Ist der Niedergang der EU der Aufschwung der Asean?

Flaggen der Asean. Bild: Gunawan Kartapranata, CC BY-SA 3.0 DEED

Der asiatische Asean-Bund setzt auf Pragmatismus. Das hat der Region viele Erfolge beschert. Doch die Grenzen dieses Ansatzes werden immer offensichtlicher.

Viel wird über den politischen Niedergang der Europäischen Union gesprochen. Aus Asien kommen derweil Erfolgsmeldungen. So dialektisch wie diese Entwicklung anmutet, ist sie natürlich nicht. Aber ein Vergleich der verschiedenen Denk- und Herangehensweisen lohnt sich durchaus.

Die Europäische Union (EU) und die Association of Southeast Asian Nations (Asean) haben manches gemein, nicht zuletzt die Idee, dass regionale Zusammenarbeit gut für die Wirtschaft, gut für den Frieden und gut für die Menschen ist. Europa fand nach den beiden Weltkriegen langsam zusammen und begründete nach Montanunion 1950 sowie EWG und Euratom 1958 mit dem Maastrichter Vertrag 1993 die jetzige Form der EU.

Aus den sechs Gründungsmitgliedern der EWG - Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Niederlande - sind in bisher sieben Erweiterungsrunden 27 Mitgliedsländer geworden, bis zu 35 könnten es noch werden. Beitrittskandidaten wie die Türkei verlieren in der Warteschleife das Interesse, die Aufnahme der Ukraine ist zwar versprochen, aber problematisch.

Die Asean ist im Vergleich zur EU etwas jünger, 1967 gegründet, und bisher nur von fünf auf zehn Mitglieder angewachsen. Demnächst soll Osttimor hinzukommen, das aber wirtschaftlich kaum etwas beitragen kann. Die 600 Millionen Einwohner der Asean werden 2022 ein Bruttoinlandsprodukt von 4 Billionen US-Dollar erwirtschaften, das ist nur ein Viertel des EU-Ergebnisses von 16 Billionen bei knapp 450 Millionen Einwohnern.

Doch die Stimmung könnte unterschiedlicher nicht sein. Europa befindet sich in einem nie dagewesenen Krisenmodus: Inflation, Energiewende, alternde Bevölkerung, wachsender Migrationsdruck, Zersplitterung der Parteiensysteme, Rechtspopulismus, Umweltkrise, bröckelnde Infrastruktur, Verkehrswende, mangelnde demokratische Legitimation der wichtigsten EU-Institutionen, ausländischer Konkurrenzdruck auf Schlüsselindustrien, Brexit-Folgen und nicht zuletzt der Ukraine-Krieg an der Ostflanke.

Die Stimmung in der Bevölkerung ist entsprechend, der ewige Traum der Eltern, dass es den Kindern einmal besser gehen soll, scheint nicht mehr realistisch. Ganz anders die Asean.

Der Optimismus, dass es aufwärtsgeht, den die Nachkriegsgenerationen in Deutschland und anderswo in Europa hatten, ist in Südostasien nicht mehr vorhanden. Die Region war drei Jahrhunderte lang kolonial ausgebeutet und im Zweiten Weltkrieg ähnlich zerstört worden wie Europa. Die Kriege in Korea und Vietnam setzten die Zerstörungen noch intensiver fort. Beide Kriege waren die heißen Phasen des Kalten Krieges, die amerikanische Dominotheorie sollte die Ausbreitung des Kommunismus in der Sowjetunion und in China stoppen.

Nachdem das Gespenst des Kommunismus nicht mehr im Zentrum geostrategischer Überlegungen steht, wirkt sich die Konkurrenz der Giganten USA und China ebenso intensiv auf Südostasien aus. Inzwischen sind aber auch die wirtschaftlichen Nachzügler mit großer Bevölkerung und traditionell agrarisch geprägtem Hinterland auf dem Weg der Industrialisierung und des Wachstums und möchten sich auf diesem Weg weiterentwickeln.

Sie sind offen für technischen Fortschritt, nutzen Informations- und Automatisierungstechnologien und wissen, dass politische Stabilität eine Grundvoraussetzung für wachsenden Wohlstand ist. Was sind die Erfolgsrezepte der Asean-internen Zusammenarbeit? In einem Wort: Pragmatismus. In drei Worten: Pragmatismus, Realismus, Ideologiefreiheit.

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