Immer mehr Treibhausgase

Die Karte zeigt die Temperaturen für den März 2013 relativ zu den durchschnittlichen Temperaturen von 1981-2010. Die globale Durchschnittstemperatur war in diesem März genauso hoch wie im März 2006, dem zehntwärmsten seit Beginn der Messungen im Jahr 1880. Während es in Nordamerika und Europa kälter war, lagen die Temperaturen in Afrika und Asien über dem Durchschnitt. Bild: NOAA

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Eisplaneten und zähen Verhandlungen, von langen Fristen und schwachem Hoffnungsschimmer sowie von Preisverfall und solarbetriebener Malariabekämpfung

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In Bonn, am Sitz der UN-Klimaschutzrahmenkonvention, haben dieser Tage Vorverhandlungen für die diesjährige Klimakonferenz begonnen. Man darf gespannt sein, ob es endlich Anzeichen für einen Durchbruch gibt. Immerhin soll bis Ende 2015 ein neues Klimaschutzprotokoll stehen. Angesichts der bisher äußerst zähen Verhandlungen ist das ein sehr ehrgeiziges Ziel.

Zeit also, mal einen Blick auf den Stand der Entwicklung zu werfen. Wie viel Treibhausgase sind eigentlich inzwischen in der Atmosphäre? Zusätzliche Treibhausgase muss man natürlich sagen, wenn man ganz genau sein will. Denn die Atmosphäre enthält eine Reihe natürlicher Treibhausgase, die den Planeten überhaupt erst bewohnbar machen. Ohne Wasserdampf und natürlichen CO2-Gehalt wäre es im globalen Mittel um rund 31 Grad kälter und die Erde ein Eisplanet.

Am Rande bemerkt: Derartige Zustände hat es sehr wahrscheinlich in der Erdgeschichte mehrfach gegeben, bevor das Leben den ganzen Erdball eroberte und für die jetzige Zusammensetzung der Atmosphäre sorgte. Das letzte dieser "Schneeball-Erde-Ereignisse" trat vermutlich vor etwa 647 Millionen Jahren auf. Es endete einige Millionen Jahre später, nach dem sich in der Atmosphäre große Mengen CO2 aus Vulkanausbrüchen angesammelt hatten, die wegen der allgemeinen Vereisung nicht von den Ozeanen aufgenommen werden konnten. Doch derlei müssen wir heute nicht mehr befürchten, auch nicht während der durch die Schwankungen in der Erdumlaufbahn um die Sonne angestoßenen Eiszeiten. Heute ist die Biosphäre, wie es aussieht, in der Lage, den CO2-Gehalt so weit zu regeln, dass derart extreme Ereignisse nicht mehr auftreten.

Keine Entwarnung

Was allerdings für den Menschen alles andere als eine Entwarnung ist. Auch unterhalb der Worst-case-Szenarien - Schneeball-Erde auf der einen, Run-away-Klima auf der anderen, beides Szenarien, die der Erde nicht aktuell, sondern nur in geologischen Zeiträumen drohen -, gibt es für eine hochgradig von der Landwirtschaft abhängigen und zu einem erheblichen Teil an den Küsten lebenden Menschheit jede Menge ungemütlicher Klimazustände, die im globalen Maßstab für erhebliche gesellschaftliche Verwerfungen sorgen könnten.

Also zurück zu den Veränderungen im Treibhausgehalt der Atmosphäre, die der Mensch seit Beginn der Industrialisierung verursacht. Das wichtigste dieser klimabeeinflussenden Gase ist das CO2, das derzeit rund 60 Prozent des Problems ausmacht. Die erste Abbildung zeigt seine Konzentration an der Messstation Mauna Loa auf Hawaii, der längsten verfügbaren direkten Messreihe. Alle anderen älteren Informationen über den CO2-Gehalt der Atmosphäre stammen aus Einschlüssen im Eis oder werden aus anderen Messungen abgeleitet.

CO2-Konzentration der trockenen Luft an der Station Mauna Loa. Die dortige Messung gilt als repräsentativ für die Nordhalbkugel und mit wenigen Abstrichen auch für die ganze Erde, da sie fernab von Quellen und Senken erfolgt. Die rote Linie gibt die monatliche Mittelwerte wieder, die schwarze stellt die Daten nach dem Abzug des Jahresganges da. Dieser spiegelt das Wachstum der Biosphäre auf den Landmassen der Nordhemisphäre wieder. Bild: NOAA

Nun variiert die CO2-Konzentration vor allem in Erdbodennähe zwar etwas von Ort zu Ort, aber die Messungen auf Hawaii spiegeln ziemlich gut den mittleren Gehalt der Atmosphäre wieder. Das liegt zum einen daran, dass die Messungen an einem Berghang in 3.400 Metern Höhe geschieht, einer Höhe, in der die Atmosphäre sehr gut durchmischt ist. Zum anderen liegt Hawaii fernab großer industrieller Quellen oder natürlicher Senken, wie sie jahreszeitlich zum Beispiel die weiten Wälder Sibiriens darstellen.

Die erste Grafik zeigt, dass die atmosphärische CO2-Konzentration weiter unbeirrt steigt. Die rote Linie stellt den Jahresgang dar, der relativ stark ausgeprägt ist, weil die Kontinente nicht gleichmäßig über die Hemisphären verteilt sind. Wenn im Herbst auf der Nordhalbkugel die Vegetation zurückgeht und die Bäume ihre Blätter verlieren, steigt der CO2-Gehalt an, bis er im nachfolgenden Frühjahr das Maximum erreicht.

Uns interessiert hier allerdings die schwarze Linie, die die Daten abbildet, nachdem der Jahresgang herausgerechnet wurde. Wie man deutlich sieht, nimmt das Treibhausgas immer weiter zu. Und zwar in besonders beunruhigender Weise, wie Abbildung 2 zeigt. Die dortigen Balken beschreiben den jeweiligen jährlichen Zuwachs. Ebenfalls gezeigt wird in Form der schwarzen Querstriche jedes Jahrzehnt der durchschnittliche jährliche Zuwachs. Dieser wird von Jahrzehnt zu Jahrzehnt größer, wenn man einmal von den 1990er Jahren absieht, die vom industriellen Niedergang Osteuropas geprägt waren. (Nähere Ausführungen zu den Daten und zu den beiden Grafiken finden sich auf einer speziellen Seite (http://www.esrl.noaa.gov/gmd/ccgg/trends/co2_data_mlo.html) der US-amerikanischen Behörde für Ozeane und Atmosphäre (National Ocean Atmosphere Administration (NOAA).)

Die Grafik zeigt die jährliche Zunahme der CO2-Konzentration in Mauna Loa. Die schwarzen Striche repräsentieren die Mittelwerte für jeweils ein Jahrzehnt und demonstrieren das besorgniserregende Ansteigen der Wachstumsraten. 2012 nahm die Konzentration um 2,66 ppm (parts per million) zu, was nach 1998 (2,93 ppm) der zweithöchste je registrierte Anstieg war.) Bild: NOAA

Hoffnungsträger China und USA?

Alles in allem also ein Alarmruf für die Klimaverhandlungen, wenn es eines solchen denn noch bedarf. In den nächsten Wochen könnte sogar die Marke von 400 ppm erstmalig geknackt werden. Auf etwa diesem Niveau müsste die atmosphärische CO2-Konzentration langfristig stabilisiert werden, wenn es eine realistische Chance geben soll, die globale Erwärmung auf etwa zwei Grad Celsius zu begrenzen. Die Leiterin der Verhandlungen, Christiana Figueres, sprach daher zu Beginn der Bonner Gespräche von einer besonderen Dringlichkeit.

Da Ziel der Gespräche nimmt sich da schon eher bescheiden aus: Bis 2015 soll der neue Vertrag ausgehandelt sein - was für Klimaverhandlungen außergewöhnlich schnell wäre - und 2020 in Kraft treten. Für die normalen Gepflogenheiten ist das eine übliche Frist, für die Dringlichkeit des Problems allerdings eher ein Rezept für Schlimmeres. Seit einigen Jahren ist bereits klar, dass der weitere Anstieg der Emissionen noch in diesem Jahrzehnt gestoppt und die Entwicklung umgekehrt werden muss.

Bleibt eigentlich nur noch zu hoffen, dass andere Faktoren, die außerhalb der Verhandlungen liegen, zu einem Durchbruch in Sachen Klimaschutz führen. Sei es wachsender Widerstand gegen Kohlekraftwerke und ähnliches, seien es ökonomische Entwicklungen wie der forcierte Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Was letzteres angeht, gibt unter anderem die Entwicklung in den USA, wo inzwischen die Emissionen tatsächlich sinken, und in China Anlass zum Hoffen.

In der Volksrepublik wuchsen im vergangenen Jahr die Investitionen in "saubere" Energieformen um 20 Prozent und stiegen auf 65,1 Milliarden US-Dollar, wie ein Bericht der australischen Klimakommission hervor hebt. Damit liegt das Land in Sachen neuer Wind- und Solarenergieausbau weit vor allen anderen Staaten und wird seinen Vorsprung vermutlich rasch ausbauen. Wie mehrfach auf Telepolis berichtet, nimmt im Land der Mitte in letzter Zeit die Installation vorn Solaranlagen rasch zu. Die chinesischen Emissionen würden zwar weiter steigen, so der Bericht, wenn aber diese Anstrengungen fortgesetzt und zudem das Wachstum des Energieverbrauchs weiter so rasch wie bisher zurück geht, könnte der Wendepunkt früher als bisher erwartet erreicht werden.

Preisverfall gestoppt?

Mag sein, dass die ersten Anzeichen für einen chinesischen Solarboom bereits auf dem hiesigen Markt zu spüren sind. Im März haben sich nämlich erstmals seit mehreren Jahren einige Solarmodultypen wieder etwas verteuert, wie den vom Solarserver.de veröffentlichten Daten zu entnehmen ist.

Sollte das der Anfang vom Ende der Überproduktionskrise sein? So oder so ist der Preisverfall der letzten Jahre beachtlich. Und aus der Sicht des Klimaschutzes äußerst erfreulich, denn mit ihm wurde der Grundstock für die weltweite Expansion der Sonnenenergienutzung gelegt.

Vierte Spalte eigene Berechnungen. Bild: Wolfgang Pomrehn

Zu guter Letzt die gute Nachricht der Woche. Die Universität von Wageningen in den Niederlanden hat einen eleganten Weg gefunden, wie Solarenergie in entlegenen, nicht ans Netz angeschlossenen afrikanischen Dörfern bei der Malariabekämpfung helfen kann. Dazu wurde eine Moskitofalle entwickelt, die ohne Insektizide auskommt. Stattdessen wird ein natürlicher Duftstoff verströmt, der die gefährlichen Malaria-Überträger anzieht.

Nach dem erste Praxistests erfolgreich verlaufen waren, wurde am 25. April, dem Welt-Malaria-Tag auf der kenianischen Insel Rusinga mit der Installation begonnen. In den nächsten vier Jahren sollen alle 4.000 Häuser der Insel mit kleinen, in Kenia hergestellten Solarpanels, den Insektenfallen und zugleich auch mit Lichtquellen und Ladestationen für Handys versorgt werden. Das im Viktoria-See gelegene Eiland ist nicht an das Stromnetz angeschlossen. Der Solarstrom wird vielen Kindern erstmalig ermöglichen, auch in der Dunkelheit zu lesen und für die Schule zu lernen.

Die elektrischen Malariafallen sind auch insofern wichtig, da viele Moskitostämme inzwischen Resistenzen gegen Insektizide entwickelt haben. Ihre Bekämpfung wird damit schwieriger, teurer und tendenziell auch gesundheitsschädlicher, da immer mehr und stärkere Gifte eingesetzt werden müssen. Willem Takken, der das Forschungsprogramm leitet, hält es für sehr unwahrscheinlich, dass die Moskitos resistent gegen die Fallen werden könnten. Verwendet wird der gleich Duftstoff, mit dem auch Menschen die Plagegeister anziehen. "Unser Ziel ist es", so Takken, "Malaria auf Rusigna zu eleminieren."