Iran-Wahl: Reformer Rohani gewinnt deutlich

Weißer Turban gegen schwarzer Turban: Hassan Rouhani (Foto: محمدصالح احتشامی.. Lizenz: CC BY-SA 4.0) und Ebrahim Raisi (Foto: Koorosh1234. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Hohe Wahlbeteiligung und bis Mitternacht geöffnete Wahllokale: Es stand viel auf dem Spiel

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Es ging um viel bei der gestrigen Präsidentschaftswahl in Iran. Das Land musste sich entscheiden zwischen der Fortsetzung von Hassan Rohanis Öffnungskurs oder einer erneuten Abschottung und Radikalisierung, für die der erzkonservative Ebrahim Raisi steht. Die Wahlbeteiligung war hoch. Schon am frühen morgen bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen.

Am frühen Abend wurde deren Öffnung bis Mitternacht verlängert. Gut 70 Prozent der Iraner gingen an die Urne - und die Stimmauszählung wurde zur Zitterpartie. Auch weil zu befürchten war, dass es erneut zu Wahlfälschungen kommen könnte wie im Jahr 2009, die zu einem landesweiten Aufstand führten, der brutal niedergeschlagen wurde.

In den Achtzigern hatte Raisi tausende politische Gefangene hinrichten lassen

Am frühen Morgen konnte dann aufgeatmet werden. Nach ersten Hochrechnungen liegt Amtsinhaber Rohani mit 58 Prozent der Stimmen deutlich vorne. Am Vormittag verkündete auch das Innenministerium Rohanis Sieg. Mit Raisi wäre ein Rückfall in düstere Zeiten zu erwarten gewesen. In den Achtzigern hatte er tausende politische Gefangene hinrichten lassen, vielen Iranern gilt er als Psychopath. Außerdem hatte er außenpolitisch einen offenen Konfrontationskurs mit Saudi-Arabien angepeilt.

Ähnlich wie Ahmadenejad hatte er den Wählern finanzielle Wohltaten versprochen, konnte damit aber keine Mehrheit überzeugen. Zu tief sitzt dem Land noch die Wirtschaftskrise im Nacken. Viele haben verstanden, dass einfache Antworten auf schwierige Fragen keine Lösung sind - und dass das Land vor allem in Hinblick auf die komplexe Weltlage einen besonnenen Präsidenten braucht.

Rohani hat seine Wähler vor allem in der jungen gebildeten Schicht und unter jungen Frauen. Mehrfach hatte er sich für Frauenrechte eingesetzt und dem religiösen Establishment offen widersprochen. Das kam gut an im Land. Auf der anderen Seite ist aber auch Rohani ein Vertreter des Systems, dessen innenpolitische Reformversuche nur zaghaft sind. So ist die Menschenrechtslage nach wie vor katastrophal. Regimekritiker landen regelmäßig im Gefängnis. Es gibt Folter. Und die Todesstrafe wird exzessiv angewandt - gut 530 mal allein im Jahr 2016.

Keineswegs freie und demokratische Wahlen

Auch wenn die Wahl ohne nennenswerte Zwischenfälle ablief, sollte man sich keine Illusionen machen: Es handelt sich hier keineswegs um freie und demokratische Wahlen. Der Einfluss der Wähler in Iran ist stark eingeschränkt, ebenso wie die Handlungsfreiheit von Parlament und Staatspräsident.

Über ihnen stehen der Wächterrat sowie Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei. Sie haben in allen politischen Belangen das letzte Wort, können jederzeit in die Regierungsarbeit eingreifen und auch Beschlüsse der Regierung blockieren. Sie entscheiden außerdem, wer für das Präsidentenamt kandidieren darf. Ernstzunehmende Systemkritiker hätten gar keine Chance, auf dem Wahlzettel zu landen.

Und so kam es, dass auch Ex-Präsident Mahmoud Ahmadinejad nicht erneut antrat. Bereits früh hatte er seine Kandidatur verkündet und sich ins politische Tagesgeschäft eingemischt. Doch zwischen ihm und Chamenei herrscht seit Jahren eine Eiszeit. Chamenei legte ihm nahe, auf die Kandidatur zu verzichten. Letztlich versuchte Ahmadinejad dann aber doch, sich registrieren zu lassen - und wurde abgelehnt. Ebrahim Raisi wurde unter den Hardlinern als möglicher Nachfolger des gesundheitlich angeschlgenen Chamenei gehandelt. Das dürfte sich nun mit der verlorenen Wahl erledigt haben.

Machtkampf

Trotz dieser Maßnahmen besteht auf der iranischen Führungsebene keineswegs Einigkeit. Seit Jahren tobt ein Machtkampf zwischen dem Lager der konservativen Hardliner um Chamenei und den gemäßigten Reformern, denen auch Hassan Rohani angehört. Der Begriff Reformer ist allerdings missverständlich.

Es handelt sich dabei nicht um Akteure, die die politische Struktur der Islamischen Republik infrage stellen. Auch die Akteure der Grünen Bewegung, die nach den Wahlfälschungen von 2009 den Aufstand probten, streben keinen fundamentalen Wechsel an, sondern wollen das Land innerhalb der Grenzen des bestehenden Systems reformieren.

Den Hardlinern geht das aber bereits zu weit. Ihnen sind die zaghaften Schritte der Öffnung, die Rohani unternommen hat, ein Dorn im Auge. Das von Rohani und seinem Außenminister Mohammad Djawad Sarif ausgehandelte Atomabkommen kritisieren sie beständig, obwohl es für ein Ende der Sanktionen gesorgt und Iran den Weg zurück in die internationale Staatengemeinschaft geebnet hat. Die in dem Kontext gemachten Zugeständnisse sehen sie als Schwäche gegenüber äußeren Feinden.

Zwölf Journalisten festgenommen

Es ist daher sicher kein Zufall, dass erst im März zwölf dem Reformerlager zugeneigte Journalisten festgenommen wurden. Der inneriranische Kampf wird hart geführt. Dass es weder eine Gewaltenteilung noch eine rechtsstaatliche Ordnung gibt, wird nicht nur Regimegegnern, sondern auch missliebigen Akteuren innerhalb des Regierungsapparates immer wieder zum Verhängnis.

Iran ist, obwohl mit Abstand das stabilste Land der Region, weiterhin in einer schwierigen Lage. Im Wahlkampf hatten die Konservativen Rohani heftig angegriffen und ihm Versagen in der Wirtschaftspolitik vorgeworfen. Er schiele zu sehr auf Investitionen aus dem Ausland. Dabei braucht das Land gerade die mehr als alles andere. Zwar war die Wirtschaft zuletzt wieder um gut sieben Prozent gewachsen.

Die Altlasten aus der Ahmadinejad-Zeit sind aber noch deutlich zu spüren. Vor dem Atomabkommen konnte Iran aufgrund der Sanktionen fast keinen Außenhandel mehr betreiben und auch kein Öl verkaufen, Importe unterlagen extremen Reglementierungen. Das hatte zu einer Inflation von zeitweise fast 40 Prozent geführt, die Arbeitslosigkeit war explodiert, staatliche Subventionen mussten zurückgefahren werden.

Ärmere trauern Ahmadinejad nach

Dennoch trauern noch immer viele der ärmeren Schichten Ahmadinejad hinterher, der sich seine Zustimmung mit Geschenken erkauft hatte. Zugleich hatte er engen Vertrauten wichtige Posten in Politik und Wirtschaft verschafft und so den Ausverkauf des Landes noch befeuert. Er hinterließ einen Scherbenhaufen, der in einer Legislaturperiode kaum zu bereinigen war.

Auch außenpolitisch brodelt es. Das Atomabkommen wird nicht nur von den Hardlinern im Inland angegriffen. Auch der israelische Ministerpräsident Netanjahu warbt zuletzt verstärkt bei US-Präsident Trump darum, den Kurs Iran gegenüber wieder zu ändern, nachdem sein Vorgänger Obama darauf bedacht gewesen war, die Wogen zu glätten. Im Syrienkrieg ringt Iran als Unterstützer des Assad-Regimes um Einfluss und kooperiert mit Russland.

Der schiitische Staat sieht sich vom IS ebenso bedroht wie von Saudi-Arabien, das den iranischen Einfluss zurückdrängen will. Beide Länder führen im Jemen einen brutalen Stellvertreterkrieg. Ausgerechnet heute, am Tag nach der Wahl, besucht US-Präsident Trump das saudische Königshaus, das die USA als Verbündeten gegen Iran zurückgewinnen will.