Internet-Filter für diskriminierende Webpages

Ein politisch korrektes Netz?

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Die US-amerikanische Bürgerrechtsorganisation Anti-Defamation League bietet in ihrem Kampf gegen die Diskriminierung auf dem Internet neben Berichten und einer permanenten Überwachung jetzt mit dem ADL HateFilter eine Version von CyberPatrol an, um Websites auszufiltern, die nach Ansicht der Organisation Haß, Bigotterie oder sogar Gewalt gegen Juden oder andere Gruppen wegen ihrer Religion, Rasse, Ethnie, sexuellen Orientierung oder anderen "unveränderlichen" Eigenschaften propagieren.

Natürlich sollen wieder einmal die Kinder vor der bösen Welt geschützt werden und nur in einem politisch korrekten Internet surfen. Mit bunten Animationen, Musik und Video, die das wirkliche Gesicht des Hasses verbergen, werden die Kinder online verführt und beeinflußt. Die dunklen Seiten der Technik würden mit der Verbreitung des Internet mitwachsen: "Für die heutige Jugend ist der Computer, was für die Baby Bommer der Fernseher gewesen ist", sagt ADL-Vorstand Howard P. Berkowitz. "Weil das Internet interaktiv ist, kann es auch heimtückischer wirken. Der Computer ist ein Haushaltsgegenstand, durch den Kinder Zugang zu Millionen von Websites haben, darunter auch zu solchen von der White Aryan Resistance, dem Ku Klux Klan und Gruppen, die den Holocaust leugnen. Online werden die Kinder mit Informationen und Desinformationen bombardiert. Die Herausforderung, die vor uns liegt, ist die Schaffung einer Atmosphäre der Verantwortung im Internet und das Anbieten einer Landstraße auf der Infobahn mit dem ADL Hatefilter."

Mit dem kostenlos angebotenen "Haßfilter" können Eltern bestimmte Webseiten mit der Datenbank von CyberPatrol und einer eigens von ADL aufgebauten, permanent aktualisierten Datenbank für ihre Kinder blockieren. Wird eine Seite blockiert, so können die Eltern mit ihren Kindern eine angegebene ADL-Site besuchen, auf der sie Informationen erhalten. Durch Eingabe des Passwortes seitens der Eltern lasse sich die blockierte Seite auch wieder öffnen, so daß sie mit den Kindern besprochen werden könne.

Wie allen solchen Filtern wird versucht, technisch ein Problem zu lösen, das so natürlich nicht zu lösen ist. Surfen Kinder und Jugendliche schon alleine und unbeaufsichtigt durch das Netz, so sollen sie wenigstens vor den dunklen und bedrohlichen Aspekten nach der Devise bewahrt werden, daß es nicht gibt, was man nicht sieht. Ebenso wie man in seinen bürgerlichen und oft bewachten Gettos lebt und kaum Kontakt zu anderen Gesellschaftsschichten hat, so sollen auch die Medien die unerwünschten Bereiche der Gesellschaft ausblenden. Eine Auseinandersetzung wird mit derartigen Filtern aus dem Weg gegangen - und die Diskriminierung verschwindet damit keineswegs aus der Welt. Die Medien haben die nicht nur erfreuliche Eigenschaft, die Öffentlichkeit ins Haus zu holen, dessen Wände und Lage die Bürger vor unerwünschten Wahrnehmungen und Begegnungen sichern. Daher betont Abraham Fox, ADL-Direktor, daß man versucht habe, Haß wegzuschließen, während er jetzt auf unerwartete Weise mit dem Internet direkt ins Haus gelangt.

Gleichzeitig sind solche Filter wiederum ein technischer Kompromiß, weil das First Amendment der US-amerikanischen Verfassung weitgehende Meinungsfreiheit garantiert und auch erlaubt, daß extreme Ansichten verbreitet werden können. Deswegen betont ADL auch, daß der HateFilter keineswegs die Meinungsfreiheit zu beschränken sucht. Haßseiten können ungehindert weiter veröffentlicht werden, nur den Eltern - und vielleicht auch Behörden, Schulen oder Bibliotheken - werde ein Mittel in die Hand gegeben, unerwünschte Inhalte zu zensieren. Hundertprozentigen Schutz gewähre der Filter zwar nicht, aber er sei doch, wie Foxman meint, bessere als nichts. Was autoritäre Staaten aus Gründen der Machterhaltung machen, wird über Filter "im Namen der Kinder" von den Bürgern mit reinem Gewissen selbst betrieben.