Im Kampf gegen die Raubkopierer

Stellt sich Microsoft mit seinen Zwangsregistrierungen endgültig ins Abseits?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Als der PC in die privaten Haushalte Einzug hielt, sollte es ursprünglich vorbei sein mit der Abhängigkeit von der Großrechnertechnologie. Stattdessen waren die User allerdings angewiesen auf einige wenige Softwareproduzenten. Angesichts der hohen Beschaffungskosten wehrte sich ein Teil der Computeranwender immer erfolgreich gegen solche monopolistischen Preisdiktate. Es entstand eine Kultur der Raubkopierer, die immer noch die Großkonzerne ins Schwitzen bringt, wenn es um die Vorstellung der Jahresbilanzen geht. So geistert seit Jahren das Bild von Verlusten in Milliardenhöhe durch die Köpfe der Aktionäre. Gänzlich vergessen wird die Tatsache, dass möglicherweise gerade diese Raubkopiersoftware überhaupt zur weiten Verbreitung und Akzeptanz der Computer und deren Anwendungsmöglichkeiten geführt hat. Nun läutet Microsoft eine neue Runde im ewigen Kampf mit den Raubkopierern ein.

Geht man wirklich einmal von der These aus, dass die vielen Raubkopien auf den privaten und betrieblichen Rechnern überhaupt zum Durchbruch der Computertechnologie geführt haben, kann man es eigentlich begrüßen, dass wir heute in einem der modernsten Staaten der Welt leben. Kaum noch jemand lehnt den Computer ab. Im Gegenteil, jede Familie versucht, den Kindern möglichst früh den Zugang zu einem eigenen Computer im Kinderzimmer zu ermöglichen. Es wird nicht mehr lange dauern, dass selbst die Sozialämter erkennen werden, dass ein Kind heute nicht nur Anspruch auf ein Fahrrad hat, sondern ebenfalls auf einen persönlichen Computer nebst angemessener Software. Die Schulen werden in den nächsten Jahren ihre aktive Beteiligung an der Vermittlung von Medienkompetenz immens steigern müssen.

Klar, dass in all diesen Bereichen heute nicht mehr mit Raubkopien gearbeitet werden darf. Inzwischen ist jedem Anwender bekannt, dass der Einsatz von Raubkopien illegal ist, dennoch nutzen viele Menschen die Programme, um sich mit den Funktionen vertraut zu machen. Nur selten wird man hier wirklich von einem geldwerten Vorteil sprechen können, denn die Nutzer von Raubkopien erwerben auf diese Weise ein umfangreiches Wissen und Können für den beruflichen Alltag. Vielleicht sollte man hier eher von Ausbildungskosten zu Lasten der Softwareindustrie sprechen.

Microsoft nennt einen durch weltweite Softwarepiraterie verursachten Schaden von jährlich 13 Milliarden US-Dollar und beruft sich dabei auf eine Studie der Business Software Alliance (BSA) sowie der Software and Information Industry Association (SIIA). "Allein in Deutschland betrug der Schaden zirka 1,25 Milliarden DM (652 Millionen US-Dollar). Die Piraterierate bei Software in Deutschland liegt nach den Feststellungen der Business Software Alliance im Business-Bereich bei 27%." (Microsoft) Unsere Gesellschaft sollte also Microsoft & Co dankbar sein, dass ihre Produkte bislang so einfach zu kopieren waren und die virtuelle Revolution und der wirtschaftliche Umbau unserer Gesellschaft so schnell vollzogen werden konnten. Auch die Arbeitsämter haben inzwischen erkannt, dass eine Computergrundbildung dringend von Nöten ist und bieten kostenlose Grundkurse an.

Dennoch will nun ausgerechnet Microsoft das Rad wieder zurückdrehen. Ohne kontinuierliche Zuwachsraten springen Aktionäre von heute schneller auf den nächsten Zug, also bleibt Microsoft trotz zweistelliger Wachstumsraten scheinbar keine andere Lösung, als die Softwarepiraterie noch massiver zu bekämpfen. Von sozialer oder gar politischer Verantwortung will so ein Konzern nur wenig wissen, auch wenn der Gründer von Microsoft immer wieder hohe Millionenbeträge spendet, doch auch diese Gelder müssen erst einmal von den Usern kassiert sein.

Vorerst will Microsoft zwei Programme mit einer Produktaktivierungstechnologie versehen und damit erreichen, dass ein Softwareprodukt nun wirklich nur noch auf einem Rechner installiert ist beziehungsweise auch nur einmal gestartet werden kann. Ohne Registrierung beim Hersteller werden Microsoft Windows und das Office-Paket nur noch begrenzt arbeiten. Windows muss innerhalb von 30 Tagen aktiviert und das Office-Paket kann nur 50 Mal gestartet werden. Die Produktaktivierung der installierten Software entwickelt einen Code aus der eingesetzten Hardware und dem Installationscode der CD-ROM. Daraus errechnen die Mitarbeiter der Telefonhotline einen Bestätigungscode. Eine Aktivierung über das Internet soll diesen Vorgang innerhalb von Sekunden erledigen.

Microsoft betont, dass auf Wunsch des Kunden diese Aktivierung anonym verlaufen kann. "Lediglich das Land, in dem die Software eingesetzt wird, muss angegeben werden." Doch wer den vollen Umfang wie Benachrichtigungen über Updates oder Service-Releases nutzen möchte, kommt um die Angabe der Kundendaten nicht herum.

Spätestens an dieser Stelle entsteht Misstrauen gegen eine solche Verfahrensweise. Die Angabe, dass die gespeicherten Daten bei Microsoft aus Hard- und Software wirklich nicht rückverschlüsselt werden können, wird die User nicht befriedigen. Denn die Verschlüsselung stellt Microsoft her, und der Konzern will die Daten auch speichern. Ein so riesiges Unternehmen kann nie garantieren, ob mit dieser immensen Kundendatenmenge nicht doch eines Tages Missbrauch betrieben werden kann. Zumindest muss man Microsoft unterstellen, dass sie sich schon wieder einen Vorteil erschleichen wollen. Denn in den nächsten Jahren wird man die Produkte bestimmt nicht mehr beim Händler um die Ecke kaufen können, spätestens zu diesem Zeitpunkt wird Microsoft den Kunden in der Hand haben und den Preis endgültig diktieren. So schnell wird auch die kleine Open-Source-Gemeinde nicht reagieren können und ein Alternativkonzept bewerben und verbreiten.

Microsoft macht sich heute schon zum Oberwächter für industrielle Belange. Durch Updates werden Dateiformate gestützt oder verhindert. Alles geschieht angeblich im Zeichen der Legalisierung von Softwareprodukten. Als Dienstleister für die aufstrebende virtuelle Branche werden so Normierungen für die Zukunft festgeschrieben und können jederzeit per automatischem Internet-Update den Erfordernissen der Industrie angepasst werden. Erste Pläne liegen bereits in den Schubladen (Microsoft Office zur Miete durchs Kabel), die Software in Zukunft nur noch monatsweise mieten zu können.

Die Zeitschrift Chip sieht die Raubkopierer auch in Zukunft nur müde lächeln, denn sie werden wohl wieder den Wettlauf mit dem Kopierschutz gewinnen und nicht nur einen allgemein gültigen Code entwickeln, sondern auch gleich die ganze Aktivierungsprozedur aus dem Programmcode entfernen. Freenet.de meldet inzwischen, dass der Kopierschutz umgangen werden kann und liefert gleich eine Anleitung mit. Geknackte Software wird dann sogar noch den Vorteil haben, dass sie weitaus komfortabler als das Original wäre. Denn nach dem Konzept von Microsoft kann es durchaus vorkommen, dass nach einem Rechnerumbau noch einmal eine Aktivierung vollzogen werden muss. Kauft man sich einen neuen Rechner und will die vorhandene Software installieren, ist wiederum ein Aktivierungsanruf fällig.

Trotz der möglicherweise komfortableren Raubkopiersoftware wird sich der Softwareriese wohl diesmal nicht von den Plänen abbringen lassen. Voraussichtlich ab Sommer 2001 wird die Aktivierung bei den umbenannten Softwarepaketen "Microsoft Windows XP" (Codename Whistler) und "Microsoft Office XP" (Codename Office 10) notwendig sein. Man darf gespannt sein, wie die User die neue Technologie der Registrierung annehmen oder ob sie sich vorerst mit den alten Versionen begnügen und somit Microsoft über den nicht gefüllten Geldbeutel zum Umdenken bewegen. Vorsorglich wird Microsoft noch eine Gewinnwarnung nach der anderen veröffentlichen. Im Fall der Zwangsregistrierung von Windows-OEM-Versionen rät die Verbraucherzentrale NRW schon heute, sich massiv bei Microsoft zu beschweren und die Original-CD-ROM zu bestellen. Doch sie ist inzwischen per einstweiliger Verfügung vorsichtiger in ihren Äußerungen geworden und hat ihre bisherigen Texte aus dem Internetangebot heraus genommen. Dennoch will sie die Rechtslage noch einmal ausführlich prüfen. Die User sind fortan auch zum Nachdenken über ihr Verhalten gegenüber Softwareriesen aufgefordert.