Im All beginnt es zu menscheln

Internet-Millionäre, Marktforscher und Tourismus-Agenten loten den Weltraum aus

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Am 25. April will der Internet-Millionär Mark Shuttleworth als zweiter Weltraumtourist in einer Sojus-Raumkapsel abheben. Die Amerikanerin Lori Garver plant ihren All-Ausflug neben zwei weiteren Interessenten bereits für Herbst dieses Jahres. Der Space-Tourismus kommt langsam in die Gänge. Doch wie viel Mensch verträgt eigentlich der Weltraum?

Noch ist der Urlaub im Orbit ein teures Vergnügen. Dennis Tito, der erste private Pionier, musste für seinen Trip im April des Vorjahres noch 20 Millionen Dollar hinblättern. Nach inoffiziellen Angaben zahlt Mark Shuttelworth einen ähnlich hohen Preis. Doch ab 2005 soll es bereits All-Flüge um 98.000 Dollar geben. Dafür konstruierte das All-Tourismus-Unternehmen Space-Adventures ein Touristen-Mini-Raumschiff (C21), das kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

C21 von Space Adventures

Neben dem Piloten bietet die C21 Platz für zwei weitere Passagiere. Der geplante Reiseverlauf: Ein Trägerflugzeug soll das Mini-Raumschiff anfangs im Huckepack-Verfahren transportieren. Dann wird sich die C21 ablösen und mit Raketenantrieb in rund 100 Kilometer über die Erde gebracht. Zurück geht es im Gleitflug - ähnlich wie bei Space-Shuttels. "Für die All-Touristen wird es einige Minuten Schwerelosigkeit geben, und es wird sich ein herrlicher Blick auf Mutter Erde auftun", schwärmt Eric Anderson, CEO von Space-Adventures. Rund eine Mrd. US-Dollar Jahresumsatz erwartet sich der Unternehmer. Nach eigenen Angabe gebe es bereits 100 Anmeldungen.

Blick auf Mutter Erde

Obwohl bei diesem Space-Ausflugsprogramm weder ein Besuch der internationale Raumstation ISS noch das Betreten eines anderen Planten vorgesehen sind, deckt es sich offensichtlich mit den Wünschen potenzieller All-Touristen. Verschiedene Marktstudien haben gezeigt, dass die meisten Menschen im Weltraum "nur" die Erde betrachten wollen. Auch das Gefühl der Schwerelosigkeit scheint einen besonderen Reiz auszuüben.

Internet-Unternehmer und Weltraumtourist Mark Shuttleworth

Der Deutsche Robert Goehlich recherchierte für eine Diplomarbeit, dass im Jahr 2000 weltweit bereits 23 verschiedene suborbitale Raumfährenkonzepte für Weltraumtouristen existierten. "Die meisten Konzepte wurden in den USA entwickelt, vier in Europa, eins in Russland, eins in Kanada und eins in Argentinien. Der mit 10 Millionen Dollar dotierte 'X Prize' für die erste erfolgreich betriebene wiederverwendbare suborbitale Raumfähre animiert insbesondere sehr kleine Start-up-Unternehmen, solche Konzepte zu realisieren", so Goehlich.

Rentabilität fraglich

Um die wirtschaftliche Rentabilität sei es aber nicht so gut bestellt. Ticket-Preise von 100.000 Dollar, wie sie Space-Adventure anbietet, wären zu niedrig. Goehlich über eine entsprechende Studie: "Dafür wurde ein statistisches analytisches Modell, genannt SUBORB-TRANSCOST, entwickelt, welches auf einem erfolgreich eingesetzten Modell in der Luft- und Raumfahrtindustrie beruht. Die berechneten Flugscheinpreise variieren, abhängig vom jeweiligen System, zwischen 300.000 und 1,1 Million Dollar."

Während die einen über Ticket-Preise und Weltraum-Routen grübeln, haben andere Unternehmen bereits futuristisch anmutende Weltall-Hotels konzipiert. Selbst TV-Produzenten haben inzwischen den Weltraum entdeckt und basteln an Reality-Soaps im All (Wer wird Astronaut?).

Während sich offensichtlich immer mehr Privatinitiativen für Weltraum-Tourismus begeistern können, stellt aber kaum jemand die Frage, wie sinnvoll es überhaupt ist, Menschen ins All zu schicken. Klar, es geht ja um Vergnügen, Wünsche und Träume. Aber wie sieht es mit möglichen negativen Folgen für die Umwelt aus? Und umgekehrt: Wie wirkt sich ein All-Ausflug überhaupt auf die Gesundheit eines Reisenden aus? Weit und breit finden sich keine Risiko-Anlaysen, die mit dem Space-Tourismus verbunden sein könnten.

Dennis Tito auf der Internationalen Raumstation

Kosten- und Risikofaktor Mensch

In der Weltraum-Forschung selbst wurde jedoch sehr wohl die Sinnhaftigkeit von Menschen im All bezweifelt. Der Naturwissenschaftler Reinhard Breuer forderte bereits 1986: Entmannt die Raumfahrt!. Die eigentliche Forschung würde durch die bemannten Raumflüge eigentlich behindert, meinte Breuer, zumal erhebliche Summen in Sicherheitsvorkehrungen, die allein dem Schutz der Besatzung dienen fließen würden. "Zwar würde sich manches geplante Weltraumunternehmen zunächst verzögern, wenn es von jetzt an ausschließlich auf Roboter- Betrieb umgestellt würde. Aber längerfristig würde Zeit gewonnen. Denn die fixe Idee von der Bemannung hat ja gerade dazu geführt, dass bislang erheblich in konventionelle Technik investiert wurde." Ein plastisches Beispiel für die "Geldverschwendung" durch die Bemannung der Raumfahrt wusste Breuer in dem besagten Artikel ebenfalls zu berichten:

"Live-Schaltung zum 'Spacelab' Anfang Dezember 1983 während der Tagesschau: 'Herr Merbold, meine erste und wichtigste Frage', hebt Bundeskanzler Kohl an: 'Wie geht es Ihnen'' Dies war das teuerste Bild-Telefonat in der Geschichte der Bundesrepublik. Denn den Amerikanern wurden bei dieser Gelegenheit 1,2 Milliarden Mark für den Bau des Weltraumlabors geschenkt. Und den Großteil dieser Summe bezahlte die Bundesrepublik für die Astronauten und deren Sicherheit. Dabei waren nur mit Mühe Aufgaben gefunden worden, die ihre Anwesenheit im Weltraum rechtfertigten."

Der Zwang zur Erfindung von Aufgaben, um die Anwesenheit von Menschen in Raumfähren zu legitimieren, würde bei touristischen All-Trips sicher wegfallen, zumal hier die üblichen Gesetze des Kommerzes gelten. Wer aus eigener Tasche bezahlt, braucht sich nicht zu rechtfertigen. Als echter Tourist gebärdete sich noch der Pionier Dennis Tito. Zwar flog er den Profi-Astronauten sporadisch ein wenig in Quere, die meiste Zeit verbrachte er aber m russischen Wohnmodul "Swesda", vertrieb sich dort die Zeit mit Fotografieren begleitet von Opern- und Beatles-Musik. Dagegen sieht sich Mark Shuttleworth eher als zahlender Forschungsreisender. Der Südafrikaner will im All mit Stammzellen von Ratten und Schafen experimentieren. Ganz Internet-Entrepreneur richtete Shuttleworth für sein Weltraumabenteuer auch eine eigene Website ein.