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Import-Honig: Gepanschter Mix unbekannter Herkunft

Immer öfter ist falscher Honig im Umlauf, oft gestreckt mit Sirup oder Zuckerwasser. Nun sagen EU-Imker dem Schwindel den Kampf an. Worauf Verbraucher jetzt achten sollten.

Offiziell darf in einem Glas Honig nur Honig sein. In der Praxis jedoch landet alles Mögliche darin: Zuckersirup, Wasser, Farbstoffe. Bei einem Test mit 320 gezogenen Proben waren 147 offensichtlich gepanscht. Nahezu die Hälfte entsprach nicht den Anforderungen der EU-Honigrichtlinie.

Honigproben aus der Türkei waren zu 93 Prozent verdächtig, chinesische Proben zu 74 Prozent. Aus Großbritannien kam keine einzige unverdächtige Probe. Laut EU-Kommission hatten sich an den Tests 16 EU-Staaten plus die Schweiz und Norwegen beteiligt. Die meisten beanstandeten Lieferanten kamen jedoch aus China, weniger aus Argentinien, Brasilien, Mexiko und der Türkei.

Von den 2021 und 2022 vom Labor des Joint Research Centre untersuchten Proben entsprachen 46 Prozent nicht den EU-Richtlinien. Demnach war Quote an Fälschungen mehr als dreimal so hoch wie die im letzten EU-Kontrollbericht im Untersuchungszeitraum 2015 bis 2017. Damals waren nur 14 Prozent der Proben negativ aufgefallen [1]. Auf die gesamte EU hochgerechnet war nahezu jedes zweite eingeführte Honigprodukt verfälscht.

Für ein Glas mit 500 Gramm Honig müssen Bienen 120.000 Kilometer fliegen. Das hat seinen Preis. Laut Financial Times ist der europäische Markt für Honig 2,3 Milliarden Euro wert. Dabei werde nur 40 Prozent des Honigbedarfs in Europa von Imkern aus der EU gedeckt.

Die Nachfrage ist groß, davon profitieren die Fälscher. Sie fluten Europa mit Zuckersirup, den sie vorher umetikettieren und billig verkaufen. Dieser gestreckte "Honig" ist sehr viel billiger als der, der in der EU nach strengen Richtlinien produziert wird. Laut der Verbraucherorganisation Foodwatch kostet importierter Honig im Schnitt 2,17 Euro pro Kilo, Zuckersirup hingegen nur 40 bis 60 Cent pro Kilo. Das schadet den Imkern und täuscht die Konsumenten. Die Chance, erwischt zu werden, ist relativ gering.

Zwanzig EU-Länder fordern daher eine genauer Kennzeichnungspflicht mitsamt strengeren Kontrollen. Außer mehr Stichproben verlangen sie genauere Angaben zu den Herkunftsländern.

Zwar ist in einer eigenen Honigverordnung genau festgelegt, was als Bienenhonig verkauft werden darf. Im Sinne dieser Verordnung ist Honig [2] "der natursüße Stoff, der von Bienen der Art Apis mellifera erzeugt wird, indem die Bienen Nektar von Pflanzen, Absonderungen lebender Pflanzenteile oder auf den lebenden Pflanzenteilen befindliche Sekrete von an Pflanzen saugenden Insekten aufnehmen, diese mit arteigenen Stoffen versetzen, umwandeln, einlagern, dehydratisieren und in den Waben des Bienenstockes speichern und reifen lassen."

In der Praxis sieht das jedoch anders aus: Vier von fünf Gläsern aus dem Supermarkt sind aus Produkten inner- und außerhalb der EU zusammengemischt. Wer genau wissen will, woher sein Honig kommt, kauft daher am besten direkt bei einem Imker seines Vertrauens.

Verwässerter Allerweltshonig im Supermarkt

Die Honige einer Marke sollen immer gleich schmecken. Oft steht auf der Verpackung nicht einmal der Erdteil, auf dem der Honig geerntet wurde. Auf dem Etikett steht dann zum Beispiel nur "Aus EU- und Nicht-EU-Ländern".

Das bedeutet, dass dieser Honig von überall herkommen kann, etwa aus der Türkei, erklärt eine Imkerin [3] aus der Oberpfalz gegenüber dem BR. Dabei werde nicht darauf geachtet, ob er wirklich rein und sauber ist. So können zum Beispiel auch Spuren von Krankheiten der Bienen enthalten sein.

Für gewöhnlich lassen große Honigproduzenten jede einzelne Charge, die in den Handel geht, qualitativ im Labor untersuchen, wobei sie sich an den "Leitsätzen für Honig [4]" und der "Deutschen Honigverordnung [5]" orientieren. Denn Deutscher Honig unterliegt scharfen Kontrollen und Auflagen.

Unter anderem sind in Sortenhonigen Mindestmengen für Pollen vorgegeben. So dürfen "Premium"- oder "Auslese"-Honige bestimmte Hitze-Parameter nicht überschreiten. Auch muss auf Honigen ein Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben sein. Allerdings sei bei richtiger Lagerung – an einem kühlen, trockenen, dunklen und und geruchsneutralem Ort – der Honig über Jahre hinweg ohne Qualitätseinbußen lagerfähig [6], betonen Experten vom Laves Institut für Bienenkunde in Celle.

Ein hoher Zucker- und geringer Wassergehalt verhindern zusammen mit keimhemmenden Wirkstoffen, dass sich Bakterien und andere Mikroorganismen vermehren können.

Oft senden Honigfälscher die Proben an die Labore, um deren Analysemöglichkeiten zu testen. Auf diese Weise finden sie heraus, ob ihre Honigfälschungen bei den üblichen Handelsanalysen auffliegen würden. Auf großen chinesischen Online-Handelsplattformen werde zum Beispiel industriell erzeugte Fruktose-Sirups zur Streckung von Honig angeboten. In der Produktbeschreibung wird dann detailliert beschrieben [7], welche Labortests damit bestanden werden.

Mit speziellen Methoden gehen Imker gegen Fälschungen vor

Für billigen gepanschten Honig gibt es einige Indizien. Den ersten Hinweis liefert der Preis: Bei einem Honigglas zu drei Euro sollte man misstrauisch werden. Ein zweiter Hinweis ist, wenn der Honig nicht kristallisiert. Falscher Honig wird nicht dickflüssig. Reiner Honig hingegen enthält das Enzym Glukoseoxidase, das dem Honig auf Dauer Wasser entzieht. Dies wiederum führt dazu, dass sich Kristalle bilden. Verbraucherschützorganisationen fordern seit Langem genauere Angaben [8].

"Die Betrüger nutzen die Lücken in der Lebensmittelüberwachung schamlos aus", kritisiert etwa Chris Methmann von Foodwatch Deutschland. "Erst mit moderneren Analysemethoden können Kontrollbehörden Fälschungen erkennen und dafür sorgen, dass sie vom Markt verschwinden." Foodwatch fordert die Bundesländer auf [9], die Labore bei der Umrüstung auf modernere Kontrollmethoden finanziell zu unterstützen.

Nektar gehört laut dem Deutschen Berufsimkerbund zu den weltweit am meisten verfälschten Lebensmitteln. Häufig werde reiner Honig mit Zusätzen gestreckt. So werden Farbstoffe oder Fremdpollen hinzugefügt. Dann ist der Honig nicht mehr sortenrein, wird aber als solcher gekennzeichnet.

Um Fälschungen besser zu erkennen, startete der Deutsche Berufs- und Erwerbsimker Bund (DBIB) gemeinsam mit dem Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI) ein Forschungsprojekt [10] zum Nachweis der Authentizität von Honig.

Mit einem speziellen Verfahren werden über Massenspektrometrie natürliche Enzyme erfasst, die von den Bienen dem Honig während der Reifung zugesetzt werden. Dafür stellen Imker die nötige Auswahl an verschiedenen Blütenhonigen diverser Bienenrassen zur Verfügung. Ziel ist eine umfangreiche Referenzliste mit nur in reinem Honig natürlicherweise vorkommenden Enzymen.

Honige zu verfälschen, werde somit künftig immer kostenaufwendiger und schwieriger, da die in naturbelassenem Honig vorkommenden Enzyme nur sehr schwer im Industrielabor nachzuahmen seien, hoffen die Imker.

EU ist auf Importe angewiesen

Rund 218.000 Tonnen werden jährlich in der Europäischen Union produziert, dazu kommen 175.000 Tonnen vor allem aus China, der Ukraine, der Türkei und Lateinamerika. Die Deutschen essen im Schnitt pro Kopf mehr als ein Kilo im Jahr – also etwa zwei große Gläser.

Weil deutsche Imker den inländischen Bedarf nicht decken können, werden rund 80 Prozent des Honigs importiert – jedes Jahr rund 80.000 Tonnen. 12.000 bis 13.000 Tonnen kommen jeweils aus Argentinien, Mexiko und der Ukraine. China importiert rund 5.000 Tonnen. Wo der Honig genau herkommt, müssen Produzenten nicht angeben.

Der weltweit größte Honigproduzent und -exporteur ist China mit knapp einer halben Million Tonnen und 132.000 Tonnen Ausfuhren pro Jahr. In der Regel wird der Honig unreif aus den Stöcken entnommen [11]. So können die Bienen die Waben gleich wieder neu mit Nektar befüllen und so immer mehr davon produzieren. Die notwendige Trocknung des Honigs übernehmen dann Maschinen in der Fabrik.

Der hohe Wasseranteil in dem noch unreifen Honig ist allerdings idealer Nährboden für die Hefebildung während langer Transportwege. Das wiederum kann zur Gärung führen. Dies ist an der starken Schaumbildung und dem alkoholischen Geruch direkt nach dem Öffnen zu erkennen.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.agrarheute.com/land-leben/betrug-gefaelschter-honig-flutet-europa-605031
[2] https://orf.at/stories/3313433/?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
[3] https://www.bayern3.de/jeder-zweite-honig-ist-gestreckt-fake-nicht-echt-untersuchung-eu
[4] https://deutscherimkerbund.de/userfiles/downloads/satzung_richtlinien/Erlaeuterungen_neue_Leitsaetze_Honig.pdf
[5] https://deutscherimkerbund.de/userfiles/downloads/satzung_richtlinien/Honigverordnung_02_18.pdf
[6] https://www.laves.niedersachsen.de/startseite/lebensmittel/lebensmittelgruppen/honig/honig-ein-wertvolles-naturprodukt-richtig-lagern-117338.html
[7] https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Honig-In-Deutschland-selten-ein-regionales-Produkt,honig374.html
[8] https://www.verbraucherzentrale-mv.eu/pressemeldungen/lebensmittel/honig-herkunftsangabe-oft-nicht-eindeutig-61020
[9] https://www.foodwatch.org/de/eu-report-jeder-zweite-importierte-honig-ist-moeglicherweise-gefaelscht
[10] https://berufsimker.de/deutscher-berufs-und-erwerbs-imker-bund-schuetzt-verbraucherinnen-vor-verfaelschtem-honig-im-supermarktregal/
[11] https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Honig-In-Deutschland-selten-ein-regionales-Produkt,honig374.html