Humanitäre Katastrophe: Gaza im Chaos, UN-Hilfswerk unter Beschuss

Seite 2: UNRWA ein Rettungsanker

Besonders während dieses Krieges war und ist das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge, das UNRWA, ein Rettungsanker für die Menschen in Gaza.

Mit Stand vom 31. Januar 2024 leben hier nun fast 1,7 Millionen Vertriebene in Notunterkünften und informellen Behausungen, die sowohl vom UNRWA geschaffen als auch von der öffentlichen Verwaltung bereitgestellt wurden.

Vor dem 7. Oktober 2023 hatte die UNRWA 22 primäre Gesundheitszentren, die von etwa 1.000 Mitarbeitern des Gesundheitswesens betreut wurden und 1,3 Millionen Palästinaflüchtlinge versorgt haben, betrieben. Die Zahl der in Betrieb befindlichen Gesundheitszentren hat sich inzwischen durch die Bombardements auf sechs vermindert.

Diese stationären Gesundheitszentren versuchen, wichtige medizinische Grundversorgungsdienste anzubieten, einschließlich der kontinuierlichen Behandlung nicht übertragbarer Krankheiten und der Bereitstellung kritischer ambulanter Behandlungen.

Der Rest der Einwohner des Gazastreifens, die keine registrierten Palästina-Flüchtlinge sind, ist bei der medizinischen Versorgung abhängig vom Gesundheitsministerium und von privaten Einrichtungen.

Noch 650 UNRWA-Mitarbeiter tätig

Von den etwa 1.000 UNRWA-Mitarbeitern vor dem 7. Oktober 2023 sind noch etwa 650 in bestehenden Gesundheitszentren und in Gesundheitsanlaufstellen in Gaza tätig. Um trotzdem den großen Zustrom an Patienten zu bewältigen, haben einige Gesundheitszentren den Zweischichtbetrieb eingeführt.

Überweisungen an UNRWA-Vertragskrankenhäuser sind aufgrund der Beeinträchtigung von deren Betrieb durch den Mangel an elektrischem Strom und die Erschöpfung der Vorräte immer schwieriger geworden.

In den drei südlichen Gouvernements von Gaza verwaltet das UNRWA mit Stand vom 7. Januar 2024 zusätzlich 93 Schutzräume. Diese Unterkünfte wurden in erster Linie in umfunktionierten UNRWA-Schulen oder anderen Gebäuden eingerichtet, um Binnenflüchtlinge unterzubringen und ihnen Gesundheitsdienste anbieten zu können.

Notunterkünfte überlaufen

Das Ausmaß der Vertreibung von Menschen in Gaza übersteigt bei Weitem den Notfallplan des UN-Hilfswerks, der vor dem Krieg die Bereitstellung von Unterkünften für 150.000 Binnenvertriebene in etwa 75 Unterkünften (etwa 2.000 Menschen pro Unterkunft) vorsah. Stattdessen gibt es jetzt durchschnittlich 18.000 registrierte Binnenflüchtlinge pro Unterkunft, was die Ressourcen und die Gesundheits- und Hygienebedingungen weit über ihre Grenzen hinaus strapaziert.

Von den beiden nördlichen Gouvernements des Gazastreifens gibt es aufgrund der schlechten Erreichbarkeit nur wenige Daten.

Das UNRWA hat Gesundheitsanlaufstellen in Notunterkünften eingerichtet, um es dem Gesundheitspersonal, sowohl Ärzten als auch Krankenschwestern, zu ermöglichen, dort ein eingeschränktes Angebot an Gesundheitsdiensten anzubieten.

Diese verringern auch den Druck auf die Gesundheitszentren, die noch in Betrieb sind. Zu den angebotenen eingeschränkten Leistungen dort gehören die Behandlung von übertragbaren Krankheiten, nicht übertragbaren Krankheiten, Verletzungen, Mutterschaftspflege und eine psychosoziale Unterstützung.

Die Bereitstellung dieser Dienstleistungen ist eine große Herausforderung für die Beschäftigten im Gesundheitswesen, da die Meisten selbst Vertriebene und ebenfalls auf Unterkunft, Nahrung und Wasser angewiesen sind.

Starke Zunahme der Konsultationen

Vor dem Krieg führten die Gesundheitszentren der UNRWA etwa 15.000 Konsultationen pro Tag in Gaza durch. Diese Zahl ist um etwa 50 Prozent in den Gesundheitszentren und Gesundheitsanlaufstellen in den Notunterkünften gestiegen.

Obwohl sich das Mandat des UNRWA auf registrierte Flüchtlinge begrenzt, hat die Organisation weitere Verantwortung übernommen, um allen bedürftigen Menschen in Gaza inmitten des Krieges medizinische Versorgung anzubieten.

Die Gesundheitszentren haben sich auf die Bereitstellung wichtiger primärer Gesundheitsdienste konzentriert, wie z. B. die Behandlung von Patienten mit nicht übertragbaren Krankheiten (z. B. Diabetes und Bluthochdruck) und die ambulante Intensivversorgung.

In Abhängigkeit von Beschränkungen des Patientenzugangs aufgrund der allgemeinen Situation des Krieges bieten die Gesundheitszentren neben dem nationalen Impfprogramm auch Impfungen für Kinder an.

Medizinisches Personal extrem belastet

Die Bewältigung der extremen Zahl an behandlungsbedürftigen Patienten ist für das medizinische Personal ein ernstes Problem. Ihre Zahl hat sich inzwischen fast verdoppelt und liegt nun bei durchschnittlich 113 Patienten pro Gesundheitsfachkraft und Tag in Gesundheitszentren und 107 Patienten in den Gesundheitsanlaufstellen der Notunterkünfte.

Die Krise der Gesundheitsversorgung in Gaza wird verschärft durch den akuten Mangel an medizinischer und nichtmedizinischer Versorgung in Krankenhäusern, Gesundheitszentren und Gesundheitsanlaufstellen.

Die Lieferung von Medikamenten wird durch die Blockade des Gazastreifens und den eingeschränkten Zugang für Hilfsgüter behindert. Diese Situation gibt Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit und Qualität der Versorgung unter solch extrem angespannten Bedingungen.

Kritische Wasser-, Sanitär- und Hygiene-Situation

Nach Schätzungen des UNRWA zur Wasserverfügbarkeit haben Menschen in Notunterkünften in den südlichen Gouvernements Zugang zu nur 8,8 Litern Wasser pro Person und Tag, 1,6 Liter zum Trinken und 7,2 Liter für den Hausgebrauch.

Die Notfall-Richtlinien schreiben vor, dass eine Person mindestens 7,5 Liter Wasser pro Tag (einschließlich 2,5 bis drei Liter Trinkwasser) zum Überleben benötigt, und empfehlen 15 Liter pro Person und Tag als minimalen Notfall-Standard.

Folglich haben Binnenvertriebene in den Unterkünften des UNRWA Zugang zu etwa der Hälfte der täglichen Mindestmenge an Trinkwasser, die zum Überleben benötigt wird. Deshalb greifen die meisten Menschen jetzt auf unsichere Wasserquellen zurück, was zu einem Anstieg von durch Wasser übertragenen Krankheiten führt (siehe Abbildung 1, die der Figure 2 im Original entspricht).

Für 504 Personen eine Toilette und für 2.568 eine Dusche

Mit Stand vom 7. Januar 2024 teilten sich nach den Daten des UNRWA durchschnittlich 504 Personen eine Toilette und 2.568 Personen eine Dusche. Diese Zahlen liegen weit unter den Zahlen für die Notfallstandards, die die Anzahl auf 20 Personen pro Toilette und 20 Personen pro Dusche begrenzen.

Dieser schwerwiegende Mangel an sanitärer Grundversorgung in Verbindung mit der kritischen Wassersituation stellt ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko dar, das die Ausbreitung von Krankheiten in einer bereits gefährdeten Bevölkerung weiter verschärft.

Massenhafte Krankheiten und Gefahr von Epidemien

Seit dem 16. Oktober 2023 überwacht das UNRWA 14 Krankheiten mit Potenzial für Epidemien in ihren Unterkünften.

Es wurden Warnungen vor akuter Hepatitis herausgegeben, und die Zahl der Krankheitsfälle ist im Vergleich zum Vorjahr stark gestiegen.

Weiterhin zeigt ein Vergleich der Daten von 2022 und 2023 einen starken Anstieg der Fälle von unblutigem und blutigem Durchfall und Impetigo (bakterielle Hauterkrankungen) im Jahre 2023 und unterstreichen den Ernst der Lage (Abb. 1).

Abbildung 1: Das UNRWA im Gaza-Krieg

So stieg beispielsweise im Zeitraum zwischen den epidemiologischen Wochen 43 und 52 (d. h. dem 23. Oktober und dem 31. Dezember 2023) die Inzidenz von nicht-blutigem Durchfall bei Kindern unter fünf Jahren um das 33-fache und bei Personen ab fünf Jahren um das 99-fache im Vergleich zu 2022 (Abb. 1).

Blutiger Durchfall und Impetigo (bakterielle Hauterkrankungen) haben im gleichen Zeitraum ebenfalls gefährlich zugenommen (um das 22-fache bzw. das 4-fache), was die Schwere des Gesundheitsnotstands in den Unterkünften unterstreicht (Abb. 1).

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