In China nimmt der Druck auf Kritiker zu

Verhaftungen und Nachrichtensperren

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Am 4. Juni vor 10 Jahren fand das Massaker am Tienanmen-Platz in China statt und die chinesischen Behörden scheinen trotz der gegenwärtigen, kräftig von den staatlichen Medien aufgeheizten nationalistischen Stimmung dank der NATO-Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad und dem Streit über den Spionagevorwurf nervöser zu werden.

So wurde neben anderen Bürgerrechtlern Jiang Qisheng, der bereits 1989 die Massendemonstrationen mit organisierte und dafür mehr als ein Jahr Gefängnisstrafe verbüßen mußte, am 18. Mai allein deswegen in Bejing verhaftet, weil er dazu aufrief, am 4. Juni Kerzen anzuzünden, um an die Ermordeten zu erinnern. Am Montag mußte seine Familie, wie Human Rights in China bekanntgab, Geld und Kleider der Polizei übergeben, was auf eine längere Haftstrafe und vielleicht eine Einweisung in einer Arbeitslager hindeutet. Die Polizei kann ohne Prozeß Menschen bis zu drei Jahren in Arbeitslager einsperren.

In Wuhan wurden zwei Studenten festgenommen, die ein Plakat an der Technischen Universität von Huazhong anbrachten, auf dem sie forderten, daß die Regierung die Demonstration am Tianenmen-Platz nicht länger als einen gegen die Regierung gerichteten Aufstand bezeichnen.

Prodemokratische Gruppen in den USA, Kanada, Großbritannien und Hong Kong forderten am Dienstag in einem offenen Brief die chinesische Regierung auf, alle politischen Gefangenen freizulassen und die Niederschlagung der Proteste durch das Militär zu untersuchen. Für die Hunderten oder gar Tausenden von Ermordeten wird eine Entschädigung und eine Beendigung der Verfolgung von jenen gefordert, die zu Gedenkfeiern aufrufen. In den letzten Wochen wurden Dutzende von Dissidenten von der Polizei verhaftet, die Gedenkfeiern organisieren wollen: "Diese Chinesen üben nur ihre verbrieften Rechte aus, wenn sie Gedenkfeiern für den 4. Juni vorbereiten, organisieren und für sie werben. Sie begehen keine ungesetzlichen Tätigkeiten." Die derzeitige Verfolgung stelle nur eine Fortsetzung des damals ausgeführten Terrors dar.

Amnesty fordert, daß die chinesische Regierung endlich einen "abschließenden und vollständigen Bericht über alle Getöteten und Verletzten vorlegen, die Angehörigen der Opfer entschädigen und die immer noch in Haft Sitzenden freilassen" soll. In einem eben erschienen Bericht von Amnesty werden die Fälle von 10 Menschen genauer dokumentiert, die wegen der prodemokratischen Proteste 1989 eingesperrt wurden. Weitere 241 Menschen werden mit dem Hinweis genannt, daß die wirkliche Zahl derer, die sich immer noch in den Gefängnissen befinden, viel größer sei. So wurde der 15-jährige Liu Xin verhaftet, obgleich er sich angeblich nur eine Demonstration in Shaoyang anschauen wollte. Er wurde wegen "Brandstiftung" zu einer Gefängnisstrafe von 15 Jahren verurteilt. Wenn er im Jahr 2004 entlassen wird, hat er die Hälfte seines Lebens im Gefängnis zugebracht.

Angeblich habe, so Amnesty, die Polizei prodemokratische Aktivisten festgenommen und versucht, sie zu zwingen, ein Versprechen zu unterzeichnen, an keinen Gedenkfeiern teilzunehmen.

In Shanghai wurde es telefonischen und computerbasierten Informationsdiensten zu Beginn dieser Woche verboten, Nachrichten zu übermitteln. Angeblich hätten einige Dienste Pornographie und gegen den Staat gerichtete Informationen übersendet. Die Post- und Telekommunikationsbehörde von Shanghai setzte 131 Informationsdienste davon in Kenntnis, ab sofort für eine bestimmte Zeit keine Nachrichten mehr zu senden. Jeder, der politische Nachrichten auf einer Website veröffentlichen will, muß erst die Genehmigung der Stadtbehörden erhalten.