Humanitäre Intervention in Birma?

Während ein Politiker der Linkspartei eine militärische Intervention in Birma nicht ausschließt, warnen Experten vor einer Symbolpolitik

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Die Verwirrung an der Basis der Linkspartei ist groß. Da geriert sie sich seit Jahren als vehemente Gegnerin jedes Militäreinsatzes der Bundeswehr. Dann muss sie im Tagesspiegel lesen, dass einer ihrer Abgeordneten ganz andere Töne von sich gibt.

Wolfgang Neskovic wurde im Tagesspiegel mit Worten zitiert, die gar nicht so pazifistisch klingen. Wenn das Militärregime in Birma nicht sofort internationale Hilfe ins Land lässt, hat der Politiker ein Rezept parat: "Da muss man militärisch eingreifen. Man kann die Menschen nicht im Stich lassen", sagte Neskovic. Dabei beruft er sich auf den französischen Präsidenten, der bisher nicht als Freund der Linkspartei galt. „Es ist so, wie Sarkozy das sagt: Man kommt mit Militär an und verteilt die Güter. Und wenn sich dann das dortige Militär einem entgegenstellt, dann stellt man sicher, dass man die Güter weiter verteilen kann." Dafür will der Jurist Neskovic sogar das Völkerrecht mal beiseite lassen

Ich räume ein, dass dafür eigentlich ein Beschluss des UN-Sicherheitsrates nötig ist. Das ist eine extraordinäre Situation. Aber es geht hier ja nicht um militärische Intervention, um die Verhältnisse umzudrehen oder das Regime zu beseitigen. Es geht hier um schlichte humanitäre Hilfe, darum, das Überleben der Menschen nach einer Naturkatastrophe sicherzustellen. Ich würde sagen, es gibt einen übergesetzlichen Notstand, der militärisches Einschreiten rechtfertigen würde. Zur Not auch ohne Sicherheitsratsbeschluss.

Er hätte auch den SPD-Politiker Gerd Weisskirchen mit ähnlichen Vorstellungen zitieren können. Doch das ist starker Tobak für die Basis einer Partei, die die US-Regierung wegen des Irakeinsatzes auch mit dem Argument geißelt, das wäre ein Einsatz ohne UN-Mandat gewesen. So wurde Neskovics Vorstoß auch bei Politikern aus der Linkspartei, die eher der Realofraktion zuneigen, sofort brüsk zurückgewiesen. Der Kollege habe wohl zu lange in der Sonne gelegen, kommentierte der stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei Bodo Ramelow das Interview vn Neskovic. Man will verhindern, dass sich an seinen Äußerungen nur 10 Tage vor dem ersten Parteitag der Linkspartei in Cottbus ein neuer Linienkampf entzündet. Schließlich gibt es schon genügend andere Streitpunkte.

Landespolitiker der ehemaligen PDS finden den Entwurf eines Wirtschaftsprogramm, der unter Federführung von linkskeysianistischen Gewerkschaftern ausgearbeitet wurde, nicht regierungstauglich genug. Auch die Personalie der Parteikommunistin Sarah Wagenknecht sorgt im Vorfeld des Parteitages wieder für Auseinandersetzungen. Der realpolitische Flügel würde ihre Wahl zur Stellvertretenden Parteivorsitzenden nicht gerne sehen.

Auch Oskar Lafontaine ist mittlerweile innerparteilich in die Kritik geraten. Ihm wird ein wenig integrierender populistischer Politstil vorgeworfen. Vor dem Parteitag versucht sich Lafontaine, dem Interesse an einem Posten in der nächsten saarländischen Regierung nachgesagt wird, als verkannten Mann darzustellen, der eigentlich noch immer seine alten sozialdemokratischen Vorstellungen der 80er Jahre treu geblieben ist.

Emotionales Thema

Dass gerade der Parteirealo Bodo Ramelow so eindeutig Neskoviscs Vorstoß zurückwies, hat innerparteiliche Gründe. Eine Auseinandersetzung über militärische Auslandseinsätze auf dem Parteitag würde dem realpolitischen Flügel eher schaden. Das zeigt die Geschichte ähnlicher Auseinandersetzungen in den letzten Jahre.

So sorgte eine emotionale Rede der heutigen Europaabgeordneten Sylvia Yvonne Kaufmann, dass die Delegierten des PDS-Parteitages im Jahre 2002 in Münster auch jeden Militäreinsatz mit UN-Mandat ablehnten und damit Gregor Gysi eine Niederlage bereiteten.

Auch über die Frage, ob in Osttimor im Jahre 1999 ausnahmsweise ein Militäreinsatz unter UN-Mandant gerechtfertigt sein könnte, gab es innerparteilich heftige Auseinandersetzungen. Befürworter eines Einsatzes argumentierten auch damals mit einem außergewöhnlichen Notfall durch eine indonesische Soldateska, die vor ihrem Abzug aus Osttimor noch eine Spur der Verwüstung und des Terrors hinterließ. .

Souveränität versus Menschenrechte

Anders als die Parteipolitiker äußern sich die Experten in Bezug auf Birma wesentlich vorsichtiger. So warnte der Geschäftsführer von Medico International, einer Organisation, die sich immer wieder kritisch mit der eigenen Arbeit auseinandersetzt, im Gespräch mit Telepolis vor einer übereilten Symbolpolitik.

Es sei ohne Zweifel notwendig, Druck auf das Regime in Birma auszuüben, um Hilfsgüter ins Land zulassen. Gebauer betont auch, dass er sich Situationen vorstellen könne, in denen aus humanitären Gründen ein Militäreinsatz zur Verhinderung eines Genozides sinnvoll ist. Allerdings müsse verhindert werden, dass hinter dem vermeintlichen humanitären Anliegen andere verdeckte Interessen zum Tragen kommen. Gerade im Fall Birma sei das aber nicht auszuschließen. So würden in der öffentlichen Debatte auch nicht alle Fakten gewürdigt. Die Hilfe aus China, die dort in den letzten Tagen ankommt, wird selten erwähnt, weil sie nicht ins Konzept passt. Es würde auch ein falsches Bild erzeugt, wenn man suggeriert, dass zur Zeit keine Hilfe in Birma geleistet werden könne. Organisationen, die schon lange vor Ort arbeiten, leisten der betroffenen Bevölkerung längst Unterstützung.

Ein weiterer Mythos ist die Vorstellung, dass nur genügend europäische Helfer ins Land kommen müssten und alles würde gut. Gerade die Erfahrungen nach der großen Tsunami-Katastrophe 2004 in Asien hätten aber gezeigt, dass die Hilfe oft genug an den Interessen der lokalen Bevölkerung vorbei geplant wurde. So schreibt der Medio-International-Mitarbeiter Thomas Seibert von einer Reise durch die vom Tsunami verwüsteten Gebiete:

Mit unbegrenzten Budgets, doch ohne Vorkenntnissen und ortskundige Partner, warben die Invasoren der Hilfe erst einmal Fachkräfte an, vom Fahrer und der Übersetzerin über Handwerker, Ingenieure bis zur anerkannten Sprecherin der Dorfgemeinschaft. Das gelang ihnen, weil sie bis zum Fünffachen der bis dahin üblichen Gehälter zahlten. Ins Unbezahlbare stiegen auch die Mieten für Büro- und Lagergebäude, die Preise für Baumaterial, Maschinen und Werkzeuge, die Abrechnungen örtlicher Unternehmen. Selbsthilfegruppen der Betroffenen, sie begleitende soziale Organisationen, sogar die Amtstellen der "Government Agents" wurden für die "Implementierung" von Hilfsprogrammen in Dienst genommen, an deren Ausgestaltung sie nicht beteiligt wurden.