"Immer noch lautere Botschaften"

Libyen: Bunkerbomben zum Schutz der Zivilbevölkerung

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Über wieviele Kommando- und Kommunikationszentralen und -schaltpunkte verfügt Gaddafi? Seit einiger Zeit wurden die Luftangriffen auf die libysche Hauptstadt Tripoli verstärkt (Der Luftkrieg in Libyen geht mehr parterre). Ziele der Angriffe, so die stete offizielle Begründung, sind "command centres and communications nodes".

Das britische Verteidigungsministerium stockt nun die Waffenkammer für die "Aufrechterhaltung der No-Fly-Zone" weiter auf und plant den Einsatz von lasergelenkten Paveway III-Bomben, die durch dickere Schutzmauern durchdringen können. Die Bunker Busters sollen laut Angaben des MoD Kommando-und Kommunikationszentren ausschalten.

Bereits vergangene Woche ließ die Nato bei einer Pressekonferenz zur Operation Unified Protector verlauten, dass man den Druck auf Gaddafis Regime erhöht habe, indem man "command-and-control"-Zentren angegriffen habe. Sowohl die Befehlsübermittlung wie Bewegungsfreiheit Gaddafis seien dadurch stark beschnitten worden: "Effectively, he’s gone into hiding" - in Bunkerverstecken?

Die Frage, die zu Anfang der Militäroperation, als sie noch "Odyssee Dawn" hieß, heftige Kritik hervorrief - ob der Einsatz den Regime Change] zum Ziel hat - wird mittlerweile auch vom amerikanischen Präsidenten eindeutig beantwortet: Obama renews call for Libya regime to go. Unter Wahrung der Form, selbstverständlich, das UN-Mandat des Schutzes der Zivilbevölkerung bleibt bei solchen Bemerkungen nie unerwähnt. Gaddafi "muss gehen", solange er nicht aufgibt, werden die USA und Großbritannien ihre Einsätze fortsetzen, hieß es beim Treffen zwischen Obama und Cameron vergangene Woche und: "Eine bestimmte militärische Option kommt für beide aber nicht in Frage".

Die Regel, das unausgesprochene Ziel nur anzudeuten, gilt auch für die britischen Bunker Busters, die zum Einsatz schon in italienischen Basen bereitliegen: "Wir versuchen nicht, Personen aus Gaddafis innerem Zirkel als Zielscheibe zu nehmen", wird der britische Verteidigungsminsiter Liam Fox von der BBC zitiert. Man wolle nur "immer noch lautere Botschaften" senden. Der Einsatz der Enhanced Paveway III-Bomben sei "eine weitere Möglichkeit, wie wir wir unsere Taktiken weiterentwickeln, die zivile Bevölkerung zu schützen und die Absicht der UN-Resolutionen 1970 und 1973 zu erfüllen". Das Arsenal dazu ist schon jetzt nicht spärlich, wie der BBC-Bericht fortfährt:

The RAF's arsenal already includes Enhanced Paveway II, Paveway IV, and Dual Mode Seeker Brimstone bombs.

So verschlungen oft die Argumentationsserpentinen sind, um das faktische Ziel der Operation Unified Protector, die Entfernung Gaddafis, im Nebel zu halten und den Schutz der Zivilbevölkerung hoch, so eigenartig sind die Fragen, die vom Rand her sich ins schöne Bild zwängen: wieso Gaddafi und nicht auch Baschar al-Assad? Der Autokrat und dessen innerer Zirkel haben das Blut Hunderter von protestierenden Syrern an den Händen, die Oppositionsbewegung in Syrien hat das gut dokumentiert.

Oder auch Fragen, die mit den materiellen Schäden zu tun haben: vor etwa zehn Tagen, so berichtet Middle East Online habe der Verantwortliche für die auswärtigen Beziehungen des libyschen Übergangsrates, Mahmud Jibril, den Schaden der Bombardements libyscher Städte durch Colonel Muammar Gaddafi auf rund 480 Millionen Dollar beziffert und als Skandal herausgestellt. Wie, so fragt der Middle East-Online-Kommentar, konnte er so präzise zwischen den Schäden unterscheiden, die von Gadaffi angerichtet wurden, und jenen, die durch das Bombardement der Verbündeten entstanden?