IWF: Deutschland in Krise, Russland im Aufschwung

Finanzexperten sehen Weltwirtschaft in Krise. Bundesregierung zeichnet Lage schön. Diese Überraschungen birgt der Bericht des Währungsfonds.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte schon im Januar eine düstere Prognose für die Entwicklung der Weltwirtschaft herausgegeben. Nun hat die in Washington ansässige Finanzinstitution dieses negative Urteil noch einmal bekräftigt: "Die Aussichten sind angesichts der Turbulenzen im Finanzsektor, der hohen Inflation, der anhaltenden Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine und der dreijährigen Covid-Krise erneut unsicher", heißt es im neuen Konjunkturbericht. Das Dokument wurde zur jüngsten Frühjahrstagung des IWF vorgestellt.

Die Lage der Weltwirtschaft sei sehr angespannt, deshalb werde sie sich nur langsam erholen, so die IWF-Experten. Statt wie im Vorjahr um 3,4 Prozent zu wachsen, sollen es im laufenden Jahr nur noch 2,8 Prozent sein.

Für Deutschland hat die von den USA dominierte Finanzorganisation besonders schlechte Nachrichten. So haben die IWF-Experten ihre Prognosen für Deutschland im Vergleich zur Vorhersage vom Januar noch einmal nach unten korrigiert. Der IWF erwartet jetzt für 2023, dass die deutsche Wirtschaftsleistung bis Ende 2023 insgesamt um 0,1 Prozent schrumpfen wird.

Das ist fatal, denn nach den IWF-Prognosen steht unter den großen Industrieländern nur Großbritannien mit einem Minus von 0,3 Prozent noch schlechter da. Die Aussicht ist für Deutschland mit einem Plus von 1,1 im kommenden Jahr ebenfalls nicht rosig. Auch hier unterbietet das Königreich mit 1,0 Prozent die Prognose erneut.

Ein deutliches Wachstum ist aber auch in den anderen EU-Staaten und in den USA nicht zu erwarten. Die Abschwächung der Konjunktur konzentriere sich aktuell auf Industrieländer, schreibt IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas in seinem Blogeintrag zum World Economic Outlook (WEC). "Wir treten in eine riskante Phase ein, in der das Wirtschaftswachstum im historischen Vergleich niedrig bleibt und die finanziellen Risiken zugenommen haben, ohne dass die Inflation bereits eine entscheidende Wende genommen hat", führt er aus.

Der IWF-Chefvolkswirt stellt fest, dass die Inflation zwar "langsam" zurückgeht, aber trotz allem "bleibt das Wirtschaftswachstum historisch niedrig", während gleichzeitig die finanziellen Risiken weiter gestiegen sind".

Ein zentrales Problem für den IWF ist, dass sich die Inflation als erheblich hartnäckiger erweist, als auch er angenommen hatte. Dass der Ölpreis zuletzt wieder deutlich gestiegen ist, in einem Monat zwischen 15 und 20 Prozent, lässt sogar einen Wiederanstieg der Inflation möglich erscheinen. Die offizielle Inflationsrate liegt im Euroraum noch immer bei 6,9 Prozent, in Deutschland sogar noch fast einen Punkt darüber.

Die Kerninflationsrate war ohnehin schon bedrohlich hoch, sie ist weiter auf 5,6 Prozent gestiegen. Aus ihr werden schwankungsanfällige Preise für Energie und Lebensmittel herausgerechnet.

Interessant ist auch, wie die neuen IWF-Prognose aufgenommen wird. So schreibt die Wochenzeitung Zeit: "Anders als der IWF rechnen die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute mit einem leichten Plus für die hiesige Wirtschaft." Auf wen man sich dabei bezieht, wird nicht gesagt. So hatte zum Beispiel auch das Ifo-Institut kürzlich von einer "stagnierenden" Wirtschaft gesprochen. "Demnach wird die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr in etwa auf der Höhe des Vorjahres verharren (-0,1 Prozent).". Das ist praktisch genau die IWF-Prognose.

Noch im Januar hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine mögliche Rezession in Deutschland "abgesagt". Doch schon mit der ersten Schnellschätzung der Statistischen Bundesamts (Destatis) wurde für das vierte Quartal 2022 eine leicht schrumpfende Wirtschaft diagnostiziert

Letztlich musste auch Destatis feststellen, dass die Schrumpfung mit 0,4 Prozent sogar doppelt so hoch ausgefallen ist, als anfänglich angenommen wurde. Das zeigte eine Korrektur. Es ist davon auszugehen, dass sich das erste Quartal 2023 nun ganz ähnlich verhält, womit Deutschland dann schon in der Rezession wäre. Wir dürfen auf die erste Schnellschätzung Ende des Monats und die mögliche Korrektur Mitte nächsten Monats gespannt sein.

Hat die Entwicklung in Deutschland vielleicht auch etwas mit den Russland-Sanktionen zu tun? Ein Fakt wird jedenfalls in den Berichten zu der neuen Konjunkturprognose des IWF nämlich oft nur sehr stiefmütterlich behandelt. Denn anders als für Deutschland sagt der IWF für Russland keine Rezession voraus. Sollten aber die Sanktionen nicht "Russland ruinieren", wie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock vor gut einem Jahr betont hatte? Seither wurden insgesamt zehn Sanktionspakete geschnürt.

Doch die verfehlen ganz offensichtlich ihr Ziel vollständig – und die Frage ist, wer ruiniert wird. Die Zeit berichtet, dass der IWF mit "einem Plus" neben China auch für Russland rechnet. So soll die chinesische Wirtschaft im laufenden Jahr um 5,2 Prozent zulegen. Man gibt sogar zu, dass der IWF für Russland die Prognose sogar "deutlich" heraufgesetzt hat. "Die Ökonomen rechnen trotz der Kosten des Angriffs auf die Ukraine und der westlichen Sanktionen mit einem Wachstum von 0,7 Prozent – das sind 0,3 Prozentpunkte mehr als noch im Januar prognostiziert."