Israelische Invasion in Gaza

Armee will bis zum Auffinden ihrer sechs getöteten Soldaten bleiben

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Die Gefechte zwischen der israelischen Armee und bewaffneten Palästinensern in Gaza-Stadt dauern weiter an. Nachdem Soldaten am Dienstag nach Gaza-Stadt eingerückt waren, sprengten Hamas-Kämpfer einen gepanzerten Truppentransporter. Sechs Soldaten wurden dabei getötet. Die Explosion war gewaltig, weil das Fahrzeug, so eine Armeemitteilung, selbst Sprengstoff geladen hatte.

Die Al Quds-Brigaden, der bewaffnete Flügel der Bewegung Islamischer Dschihad, haben heute einen bewaffneten Truppentransporter bei Rafah gesprengt und dabei fünf Soldaten getötet.

Leichenteile der getöteten israelischen Soldaten wurden von den Militanten zur Schau gestellt und sollen einbehalten werden. Die Hamas will sie nur nach dem Abzug der Armee aus Gaza zurück geben. Unterdessen hat der israelische Sicherheitsrat beschlossen, die Truppenpräsenz in Gaza-Stadt bis zum Auffinden aller sechs Leichen beizubehalten. Israels Außenminister, Silvan Schalom erklärte: "Israel hat es hier mit Tieren zu tun und wird alle Mittel zu ihrer Bekämpfung nutzen."

Auch die palästinensische Führung verurteilte die Leichenschändung und forderte die Militanten zur Rückgabe auf. Palästinenser in Ramallah reagierten auf die betreffenden Fernsehbilder mit Unverständnis. Bisher wurden mindestens elf Palästinenser getötet, darunter zwei bewaffnete Hamas-Mitglieder und drei Kinder. Insgesamt wurden während des Angriffs auf das dicht besiedelte Stadtviertel Seitun über 120 Palästinenser verletzt, davon, so ein Sprecher des örtlichen Schifa-Krankenhauses, 40 Kinder unter 16 Jahren.

Politische Beobachter ordnen die israelische Invasion in die Pläne des israelischen Ministerpräsidenten, Ariel Scharon (Likud-Partei), ein, Truppen und Siedler teilweise aus dem Gazastreifen abzuziehen. Am 2. Mai hatte der Premier eine parteiinterne Abstimmung zum Thema verloren und will in Kürze einen geänderten Vorschlag unterbreiten, nachdem Israel nur kleinere Kolonien räumt. "Wenn uns der Terror aus Gaza vertreibt", erklärte der rechtsgerichtete Knessetabgeordnete Ehud Jatom seine Ablehnung, "dann vertreibt er uns auch aus Tel Aviv."

Scharon, so israelische Analysten, mache deshalb alles, um den Rückzug nicht als militärische Schlappe aussehen zu lassen. Palästinensische Gruppen verstärken nach der selben Logik ihre Anschläge. "Das ist erst der Anfang", erklärte ein vermummter Kämpfer gegenüber dem TV-Sender Al-Dschasira. "Wir sind bereit, die Besatzung in Gaza mit Kassam-Raketen und Sprengsätzen zu konfrontieren." Insgesamt habe man am Dienstag acht Soldaten getötet, so die Hamas. Ein Flugblatt ihres bewaffneten Arms listet die Zerstörung von zwei gepanzerten Fahrzeugen und drei Militärplanierraupen auf.

Nach offiziellen Angaben rückte die israelische Armee nach Gaza-Stadt ein, um sogenannte Raketenwerkstätten zu sprengen. Dafür qualifizieren offenbar alle Räume, in denen Metallrohre und Schweißgeräte gefunden werden. Auf diese Weise wurden bereits Dutzende von Schmieden und Autowerkstätten bombardiert. Nach Angaben der Vereinten Nationen "wurden in den letzten zehn Tagen im Gazastreifen insgesamt 131 Häuser zerstört, was die Zahl der Obdachlosen auf 17.000 bringt."

Die Menschen im Seitun-Viertel appellieren an die internationale Gemeinschaft, Maßnahmen zu ihrem Schutz zu unternehmen. Das Militär habe Strom-, Wasser- und Telefonleitungen unterbrochen sowie in und auf Häusern Stellung bezogen. "Wir sind schon ohne Trinkwasser und Babynahrung", so ein Bewohner gegenüber der Zeitung Al Quds. "Hier sind Alte und Kranke, deren Situation sich mit jeder Minute unter der Belagerung verschlechtert."

Kommunalwahlen in besetzten Gebieten

Unterdessen hat die palästinensische Führung am Montag langjährigen Forderungen der Bevölkerung nach Wahlen entsprochen. "Allerdings können Parlaments- und Präsidentenwahlen erst abgehalten werden, wenn sich die Armee aus den Bevölkerungszentren zurückzieht", sagte Ministerpräsident Achmed Kurei. Zunächst sind deshalb Kommunalwahlen in weniger betroffenen Orten angesetzt, beginnend mit Jericho im August. Die anderen 126 Kommunen in Westjordanland und Gazastreifen sollen innerhalb eines Jahres folgen.

Wahlen sind seit 1998 überfällig und wurden mit dem Hinweis auf die Sicherheitslage immer wieder verschoben. Palästinenser sagen allerdings, dass der 1996 gewählte Präsident Jassir Arafat nur seine korrupte Struktur schützen wolle und Angst vor der islamistischen Opposition habe. Eine Einbindung der Hamas ist aber unumgänglich. Entsprechende Verhandlungen, nach denen die Gruppe auf Anschläge innerhalb Israels verzichtet hätte, wurden nach der Ermordung von zwei prominenten Hamas-Führern durch israelische Raketen in den letzten Wochen auf Eis gelegt.

Die palästinensischen Reformbemühungen haben am Dienstag mit der Konsolidierung des "Nationalen Komitees für Reform" Form angenommen. Parlamentsabgeordnete arbeiten hier zusammen mit Vertretern der Zivilgesellschaft und dem privaten Wirtschaftssektor zusammen an der Umstrukturierung vieler Bereiche. "Auf der Regierungsebene geht es um die anhaltende Neubildung des Dienstleistungsbereiches sowie des Rechtssystems und dem Sicherheitsbereich", so Arbeitsminister Ghassan Khatib im Radio. "Es geht aber zum Beispiel auch um Berufsverbände, in denen regelmäßig Abstimmungen ausgesetzt werden." Das Komitee gilt als eine der Triebfedern in der Forderung nach Neuwahlen in den palästinensischen Autonomiegebieten.