Israel setzt die angedrohten "gezielten Tötungen" fort

Heute wurde der Hamas-Führer Rantisi durch eine von einem Hubschrauber abgefeuerte Rakete ermordet

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Das israelische Militär hat mit einer "gezielten Tötung" den erst kürzlich zum Chef des militanten Hamas-Flügels ernannten Abdel Aziz Rantisi ermordet. Schon nach der Ermordung des Hamas-Führers Jassin hatte die israelische Regierung angekündigt, weitere Anschläge gegen palästinensische "Terroristen" durchzuführen (Lizenz zum Töten?). Auch Arafat solle sich keineswegs sicher wähnen, wurde gedroht. Rantisi war bereits im Juni des letzten Jahres Ziel eines israelischen Anschlags, den er allerdings überlebt hatte.

Nach der Ermordung von Jassin (Hamas-Gründer bei Raketenangriff in Gaza getötet) wurde gedroht, Israel habe damit die "Tür zur Hölle" geöffnet. Während es in Israel weitgehend ruhig blieb, wurde der ermordete und damit zum "Märtyrer" aufgestiegene Jassin auch zu einer Leitfigur des irakischen Widerstands. Erst heute sprengte sich an einem Grenzübergang in Gaza ein Selbstmordattentäter in die Luft und tötete einen israelischen Grenzpolizisten. Drei weitere Israelis wurden verletzt. Die Verantwortung übernahmen Hamas und Fatah.

Dan Gillerman, der israelische UN-Botschafter, erklärte, es habe sich nicht um Rache gehandelt, sondern der Anschlag sein "Teil des langfristigen Kriegs gegen den Terrorismus. Wir können beobachten, dass dieser Krieg in Spanien, Kenia und Bali stattfindet. Und Israel kämpft dieses Krieg ebenfalls. Wer Stabilität in unserer Region einkehren sehen will, sollte sich nicht fragen, warum Israel ihn jetzt getötet hat, sondern eher, warum wir dies nicht schon früher gemacht haben." Offenbar war wie auch auch im Fall von Jassin die US-Regierung nicht vor dem Anschlag unterrichtet worden.

Sicherlich hatte die israelische Regierung erst einmal abgewartet, welche Folgen die Tötung Jassins haben wird. Nachdem für die dortige Lage keine großen Racheaktionen erfolgten und der Anschlag auch international mit der Rückendeckung durch die US-Regierung glimpflich abgegangen ist, könnte man sich entschlossen haben, mit den geplanten weiteren Tötungen fortzufahren. Überdies hatte sich Scharon gerade bei US-Präsident Bush erneute Unterstützung geholt, auch der britische Regierungschef Blair stellte sich hinter Scharon, selbst wenn die europäischen Außenminister zwar den Abzug aus Gaza begrüßten, gleichzeitig aber deutlich machten, dass sie keine einseitig diktierte Grenzen akzeptieren, den vollständigen Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten fordern und die "Road Map" als den einzigen Weg für eine Friedenslösung bezeichnen.

Unter Druck steht Israel auch seitens der UN. Eine von der UN-Menschenrechtskommission am Donnerstag verabschiedete Resolution verurteilt Israel wegen seines Vorgehens gegen die Palästinenser. Ausdrücklich verurteilt wurden neben den gezielten Tötungen auch die Bombardierung ziviler Ziele, die Zerstörungen von Häusern sowie der Bau der Sicherheitsmauer zum Westjordanland. Deutschland, Holland, Großbritannien, Italien, Ungarn, Australien und die USA stimmten gegen die Resolution. Die EU hatte eine eigene Resolution eingebracht, die mit 27 gegen die Stimmen der USA und Kongos angenommen wurde. Hier wurde die Siedlungspolitik und insbesondere "sogenannte Sicherheitszaun" verurteilt, sofern er Teile des Westjordanlands Israel zuschlägt. 24 Staaten enthielten sich der Stimme, weil sie dieser Forderung, aber nicht der gesamten Resolution zustimmen könnten, die auch verlangt, dass die palästinensische Autonomiebehörde "konkret zeigen" soll, dass sie Terroranschläge zu verhindern versucht. Die Resolutionen der Menschenrechtskommission führen allerdings keine Konsequenzen mit sich.

Unbeeindruckt von Kritik und gestützt von der US-Regierung hat die israelische Regierung also die "gezielten Tötungen" wieder aufgenommen. Mit der Tötung von Rantisi soll vor allem vermutlich gezeigt werden, dass der Rückzug aus Gaza nicht aus einer Position der Schwäche erfolgt, wie dies beim Rückzug aus dem Libanon gesehen wurde. Der einseitig erklärte Rückzug, der gleichzeitig die Umsetzung der Road Map hinausschieben und Siedlungen im Westjordland retten soll, geht nicht einher mit einer Schonung palästinensischer Militanter. Sie werden weiterhin, so die Botschaft des (Terror?)Anschlags, im Visier bleiben, egal, wo sie sich aufhalten.

"We will all die one day. Nothing will change. If by Apache or by cardiac arrest, I prefer Apache.

Rantisi nach der Ermordug Jassins

Von einer "gezielten" Tötung im Sinne präzis lässt sich auch dieses Mal nicht wirklich sprechen, denn neben Rantisi starben an dem Anschlag, der mit einer Rakete von einer Hubschrauber ausgeführt wurde, auch ein Leibwächter und sein Sohn Mohammed. Überdies sollen 5 Passanten verletzt worden sein. Zudem soll Rantisis Frau im Auto gewesen sein, das von der Rakete getroffen wurde. Wie es ihr geht und wo sie sich aufhält, ist bislang unbekannt. Rantisi, ein Mitbegründer von Hamas, wurde in ein Krankenhaus gebracht, starb aber kurz nach seiner Einlieferung. Sein Körper war übersät von Wunden. Die Rakete traf das Auto ganz in der Nähe von Rantisis Haus in Gaza City, 100 Meter von dem Ort entfernt, an dem Jassin begraben wurde.

Hamas drohte erneut Rache an. Der palästinensische Kabinettsminister Saeb Erekat verurteilte den Anschlag und sprach von "Staatsterror". Der palästinensische Ministerpräsident Kurei meinte, der Anschlag sei ein direktes Resultat der Bestätigung der israelischen Politik durch die US-Regierung. Mitglieder der Likud-Partei forderten Scharon dazu auf, auch Arafat zu töten, was von dessen Büro aber zurückgewiesen wurde.

Wir haben dies schon einige Monate zuvor zu tun versucht. Damals konnte er fliehen. Dieses Mal haben wir ihn erwischt. Wer Selbstmordattentäter aussendet, um unschuldige Israelis zu töten, ist ein legitimes Ziel für die Regierung von Israel.

Giedeon Meir, Mitarbeiter im israelischen Außenministerium

Seit Beginn der Intifada soll Israel 150 Palästinenser in "gezielten Tötungen" ermordet haben.