Islamkonferenz: Brav sein ist alles

Der Innenminister baut auf anpassungswillige Teilnehmer und Diskussionen ohne Brisanz. Wer mit dem "Verfassungsfeind" zu tun hat, ist politisch erledigt

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Worauf die Islamkonferenz (DIK) des deutschen Innenministeriums konkret abzielt, dürfte nicht nur der Mehrheit der deutschen Muslime schleierhaft sein, wie dies eine Umfrage kürzlich zutage brachte.

Richtet man die Frage an, ansonsten gut informierte, nicht-muslimische deutsche Mitbürger, so erfährt man meist auch nur Achselzucken und unverbindliche Stichworte wie „Integration“ mit einem hörbaren Fragezeichen hintendran. Die Meinungen geben sich erst dann ausgeprägter, wenn es darum geht, dass für die fragwürdige Veranstaltung Steuergelder ausgegeben werden. Der wesentliche Dreh-und Angelpunkt bei der deutschen Islamkonferenz, auf den sämtliche Gespräche mit Nicht-Muslimen schließlich zulaufen, ist die Frage nach den verbindlichen Dialogpartnern auf muslimischer Seite. Schnell ist man beim längst bekannten Problem: Die Muslime sind anders organisiert und hierachisiert als die Kirchen. Die Suche nach repräsentativen Oberhäuptern ist vergeblich.

Wen repräsentiert der Zentralrat der Muslime?

Das ist ein Hintergrund, vor dem die gestrige Absage des Zentralrats der Muslime (ZMD) zu sehen ist. Wen repräsentiert der ZMD? Dass der Verband hier nicht groß mit eigenen Mitgliederzahlen argumentieren kann, zeigt der Hinweis in der Presseerklärung, die mit der Zahl mehrerer Verbände Gewicht machen will: „Etwa die Hälfte der 2500 Moscheegemeinden ist am kommenden Montag bei der Eröffnung des ersten Plenums der DIK II nicht vertreten.“

Dazu gerechnet sind bei diesem Argument auch die Zahlen des weitaus größeren Verbandes, des Islamrats, der ebenfalls nicht an der aktuellen Konferenz teilnehmen wird. Sowie Moscheegemeinden von ungenannten muslimischen Landesverbänden, die ebenfalls nicht vertreten sind, „obwohl sich der ZMD intensiv bemüht hatte“, diese und den Islamrat mit aufzunehmen. Der Nebensatz reklamiert, dass der ZMD Einfluß hat. Dass der Verband eine wichtige Stimme unter den organisierten Muslimen darstellt. Wieso hat sich der Innenminister nicht intensiver um eine Teilnahme des ZMD bemüht?

Innenministerielle Mustermänner-Konferenz

Das führt zum anderen Hintergrund, der das Nein des ZMD beleuchtet: Es gibt nicht nur grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen zwischen Innenministerium und muslimischen Verbänden darüber, wer wichtig und repräsentabel ist, sondern auch darüber, worüber ein Dialog zu führen ist – und in welcher Form. Der Zentralrat der Muslime wirft dem Innenministerium vor: „Die DIK II ist in der jetzigen Form ein unverbindlicher Debattier-Club“. Eine beleidigte Reaktion, weil das Innenministerium „konstruktive Vorschläge“ des Verbandes zu den Inhalten verschmäht hat?

Der Vorwurf des Zentralrats, wonach die DIK eine „von der Bundesregierung verordnete Konferenz“ sei, wurde mehrfach auch schon von anderen deutschen Muslimen in der Öffentlichkeit erhoben. Auch von Milli Görus (siehe "hegemonialer Diskurs"), die wegen strafrechtlicher Vorwürfe von der zweiten Islamkonferenz ausgeschlossen wurde – weshalb der Islamrat suspendiert wurde, was ja zum Hin-und Her im Vorfeld der Konferenz (siehe Unruhe im Korridor zur deutschen Islamkonferenz) und schließlich zur Absage des ZMD geführt hat.

Großer Ärger muss draussen bleiben, kleiner Inhalt darf bleiben

Von außen sieht das aus wie ein Theaterstück. Es geht darin hauptsächlich um Verfehlungen und Machtgerangel postmodernen Zuschnitts (Einschluss/Ausschluss). Auf den Inhalt kommt es erst in zweiter Linie an.

Die DIK II hat kein konkretes Ziel und ist nicht geeignet, die dringend anstehenden gesamtgesellschaftlichen Probleme und Anliegen zu lösen, die sich im Verhältnis zwischen den Muslimen, der Politik und der Bevölkerung aufgestaut haben. Diese Probleme erlauben aber keinen weiteren jahrelangen Aufschub durch die DIK .

Zentralrat der Muslime

Das ist zunächst ähnlich unkonkret wie die Presseerklärungen des Innenministeriums zur Islamkonferenz (siehe Das Innenministerium lädt zum Diktat der Leerformeln). Was denn mit den „gesamtgesellschaftlichen Probleme und Anliegen“ genau gemeint ist, wird nicht klar erläutert. Offensichtlich wird in der Presseerklärung nur, dass sie mit den zwei großen Anliegen des ZMD verküpft ist: dem Thema Islamfeindlichkeit und dem Wunsch nach Anerkennung als Religionsgemeinschaft.

Der Innenminister will davon nur am Rande (Islamfeindlichkeit ) oder gar nichts (Fahrplan zur Anerkennung als Religionsgemeinschaft) wissen. Er will gut dastehen und keine Schwierigkeiten

Zur Suspendierung (des Islamrates, Erg. d. A.) gab es keine Alternative. Auch deshalb nicht, weil sonst die produktive Arbeit der Deutschen Islamkonferenz von einer Debatte über die Vorwürfe gegen den Verband überlagert worden wäre.

Verbände ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit

Wären die Vorwürfe gegen den Verband nicht tatsächlich auch ein wichtiges Thema gewesen? Eine gute Gelegenheit, um Transparenz zu einem brisanten Thema zu schaffen. Die Öffentlichkeit weiß nicht viel über die Arbeit der Verbände, über ihre politischen Beziehungen, über ihre Finanzierung und nur Vages darüber, was Milli Görus vorgeworfen wird. Das gehört an die Öffentlichkeit und zum Dialog mit den Repräsentanten der Muslime, die im Fall Milli Görus und Islamrat ja für nicht wenige Mitglieder stehen. Die "klandestinen Interessen", das Dunkel, mit dem die Verbände umgeben sind, die Hinterzimmer und -höfe, die mit ihnen assoziiert werden – und sie selbst tragen erstaunlich wenig dazu bei, dies zu erhellen – nähren Ängste vor Parallelgesellschaften und fördern Verschwörungstheorien.

De Maizière kommt gut zupass, dass die unbequemen Teilnehmer und damit die schwierigeren Auseinandersetzungen und Gesprächsthemen weg vom Tisch sind. So kann er wahrscheinlich sogar seinen Anspruch – die zweite Konferenz wird praxisorientiert sein – einlösen. Mit den jetzigen Teilnehmern lassen sich vermutlich konkrete Abmachungen über Islamunterricht an Schulen, islamische Lehrstühle an Hochschulen und Dialogprojekte gut vereinbaren.

Wichtige Themen werden woanders abgehandelt

Der Islamuntericht ist wichtig und die kleinen Schritte dazu auch. Das Grundlegende ist aber doch schon geklärt. Die Diskussion über Islamunterricht an deutschen Schulen berührt nicht mehr die empfindliche Nahtstelle zwischen „Mehrheitsgesellschaft“ und Muslimen. Die wunden Punkte, die an grundlegende Selbstverständnisse rühren, wird man woanders spüren. Nicht auf der Islamkonferenz. Und man muss dabei nicht immer nur auf die Extremisten schauen

Sondern beispielsweise auf die christlich-bürgerliche Mitte der Gesellschaft, auf die CDU und ihre Muslime, die dort vorankommen wollen. Oder auf Äußerungen und Einmischungen, die man von Seiten der türkischen Regierung erwarten kann. Sie wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach künftig deutlich mehr in die Belange der in Deutschland lebenden Türken einmischen. Darauf weist nicht zuletzt das „Gesetz zur Errichtung des Präsidiums für Auslandstürken“ hin, das vor wenigen Wochen vom türkischen Parlament verabschiedet wurde.

Wer mit dem „Verfassungsfeind“ zu tun hat, ist politisch schnell erledigt

Auch der vom Zentralrat angesprochene „Fahrplan“ für den Weg zur Religionsgemeinschaft für islamische Gemeinschaften wird außerhalb der Islamkonferenz entwickelt werden. Ein interessanter Vorschlag dazu kommt von einer Person, die nicht auf der Einladungsliste der DIK steht:

Sie (die Verbände, Erg. d. A.) sollten sich auf die Gründung einer Islamischen Religionsgemeinschaft einigen. Alle Organisationen sollten in diesem Dachverband verschmelzen. Die DITIB, der VIKZ, die IGMG, die IGD, der Zentralrat, der Islamrat und die anderen wären darin dann Geschichte. Tatsache ist, dass im Grundgesetz die Religionsgemeinschaften zuständig für die Religionsausübung und die Organisation der religiösen Lehre sind. Von der lokalen Ebene, über die Länder bis zum Bund benötigt dies einen repräsentativen Ansprechpartner. Es hat sich als notwendig erwiesen, dass die Muslime dies endlich angehen und einen gemeinsamen Weg finden.

Jeder der Beteiligten muss in der Lage sein, seine Hintergründe hinter sich zu lassen und für die Zukunft zu arbeiten.

Benjamin Idriz, Islamische Gemeinde Penzberg, Oberbayern

Wie? Es ginge also auch anders, gegen den Strich? Von der Islamkonferenz kann man das jedenfalls nicht sagen.

Dass Idriz, den laut Informationen der SZ „viele - bis weit in die CSU hinein - für einen Hoffnungsträger halten", weil er für einen weltoffenen und toleranten Islam eintritt, derzeit mit Gerichten um seinen Ruf kämpft, hat mit der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG) zu tun. Es genügt anscheinend, dass man in irgendeiner Weise mit der IGMG in Verbindung gebracht wird, um desavouiert zu sein. Die IGMG spielt im Fall Idriz ebenfalls keine gute Rolle. Das Thema Milli Görüs und Islamrat hätte zur Islamkonferenz gehört. Hier wäre mehr Aufklärung und Transparenz dringend nötig.