"I don't email"

Bill Clinton hat eine Email verschickt, George W. Bush verweigert sich dem ganz

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ob Politiker, vor allem die in den höchsten Ämtern, das Internet benutzen und Email oder andere Internetbasierte Kommunikationsmittel verwenden, ist eigentlich höchstens von Belang unter der Frage, wie weit sie die Chancen und Probleme kennen und erkennen können. Andererseits aber zeigt dies auch, wieweit sie mit der gegenwärtigen Lebenswelt verbunden sind. Wenn US-Präsident Bush kürzlich sagte: "I don't e-mail" hat dies freilich nicht nur damit zu tun, dass er noch einer Generation angehört, die noch nicht mit dem Internet aufgewachsen ist.

Als nach der Erfindung des Web das Internet aufblühte und ab Mitte der 90er Jahre allmählich zu einem Massenmedium wurde, war der demokratische Präsident Bill Clinton an der Regierung. Sein Vize Al Gore hat sich der Entwicklung des Internet gewidmet, anfangs viel mit dem Begriff "Datenautobahn" gespielt und die globale digitale Ökonomie gefeiert, allerdings hatte man sich auch gegen Ende der Regierungszeit über ihn lustig gemacht, weil er gesagt haben soll, er habe das Internet erfunden (Alles für die New Economy). Das hatte er zwar so nicht, die Clinton-Regierung hat gleichwohl die erste Webseite des Weißen Hauses geschaffen und den Aufstieg des Web begleitet, bis hin zu den immer wieder kehrenden Warnungen vor den Risiken des Cyberterrorismus und der Bedrohung der virtuellen Grenze.

Clinton selbst blieb allerdings Verächter von Email. Während seiner ganzen Amtszeit soll er gerade einmal zwei Emails verschickt haben. Eine war freilich nur ein Test, ob er eine Email durch Tastendruck abschicken konnte, die andere war seine einzige, nämlich an den Astronauten Glenn 1998, als dieser in hohem Alter erneut in den Weltraum reiste (Der alte Mann und der Weltraum). Clinton - bzw. seine Mitarbeiter - beantworteten geradezu überstürzt schon nach einem Tag die Email, die Glenn an seinen Präsidenten aus dem Weltraum geschickt hatte. Dafür hat Clinton die Ehre, dass seine zwei Emails bzw. seine denkwürdige historische Email an Glenn in die Geschichte eingehen und natürlich archiviert wurden (Alle Emails des ehemaligen Präsidenten Bill Clinton wurden archiviert). Die Begründung, warum Clinton um Email einen Bogen machte, ist gewesen, dass er sich lieber unterhalten und ansonsten keine Zeit gehabt habe.

Clintons Nachfolger Bush soll immerhin vor Antritt seiner Präsidentschaft schon Emails versendet haben. Als Präsident blieb er aber strikt enthaltsam. Dafür aber gibt er einen anderen Grund an, der mit einer Neuerung zu tun, die 2001 in Kraft trat. Seitdem ist nämlich die National Archives and Records Administration nicht nur für die Aufbewahrung der materiellen Dokumente, sondern auch für die Website des Weißen Hauses und die Emails zuständig. Die Emails des Präsidenten würden also im Rahmen des Presidential Records Act archiviert werden (The End of an Era).

Nun ist Bush bekanntlich kein Vertreter großer Transparenz. Schon kurz nach dem 11.9. blockierte er die vorgesehene Freigabe von Dokumenten aus der Reagan-Zeit (Verdächtige Geheimniskrämerei) und setzte dies auch weiter fort (Mehr Geheimhaltung). Im Kampf gegen den Terrorismus wurde die Geheimhaltung verstärkt und das Informationsfreiheitsgesetz eingeschränkt (Geheimniskrämerei).

Um das Informationsfreiheitsgesetz und die Geheimniskrämerei ging es kürzlich auch auf einer Konferenz der American Society of Newspaper Editors in Washington, auf der Präsident Bush eine Rede hielt. Befragt, ob es nicht die Aufgabe der Behörden sei, der Öffentlichkeit Zugang zu den Informationen zu gewähren, und nicht die der Bürger, die Behörden zu überreden, die Informationen herauszurücken, sagte er, dass die Menschen so viel als möglich über die "Entscheidungsfindungen" wissen müssten, aber von Wichtigkeit sei es hier, eine Balance zwischen der Transparenz und der Geheimhaltung für die Sicherheit zu finden. Überdies dürften Menschen nicht durch die Veröffentlichung des Privaten gefährdet werden. Gleichwohl sei er für eine "offene Regierung" und fügte dann gleich hinzu: "I don't e-mail. And there's a reason. I don't want you reading my personal stuff."

Neben der nationalen Sicherheit, die der Oberkommandierende in Zeiten des erneut beschworenen langen Krieges gegen den Terrorismus in Erinnerung rief, benutzt also Bush Emails nicht, weil er diese nicht archiviert wissen will. Seine persönliche Kommunikation ginge niemanden etwas an. Die Menschen hätten zwar einen Anspruch darauf zu wissen, wie er Entscheidungen getroffen habe, aber nicht darauf, welche Emails er seinen Töchtern geschrieben hat. Das klingt verständlich und nachvollziehbar, was den Schutz der Privatsphäre und die Sicherheit von Emails betrifft, ist aber wohl nur ein vorgeschobener Grund, Emails auch im Rahmen seines Amtes zu vermeiden. Das Hauptargument bleibt vermutlich doch für die allgemeine Geheimhaltung: "But we're still at war. And that's important for people to realize."

In der Washington Post wird Bush allerdings ein gemischtes Verhältnis zur Technik nachgesagt. Hämisch heißt es, er habe Anerkennung bei einigen Techies gefunden, als er das erste Mal mit dem Segway gefahren ist, obgleich er dabei stürzte. Mit dem iPod habe er hingegen größeren Erfolg gehabt, nur würde er diesen nicht selbst bedienen, sondern habe einen persönlichen Assistenten, der ihm die Musik herunterlädt ("Zeig mir Deinen Ipod – und ich sage Dir, was Du für einer bist!").

Zumindest im Hinblick auf die Internetnutzung gleicht Bush den meisten seiner Amtskollegen. Ob dies mit der nächsten Generation von Präsidenten und Ministern anders wird, bleibt abzuwarten. Aber vermutlich wird es bald nicht nur Präsidentschaftsbewerber, sondern auch den ersten Präsidenten oder Regierungschef geben, der zumindest vorgibt, wie dies auch mehr und mehr Manager machen, selbst einen Blog zu schreiben. Zur größeren Transparenz aber dürfte auch dies wenig beitragen.