Ionen-Strahl statt Samt

Neues Verfahren zur Herstellung von Flüssigkristallanzeigen

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Ein Forscherteam von IBM hat ein neues und bahnbrechendes Verfahren entwickelt, um die Herstellung von Flüssigkristallanzeigen (LCD) sauberer und kostengünstiger zu gestalten.

Praveen Chaudhari vom IBM's Watson Research Center in Yorktown Heights, New York, und seine 26 Co-Autoren berichten in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift Nature von einem neuen Herstellungsverfahren, das die Ausrichtung der einzelnen Flüssigkristalle ohne Berührung der Oberfläche erlaubt. Flüssigkristallanzeigen, umgangssprachlich meist nach dem englischen Kürzel LCD (liquid-crystal display) genannt, müssen in möglichst klinisch sauberen Umgebungen mit Hilfe verschiedener Roboter gesteuerter Prozesse hergestellt werden. Flüssigkristalle sind einzigartig, denn sie nehmen eine Stellung zwischen flüssiger und fester Materie ein. Sie sind zwar nicht wie herkömmliche Kristalle dreidimensional periodisch angeordnet, aber auch nicht isotrop wie Flüssigkeiten. Die Anordnung der Moleküle ist in bestimmten Richtungen durch ein Regelmaß festgelegt, in anderen Richtungen jedoch beweglich. Dadurch haben sie bemerkenswerte und technologisch verwertbare Eigenschaften.

Flüssige Kristalle sind bereits seit 1888 bekannt. Aber erst 1963 entdeckte der Physiker Williams, dass die Lichtdurchlässigkeit von Flüssigkristallen elektrisch geschaltet werden kann. In den siebziger Jahren gab es in Japan die erste Serienfertigung mit Hilfe der Flüssigkristall-Technologie.

Spezielle Flüssigkeitskristalle können die Polarisationsrichtung von Licht beeinflussen, im Bildschirm werden sie zu einer hauchdünnen Schicht zwischen zwei Glasplatten. Die Flüssigkristalle richten sich durch elektrische Felder aus. Eine Flüssigkristallanzeigen besteht aus zwei gekreuzten Polarisatoren, also Polarisatoren, die senkrecht zueinander ausgerichtete Polarisationsachsen besitzen. Zwischen beiden befindet sich ein Paar transparenter Elektroden, die den Flüssigkristall einschließen. Wird ein Flüssigkristall unter elektrische Spannung gesetzt wird, dann lässt er Licht unverändert passieren, ohne Spannung dreht er seine Polarisationsachse um 90°. Das durchfallende Licht (bei Computern: durch eine Lichtquelle dahinter) wird bei den Monitoren in einzelne Pixel aufgeteilt, die durch Transistoren gesteuert werden. Das angelegte Spannungsmuster ergibt dann die Bildinformation.

Die Ausrichtung der Flüssigkeitskristalle wird heute üblicherweise durch Polymer-Schichten gewährleistet, die auf dem Glas aufgebracht sind. Der Lichtdurchfall soll durch die Transistoren möglichst wenig beeinträchtigt werden, deshalb werden sie auf extrem dünne und transparente Halbleiterscheiben geätzt.

Die Produktion von LCDs ist technologisch schwierig und das bestimmt auch ihren immer noch relativ hohen Preis. In seinem Begleitartikel in Nature schildert Jos van Haaren von den Philips Research Laboratories in den Niederlanden, mit welcher Methode bisher die Moleküle der Kristalle ausgerichtet werden - und das in klinisch wirkenden Produktionsräumen, in denen alle Angestellten Ganzkörperanzüge tragen:

But deep inside the LCD factories, an old, mysterious and dirty process continues to be used to controll the orientation of the liquid crystal molecules, and hence the clarity of the displays. At a crucial point in the production, a velvet cloth wrapped around a roller is rubbed across a surface that in turn aligns the crystals.

Seit langem wird ein besseres Verfahren gesucht, aber bisher hatte sich keines durchsetzen können. Bis zu einer Million Bildpunkte müssen in einem modernen LCD-Bildschirm möglichst genau zu den Polarisationsfiltern ausgerichtet werden, um ein scharfes Bild zu gewährleisten. Nicht zuletzt durch das altmodisch anmutende Verfahren der Molekülausrichtung ist die Produktion extrem fehleranfällig und die Ausschussrate enorm.

Chaudhari und Co. wollen das Samttuch durch einen Ionenstrahl (ion-beam) ersetzen, der kontaktlos das Ausrichten ermöglicht und damit eine sowohl von Staub wie von Fusseln freie Arbeitsumgebung. Zudem wird die Polymerschicht durch eine Diamant-ähnliche-Schicht (DLC, diamond-like carbon) ersetzt. DLCs haben herausragende Eigenschaften wie hohen elektrischen Widerstand, große Härte, gute Wärmeleitfähigkeit und niedrigen Reibungskoeffizient. Deshalb eignen sie sich besonders gut als Schutz- und Wärmeleitschichten auf Halbleitern und verschiedenen anderen Materialien.

Das Zusammenspiel von DLC und Ionenstrahl garantiert bei dem neuen Verfahren, dass die Fehler- und Ausschussquote in der Flüssigkristallanzeigen-Produktion entscheidend gesenkt werden könnte. Das Wissenschaftler-Team hat Prototypen gebaut und zeigt sich zufrieden:

Using this approach we have produced both laptop and desktop displays in pilot-line manufacturing, and found that displays of higher quality and reliability could be made at a lower cost than the rubbing technique.

Und auch Jos van Haaren ist zuversichtlich: "The results give manufacturers all over the world a new option to consider when building future factories." Weitere Studien und Probephasen werden sicher folgen, bevor Firmen ihre Produktion gemäß den neuen Erkenntnissen umstellen. Aber es geht um einen Riesenmarkt: von den Displays in Uhren, Handys und Taschenrechnern bis zu Computerbildschirmen sind Flüssigkristallanzeigen sehr gefragt. Ein kalifornisches Marktforschungsinstitut sagt den Flachbildschirmen eine Steigerungsrate um 40 Prozent jährlich voraus. Das Haupthindernis für die Konsumenten ist bisher der hohe Preis. Herkömmliche Bildschirme sind bei gleicher Qualität und Größe wesentlich billiger. In den USA sind die Preise für die LCD-Monitore schon stark gefallen und auch in Deutschland haben Überkapazitäten zu günstigeren Angeboten geführt (Vgl. Heise Newsticker:Sinkende LCD-Preise sorgen für Turbulenzen). Das neue Herstellungsverfahren wird voraussichtlich auch die Produktion von großen Flachbildschirmen wesentlich vereinfachen und sie damit für den Endverbraucher günstiger machen.