Iran-Israel: Von der Liebesbeziehung zu Todfeinden

Iran und Israel haben keine gemeinsame Grenze, haben niemals direkt Krieg miteinander geführt und keine gegenseitigen territorialen Ansprüche

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Unter der Pahlavi-Herrschaft und besonders seit dem Beginn der Sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts pflegten Israel und der Iran intensivste Beziehungen, welche seinerzeit mit Recht als eine Art strategische Allianz charakterisiert wurden. Obwohl zwischen beiden Staaten damals nur informelle Beziehungen bestanden, pflegte man auf dem internationalen diplomatischen Bankett das Bonmot von "einer Liebesbeziehung ohne Heiratsurkunde ".

Iran ist ein schiitisch, nichtarabischer Staat in einer überwiegend sunnitischen und arabischen Region, mit einer reichen Geschichte von Konflikten und Kriegen mit seinen arabischen und auch nicht arabischen muslimischen Nachbarn. Aufgrund dieser geografischen und ethnokulturellen Rahmenbedingungen, der permanenten Bedrohung seitens der früheren UdSSR und unter dem Aspekt der außenpolitischen Westorientierung des Pahlavi-Regimes betrachtete man damals in Teheran Israel als einen natürlichen Verbündeten.

Israel, welches in den Jahren nach der Staatsgründung ums Überleben kämpfte und sich um Anerkennung und Legitimität in der islamischen Welt bemühte, erkannte deshalb schon früh, dass Iran einen idealen Alliierten darstellt. Der vom damaligen ägyptischen Präsidenten militant propagierte Panarabismus wurde nicht nur in Tel Aviv, sondern auch in Teheran als ernstzunehmende Herausforderung interpretiert. Das vom ersten israelischen Ministerpräsidenten David Ben Gurion entwickelte Konzept der "peripheren Staaten" wurde umgehend so etwas wie ein außenpolitisches Credo Tel Avivs in den frühen Jahren des jüdischen Staates.

Israel war damals von feindseligen arabischen Staaten umgeben, deshalb war es nach Auffassung Ben Gurions zwingend erforderlich, freundschaftliche Beziehungen zu den Nachbarn der Nachbarstaaten aufzubauen , um die geografische Isolation in der Region zu überwinden. Zu diesen "peripheren Staaten" zählten neben dem kaiserlichen Iran auch die Türkei und Äthiopien. Diesbezüglich spielte der Iran für Israel eine besondere Rolle, schon aufgrund der geografischen und demografischen Größe, des ökonomischen Potentials und natürlich weil es sich um einen islamischen, nicht arabischen Staat handelte, welcher keinen Grund für eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem jüdischen Staat hatte. Die historische Erinnerung an den persischen Kaiser Kyros des Großen, der die babylonische Gefangenschaft der Juden beendete, spielte möglicherweise in der an Geschichtsmythen nicht armen Region auch eine Rolle.

Die engen Beziehungen beider Staaten wurden unmittelbar nach dem Sturz der Pahlavi-Dynastie beendet. Die Islamische Republik betrachtet Israel bis heute als Feindesland und als ein nicht legitimes Gebilde, dessen Existenz den nationalen Interessen als auch der Verbreitung der islamischen Revolution fundamental gegenübersteht. Die Wurzeln dieser feindseligen Haltung gegenüber Israel liegen unter anderem in Khomeinis Dogmen begründet.

In seinem Buch über die "Islamische Republik" behauptete Ayatollah Khomeini, dass der Islam von Anfang unter den Juden gelitten habe. Ferner thematisierte Khomeini die "Zionistische Herrschaft über Jerusalem" sowie die Tatsache das Israel als ein Brückenkopf des US-Imperialismus in der gesamten Region fungiere. Gegenüber der jüdischen Minderheit im Lande wurden nach der Revolution allerdings tolerantere Positionen formuliert. Khomeini konnte und wollte weder die neu begründete Loyalität der jüdischen Minorität ignorieren, noch die im Koran definierte Verantwortung muslimischer Herrscher gegenüber den Juden übergehen.

Am Vorabend der "Islamischen Revolution" von 1979 lebten schätzungsweise 100.000 Juden im Iran. Die Revolution und die Errichtung einer islamischen Theokratie waren eine tiefgreifende Zäsur und ein Desaster für die jüdische Gemeinde im Iran. Zwar kam es im Iran nicht zu antijüdischen Ausschreitungen wie in vielen arabischen Staaten, die Verfassung definiert Juden als Dhimmis, als Schutzbefohlene, und man ist bislang eifrig darum bemüht, die antizionistische Doktrin nicht auf die iranischen Juden zu übertragen, doch führte die Etablierung der Islamischen Republik und die damit einhergehende Ernennung des schiitischen Islams zur Staatsreligion zu einer graduellen Verschlechterung der Situation von religiösen Minderheiten.

Rund 75% der iranischen Juden haben seit der Revolution zusammen mit Millionen anderen Iranern das Land verlassen. Nach Ansicht von Prof. David Menashri, dem Vorsitzenden der Vereinigung der iranischen Juden in Israel, lebt insgesamt eine Viertelmillion Juden iranischer Herkunft in Israel. Menashri bezeichnet die Einwanderung iranischer Juden nach Israel als eine Erfolgsgeschichte. Neben dem ehemaligen Präsidenten Moshe Katzaw sei auch der ehemalige Verteidigungsminister Shaul Mofaz gebürtiger Iraner, sowie eine Reihe von bedeutenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Menashrie, der als einer der führenden Iran-Experten weltweit gilt, weist darauf hin, dass die Mehrzahl der Juden, die den Iran verlassen haben, nicht nach Israel, sondern in die USA gezogen sind, und dort speziell nach Los Angeles, dem globalen Zentrum der iranischen Diaspora.

Vor dem Hintergrund dieser historischen Entwicklung sind die in letzten Jahren von den iranischen Machthabern geäußerten Tiraden gegen Israel und das institutionalisierte Geschichtsverständnis Europas als eine Konstante der iranischen Außenpolitik zu erklären und stellen kein Novum dar. Dem amtierenden israelischen Premierminister Benjamin Nethanjahu sind die intimen Kenntnisse des Nahen und Mittleren Ostens sowie die geostrategische Ausgangslage der Region weit weniger bekannt als dem Staatsgründer David Ben Gurion.

In seiner Ansprache vor beiden Kongresskammern in Washington hat der israelische Premierminister Benjamin Nethanjahu die Gefahr eines atomar bewaffneten Irans - wie gewöhnlich- als das größte Sicherheitsrisiko für sein Land interpretiert - trotz des Aufstiegs der radikalsunnitischen IS-Brigaden fast vor den Toren desjüdischen Staates. Was die Gefahr eines iranischen Atomprogramms angeht, so hat ihm eine Reihe von profilierten Experten im eigenen Land schon öfter widersprochen. So stellte der ehemalige Mossad Chef Meir Dagan vor einigen Jahren fest, als Nethanjahu eine militärische Option gegen Teheran thematisierte, dass ein israelischer Angriff auf iranische Anlagen die Atombombe nicht aufhalten würde. Der damalige Chef des Inlandsgeheimdienstes Juval Diskins verdammte die Iran-Politik Nethanjahus sogar in Bausch und Bogen. Ferner äußerte der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld: "Die Gefahr einer iranischen Atombombe wird permanent übertrieben."

Nethanjahus Rede vor dem Kongress ist vor diesem Hintergrund als Wahlkampfrede auf ausländischem Boden zu interpretieren. Ob die Likud-Partei Nethanjahus dadurch die sinkenden Umfragewerte aufhalten kann, bleibt fraglich. Laut israelischen Presseberichten fürchten viele Israelis durch Nethanjahus Rede in Washington eher eine Verschlechterung der Beziehungen ihres Landes zu den USA.