Indischer Robin Hood?

Unruhen in Bangalore nach Entführung von Bollywood-Star

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Es klingt wie ein Filmplot: Indiens berühmtester Krimineller, Veerappan, der als König des Elfenbein- und Sandelholzschmuggels gilt, entführte einen von Indiens berühmtesten Filmstars, Rajkum

Veerappan, gegen den mehr als 150 Mord- und mehr als 50 Entführungsanklagen laufen, versteckt sich seit 1986 in den unzugänglichen Dschungelgebieten zwischen Tamil Nadu und Karnataka. Er wird zwar von der Regierung als Massenmörder gesucht, genießt aber bei Teilen der Dörfler in der Region (ebenso wie er meist der niedrigen Vanniyar-Kaste zugehörig) großes Ansehen, weil er unter ihnen Hilfen verteilt. Die Dörfbevölkerung argumentiert, dass die von Veerappan Getöteten allesamt Soldaten und Polizisten seien, die Veerappan nur in Ausübung seines Rechts auf Selbstverteidigung tötete. Ironischerweise war das Leben Veerappans Vorbild für mehrere indische Filme, zuletzt für Ramgopal Varmas "Jungle"

Rajkumar ist ein Star des kannadasprachigen Kinos, der seit 1954 in mehr als 210 Filmen spielte - unter ihnen Kassenschlager wie "Bangarada Manushya", ein Film der über ein Jahr lang in indischen Kinos lief. Er verkörperte neben anderen Rollen auch harte Polizisten. Er besitzt mehrere Farmen, eine davon in einem Dorf im Bundesstaat Tamil Nadu, 225 Kilometer südlich von Bangalore, direkt an der Grenze zu Karnataka. Zusammen mit etwa zehn bewaffneten Komplizen drang Veerappan in diese Farm Rajkumars, der mit seiner Familie gerade beim Fernsehen saß, ein, und entführte den 72-jährigen zusammen mit drei Verwandten. Bei der Ehefrau Rajkumars hinterließ er eine Tonbandkassette mit einer Botschaft für die Regierung.

Als die Nachricht von Rajkumars Entführung in seinem Heimatstaat Karnataka bekannt wurde, brachen in der Hauptstadt Bangalore, auch bekannt als Indiens Software-metropole, am Montag Unruhen aus. Zehntausende von Rajkumar-Fans demonstrierten auf den Straßen der Stadt, Autorikschas wurden angezündet und Zeitungsredaktionen mit Steinen beworfen. Verschiedene Zeitungen hatten sich in der Vergangenheit immer wieder mit Veerappan zu Interviews getroffen und ihm ein Forum verschafft. Eine Person starb an Stichverletzungen. Ein Generalstreik zum Protest gegen Rajkumars Entführung wurde ausgerufen, die meisten Geschäfte in Bangalore blieben Dienstag geschlossen, auch der Busverkehr blieb eingestellt. Karnatakas Ministerpräsident S.M. Krishna hatte die Schulen und Universitäten bereits am Montag schließen lassen. 8000 Polizisten wurden zur Wiederherstellung der Ordnung abgestellt. Rajkumar wird in Bangalore von einer Vielzahl von Fans frenetisch verehrt. Bereits vor einiger Zeit hatte ein Gerücht, dass Rajkumar einem Herzanfall erlegen sei, das Leben in der Stadt erheblich beeinträchtigt.

Filmstars gelten vor allem in Südindien als Verkörperung der Hoffnungen vieler einfacher Menschen. Zwar kam es noch nicht soweit wie in Amerika, wo ein Filmschauspieler Präsident werden konnte, aber N.T. Rama Rao brachte es immerhin vom beliebtesten Götterdarsteller des tamilsprachigen Films zum Ministerpräsidenten des Bundesstaates Tamil Nadu. Maßgeblich für seinen politischen Erfolg war unter anderem der Film "Bobbili Puli" ("Der Tiger von Bobbili"), eine Art indischer "Rambo." Ein weiteres Beispiel ist die Schauspielerin Jayalalalitha und ihre Partei, wegen der die letzte indische Regierungskoalition platzte.

Regierungsorgane teilten mit, dass sich Veerappan (der wie Rajkumar das Statussymbol nur eines Namens trägt) im Austausch gegen den Schauspieler eine Amnestie erkaufen möchte. Bisherige Versuche waren daran gescheitert, dass die von ihm entführten Personen nicht wichtig genug waren, als dass seine Forderungen ernst genommen worden wären. Mit der Entführung von Rajkumar scheint er seinem Anliegen nun Gehör verschafft zu haben. In der Vergangenheit hatte Veerappan mehrmals Regierungsbeamte entführt, sie aber nach verzögerten Verhandlungen immer wieder freigelassen. Aus anderen Quellen verlautete, dass Veerappan 25 Millionen Rupien Lösegeld fordere.