Huawei Mate 60 Pro: Wie ein Handy Washington in Aufregung versetzt

Chinas unerwartetes Ass im Ärmel: Während des Besuchs der US-Handelsministerin stellt Huawei ein bahnbrechendes Smartphone vor. Eskaliert nun der Technologiekrieg?

Der technische Fortschritt lässt sich durch Sanktionen nicht aufhalten. Nordkorea entwickelt moderne Raketen, der Iran treibt sein Atomprogramm voran – und China entwickelt modernste Chips. In Washington war man wenig erfreut, als Huawei sein neues Mobiltelefon Mate 60 Pro vorstellte.

Das Besondere am Mate 60 Pro ist sein Herzstück, der Chip Kirin 9000s. Er wird mit der fortschrittlichen 7-Nanometer-Technologie (nm) hergestellt. Es ist eine Technologie, die China nach dem Willen der US-Regierung eigentlich nicht haben sollte. In Washington hatte man in den vergangenen Jahren die Sanktionen verschärft, um den Chinesen den Zugang dazu zu verwehren.

Dass die Chinesen mit der Präsentation bis letzte Woche gewartet haben, dürfte ein Signal an die US-Regierung gewesen sein. Huawei stellte das Mate 60 Pro überraschend während eines Besuchs der US-Handelsministerin Gina Raimondo in China vor, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Die Analysten von TechInsights sehen in dem neuen Chip einen Durchbruch, der den Chinesen auch ohne EUV-Werkzeuge gelungen ist. EUV steht für Extreme Ultraviolet Lithography, und die Maschinen werden zur Herstellung von Chips mit einer Größe von 7 nm verwendet.

Chinesische Chiphersteller wollten in der Vergangenheit EUV-Maschinen der niederländischen Firma ASML kaufen. Doch Washington hat den Deal Ende 2020 gestoppt. Deshalb konnten die Chinesen bisher nur 14-Nanometer-Chips produzieren.

Nun wird spekuliert, wie der Durchbruch gelingen konnte. Analysten der Bank Jefferies gehen davon aus, dass "der Technologiekrieg zwischen den USA und China wahrscheinlich eskalieren wird". Damit könnten auch die geopolitischen Spannungen zwischen den beiden Ländern weiter zunehmen.

Das Bureau of Industry and Security des US-Handelsministeriums könnte eine Untersuchung einleiten. Ferner könnte es in den USA zu einer verstärkten Debatte über die Wirksamkeit der verhängten Sanktionen kommen. Der Kongress könnte sich auch veranlasst sehen, noch schärfere Sanktionen in ein Gesetz gegen China aufzunehmen, welches er derzeit vorbereitet.

Wie auch immer es den chinesischen Herstellern gelungen ist, die neuen Chips herzustellen – für die Regierung in Beijing dürfte es teuer werden. Experten sprechen von geringer Ausbeute und hohen Kosten. Nur durch großzügige Subventionen kann Huawei Telefone mit diesen Chips zu normalen Marktpreisen verkaufen.

Einige Marktforschungsunternehmen gehen laut Reuters davon aus, dass die chinesischen Hersteller nur etwa zwei bis vier Millionen Chips produzieren können. Für Huawei sei es daher nicht möglich, seine frühere Dominanz auf dem Smartphone-Markt zurückzugewinnen.

Das ist allerdings eine Wette darauf, dass es den Chinesen nicht gelingen wird, sich von westlicher Technologie unabhängig zu machen. Forscher erklärten jedoch jüngst gegenüber Reuters, dass China bis Ende des Jahres durchstarten könnte – dank eigener Fortschritte bei den Halbleiter-Design-Tools und der eigenen Chipfertigung.