Jackass: The Movie

Ein komischer Fall für den Jugendschutz

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Man kann dadurch berühmt werden ­ wie ein gewisser Steve O, der auf seiner DVD "The Steve-O-Video. Dont Try This At Home. Known from the TV-Show Jackass" erzählt, dass er all das nur tue, weil er keine Lust auf Schule und Arbeit gehabt habe. Man kann darüber aber auch lachen oder die Nase rümpfen. Und man kann darüber sogar, wie kürzlich das Adolf Grimme Institut und die Bayrische Landeszentrale für neue Medien, eine Tagung veranstalten mit dem Titel: "Jackass - Zwischen Jugendkult und Jugendschutz".

Obwohl man sich über Geschmack natürlich herrlich streiten kann, ist eines sicher: Die Stunts, die in dieser MTV-Fernsehserie gezeigt werden, sind absolut hirnrissig, die Gags geschmacklos. Und einige Ideen erscheinen auch in der Kinofassung Jackass: The Movie (Regie: Jeff Tremaine) so abstrus, absurd und albern, dass sie eigentlich nur dem Gehirn von Leuten entspringen können, die irgendwie nicht richtig ticken. Aber für die "Jackass"-Truppe um Johnny Knoxville ist eben genau das normal, was andere für verrückt halten. Und so machen sie dann ständig Dinge, die man einfach nicht machen darf, weil sie entweder zu gefährlich oder zu abgeschmackt sind.

Zugegeben einige Szenen des Films, die aber im Vergleich zu Steve O.'s Hardcore-DVD noch harmlos erscheinen, sind für ungeübte "Jackass"-Konsumenten ekelhaft. Beispielsweise wenn sich Johnny Knoxville eine scharfe japanische Soße in die Nase zieht und sich daraufhin vor laufender Kamera erbricht. Auch der Verzehr von gegrillten Ratten und anderem hässlichen Getier hat die gleiche Wirkung. Und dass einer aus dem "Jackass"-Team die Hose runterlässt, um eine Toilette in einem Geschäft für Sanitärbedarf richtig auszuprobieren, ist schön zum Naserümpfen. Aber wer sich in den letzten Jahren mal in eine amerikanische oder deutsche Teenie-Komödie verirrt hat, der weiß, dass dort schon seit langem der Fäkalhumor fröhliche Urstände feiert. Wenn auch in einer arg verklemmten Form, die von "Jackass" nun eben dreist und konsequent durchbrochen wird.

Solche Szenen sind aber in dem Kinofilm die Ausnahme, und da jede Episode maximal zwei Minuten dauert, lässt sich damit irgendwie leben. Vor allem weil man tatsächlich ständig über den gezeigten Quatsch einfach lachen muss, beispielsweise wenn ein "Jackass" seine Mutter mit einem in ihrer Küche ausgesetzten Alligator bös überrascht, wenn die Typen aus zwei Meter Höhe in eine aufgehängte Riesenunterhose springen, wenn japanische Kaufhausabteilungen kurzerhand zur Disko umfunktioniert werden oder nachdrücklich bewiesen wird, dass man Silvesterraketen mit dem Allerwertesten abschießen kann.

Und eines fällt bei diesem Feuerwerk des chaotischen Nonsens auf: Gern zertrümmert die "Jackass"-Truppe mit anarchischer Freude Dinge, die in unserer Gesellschaft wie Fetische behandelt werden oder die unsere Konsumwelt entscheidend prägen. Und die manch junger Zuschauer vermutlich selbst gern mal aus heiligem pubertärem Zorn zertrümmern würde. Da verwandeln sich also gepflegte Autos zu Blech, da gibt es gefährliche Straßenrennen mit Einkaufswagen und Sprünge in ordentlich aufgebaute Supermarktregale. Bei alldem scheuen die Akteure kein Risiko, keine Verletzung und präsentieren hinterher sogar stolz die blutigen Wunden.

Dieser vermeintlich lässige Umgang mit Verletzungen und Schmerz in einer Gesellschaft, in der Gesundheit und körperliche Unversehrtheit hohe Ideale sind, macht wohl mit die Beliebtheit von "Jackass" aus. Auch viele Jugendliche glauben eben, dass sie ihren Wunsch nach Selbstbestimmung nur noch durch symbolische Selbstverstümmelung ausdrücken können und greifen zum Schrecken ihrer Eltern zu Piercing oder zu einer Tätowierung. Und zum Glück nur einige wenige fahren halt nach "Jackass"-Vorbild mit einem Supermarktwagen gegen die nächst beste Mauer: Das tut dann zwar womöglich höllisch weh, sorgt aber in einer vermeintlich langweiligen Welt für den erhofften Kick, aber dennoch nicht für die erhoffte TV-Aufmerksamkeit.

So warnt MTV die jungen Zuschauer in jeder Folge nicht nur vor dem Nachspielen der Szenen, sondern weist ausdrücklich daraufhin, dass von "Jackass"-Fans eingeschickte Videos gar nicht erst angeschaut werden. Das macht zwar Sinn, allein schon juristisch, wird aber von Netzseiten wie jackass.de gnadenlos unterlaufen. Dort heißt es nämlich triumphierend:

Wir von jackass.de haben es uns zum Ziel gesetzt, eine lange bestehende Frage zu beantworten: Was sind das eigentlich für Videos, die MTV anscheinend immer zugesendet bekommt? Ständig haben wir uns gefragt, was uns wohl entgehen könnte...
Das soll nun ein Ende haben, jackass.de wird die neue Plattform für durchgeknallte und abgefreakte Videos. Dafür brauchen wir Euch! Schickt uns was auch immer Ihr nennenswertes gedreht habt! Egal ob Klassenfahrtsvideo, Saufabend oder den Crash mit einer Tanne!

Genau an diesem Punkt setzt die Kritik unserer Jugend- und Medienschützer ein, die dafür gesorgt haben, dass MTV die TV-Serie erst ab 23 Uhr ausstrahlen darf und die nun über die FSK erreicht haben, dass Zuschauer unter 18 Jahre den Film nicht sehen dürfen. Zu groß, heißt es, sei die Nachahmungsgefahr. Und als Beispiel müssen Fälle herhalten, wo sich Jugendliche bei nachgespielten "Jackass"-Szenen schwer verletzt haben.

Da mag ja was dran sein, obwohl man mit diesem Argument vieles im Kino und im Fernsehen verbieten könnte oder müsste. Übersehen wird dabei allerdings, dass solch ein Verbot meist das genaue Gegenteil bewirkt, weil es den Reiz, den Film dann doch irgendwie zu sehen, gewaltig erhöht. Und da die für junge Menschen notwendige Abgrenzung von der zunehmend juvenileren Erwachsenwelt sowieso immer schwieriger wird, wird ein vom Jugendschutz empört abgelehntes Medienprodukt wie "Jackass" schon beinahe automatisch zu einem Teil der Jugendkultur.