Intelligente Gebäude?

Daß ich nicht lache.

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Ein sicheres Zeichen für das Ende der Rezession ist die Form, wie der Begriff "intelligente Gebäude" sein Comeback gefeiert hat. Zuerst kam er in den frühen 80er Jahren in Mode, als Architekturzeitschriften Gebäudezeichnungen zu veröffentlichen begannen, die wie Diagramme von Schaltkreisen aussahen. Danach schienen Gebäude mit Gehirnen nicht mehr aufzuhalten zu sein. Ihr Höhepunkt war "Big Bang", als die City von London auf der Suche nach Wachstum alles begierig aufsaugte.

Zu jener Zeit war die Informationstechnologie wie Ecstasy. Man konnte kaum eine Zeitung öffnen, ohne daß streng aussehende Menschen wie Bob Horton die Grundlagen für die 24-Stunden-Geschäftswelt, das Börsensystem Taurus und die neue Technologie in Broadgate und Canary Wharf legten.

Aber nur ein Jahr nach "Big Bang" gab es den "Schwarzen Montag". Die Börsen der Welt brachen zusammen und der Immobilienmarkt begann zu taumeln. Zu was sollte man erhöhte Geschosse und Stockwerkgrößen gebrauchen, die mit der Saint Paul's Cathedral konkurrierten, wenn man das Taurussystem aufgegeben hat und in der Innenstadt Jobs wie aus einem durchlöcherten Tank entstanden? In den boomenden 80er Jahren wurden von den wachsenden Finanz- und Unternehmensdienstleistern in London 180000 neue Jobs geschaffen. Drei Jahre nach dem Zusammenbruch der Börse sind mehr als 50000 dieser Jobs wieder verschwunden gewesen.

Der letzte Mann, der das sinkende Schiff verließ, war Paul Reichmann, der Entwickler von Canary Wharf. Er begann 1988 seinen Supertanker eines intelligenten Gebäudes zu bauen, als das Packeis schon am Horizont drohte. Reichmann dachte, daß er wisse, was er macht. Sein 230 Meter hoher Wolkenkratzer sollte so schnell gebaut werden, daß er jede Rezession hinter sich lassen würde. Schon zwei Jahre nach dem Baubeginn, zogen die ersten Mieter ein.

Canada Square Nummer Eins war ein Phänomen. In einem Gebäude gab es soviel Büroräume wie im gesamten ursprünglichen Stadtviertel Broadgate. Es gab Geschäftsräume mit einer Höhe von nahezu sechs Metern, auch wenn sie letztlich wie normale Büroräume eingerichtet waren - mit einem hübschen Höheneffekt zwischen Boden und Fenster, was man noch immer von außen sehen kann. Aber es half alles nichts. "Wenn du so intelligent bist", mußte Reichmann sein großes Gebäude angeschrien haben, als die Konkursverwalter 1992 kamen, "warum hast du mich dann nicht reich gemacht?"

Charles Darwin kannte die Grenzen der Intelligenz. Er wußte, daß es für keine Art einen Sinn macht, seine eigene Umwelt zur Unterwerfung zu zwingen. Die Umwelt legt die Regeln fest. Wenn die Art gedeiht, dann ist es schön. Wenn nicht, dann gibt es keine Beschwerdeinstanz und keine Entschädigung. Sieht man Canary Wharf als ein gigantisches Werk des industriellen Designs, das einem groß angelegten Gestell für eine Stereoanlage gleicht, dann war es ein Triumph. Als Instrument zur Bereicherung war es hingegen ein Desaster, das seinen Erbauer in die Pleite trieb. Seine "Intelligenz" war kein Schutz gegen die Eiszeitökonomie. Nach dem Schiffbruch von Olympia und York verließ ein Großteil des Entwicklerteams die Docklands und ging nach China, um dort "intelligente Gebäude" zu bauen.

Die einzige Möglichkeit, wie Reichmann den Zusammenbruch von Canary Wharf hätte überstehen können, würde eine konzeptuelle Revolution erfordert haben, die heutzutage ihre Schatten durch "hot-desking" und "in-car-working" vorauswirft. Er hätte, um sein alternatives Finanzzentrum zu errichten, lediglich ein paar Schilling in Sandwich-Bars für BMWs ausgeben müssen, die mit Informationstechnologie ausgestattet sind. Auf diese Weise hätte sein "intelligentes Gebäude" sich zerstreuen können, als der Crash kam. Vielleicht wäre es dann in einem Banger-Rennen geendet oder wäre in edle Messer oder Gabeln recycelt worden. Wenn intelligente Häuser so dumm sind, daß sie nicht einmal mit der Ökonomie mitkommen können, wie intelligent können sie dann wirklich sein?