. Während Zelaya noch verhandelte, hatte die Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich den Plan Arias´ am Sonntag bereits in sechs der sieben Punkte abgelehnt. „Wir sind mit dem ersten Punkt des Vorschlags einverstanden, den der Präsident von Costa Rica und Friedensnobelpreisträger Oscar Arias vorgestellt hat: die unmittelbare Wiedereinsetzung von Manuel Zelaya Rosales in die Präsidentschaft der Republik Honduras.“ Alle weiteren Zugeständnisse wurden von dem Bündnis sozialer und politischer Organisationen jedoch abgelehnt. Ein Korrespondent der Zeitung „Resúmen Latinoamericano“ zitierte einen nicht genannten Vertreter des Protestbündnisses. Man sei nicht seit rund einem Monat auf der Straße, „um nun alles aufzugeben“, sagte der Aktivist am Rande der Pressekonferenz am Sonntag in Managua. Nicht nur solche Stellungnahmen weisen auf den zunehmenden Einfluss der Demokratiebewegung hin: Mit Zelaya traten am Sonntag in Managua auch zwei Anführer des Protestbündnisses, der Gewerkschafter Juan Barahona und José Alegría von der internationalen Landarbeiterorganisation Vía Campesina, vor die Presse.

Zugleich zog die Widerstandsfront eine erste Bilanz der Repression durch die Putschisten. Verzeichnet wurden demnach „vier Morde, 1.185 Festnahmen sowie die Verfolgung von Repräsentanten sozialer Bewegungen“, heißt es in einem Kommuniqué. Zudem sei die Meinungsfreiheit von 14 Medien, 14 Journalisten und vier sozialen Organisationen verletzt worden. Die Mitglieder des Protestbündnisses bestehen auch nachdrücklich auf die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung in Honduras. Der Streit um eine entsprechende Initiative Zelayas hatte den Militärputsch am 28. Juni provoziert. Für Donnerstag und Freitag dieser Woche wurde ein mehrfach angedrohter Generalstreik angekündigt.

Perspektive des Konfliktes

Zelaya, so scheint es, hat keine andere Möglichkeit, als sich an die Spitze des Widerstands gegen die Putschregierung zu stellen. Mit Alegría und Barahona verfügt die Protestbewegung inzwischen über zwei bekannte Köpfe, von denen die politische Führerschaft umgehend übernommen werden könnte. Auch die linksgerichtete Außenministerin der Zelaya-Regierung, Patricia Rodas, hat bei den sozialen Organisationen im Land hohes Ansehen.

Die Frage ist deswegen nicht ob, sondern wie der Widerstand gegen die Putschisten weitergeführt wird. Das gilt umso mehr, da die sozialen Organisationen über die Landesgrenzen hinaus vernetzt sind. Insofern hat die Staatskrise in Honduras schon jetzt einen regionalpolitischen Charakter. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass Regimechef Micheletti in den vergangenen Tagen und Wochen den Ton gegenüber den links regierten Nachbarstaaten Nicaragua und El Salvador verschärft hat.

Angesichts der Zuspitzung im Land ist es für die Machthaber in Tegucigalpa nun von entscheidender Bedeutung, internationale Unterstützung zu mobilisieren. Offiziell haben die USA und auch die Europäische Union den Staatsstreich zwar verurteilt. Brüssel hat zudem die Botschafter der 27 Mitgliedsstaaten abberufen und nun auch Finanzhilfen in Höhe von 65 Millionen eingefroren. Aus EU-Kreisen war am Montag jedoch zu erfahren, dass einige europäische Staaten über alternative Kanäle den Kontakt zu Ministern der Putschisten aufrechterhalten. Diese können sich nicht nur dadurch bestätigt fühlen. Auch Washington hat seinen Botschafter in Tegucigalpa, Hugo Llorens, bislang nicht abberufen.

Eine schnelle Aufgabe der Putschisten ist vor diesem Hintergrund nicht zu erwarten. Sollte es Zelaya gelingen, in den kommenden Tagen nach Honduras zurückzukehren, um eine „Regierung im Widerstand“ auszurufen, wird sich der Konflikt weiter zuspitzen. In allen bisherigen Kommuniqués hat das Protestbündnis auf seinen „friedlichen Widerstand“ Wert gelegt. Das könnte sich bald ändern.