Jugendentwürfe im neuen Jahrtausend

13. Shell-Jugendstudie mit den Schwerpunktthemen Lebensplanung und Situation ausländischer Jugendlicher in Deutschland

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Untersuchungen über Jugendliche werden zurzeit wie Sauerbier gehandelt. So legte der Freizeitforscher Opaschowski ein Bild der Generation @ vor und andere stilisierten solange, bis die "X,-Y,- und Z-Generation" gekennzeichnet war. Nach diesen doch eher diffamierenden Typisierungen erscheint derzeit die renommierte Shell-Jugendstudie in der 13. Auflage und spricht nicht mehr von der "deutschen Jugend", sondern versucht ein Bild der Jugend in Deutschland zu zeichnen.

Immer wieder wird die Jugend in Deutschland als Hoffnungsträger für die zukünftigen beruflichen Veränderungen angesehen. Deshalb findet die neue Shell-Jugendstudie wohl auch so viel Aufmerksamkeit, weil die Befragungen im Vorfeld des Jahrhundertwechsels vorgenommen wurden. Die Einstellungen und Werthaltungen von heutigen Jugendlichen werden als Spiegelbild der Erwartungen angesehen. Insofern ist die Befindlichkeit schon auch ein Gradmesser für zukünftige Haltungen und letztlich auch für wirtschaftliche Entwicklungen.

"Von Weltverbesserung ist nichts zu sehen, auch nichts von revolutionären Utopien."

Nach den Schlagzeilen der beiden Schwerpunkte kristallisiert sich heraus, dass die Jugendlichen durchaus positiver als früher in die Zukunft blicken. Ihre Zukunftssichten, Lebenskonzepte und biografischen Perspektiven können schon als Aufbruchsstimmung gedeutet werden. Auch wenn diese Befragungen als repräsentativ gelten, muss man zugleich vorsichtig mit Pauschalisierungen sein, denn die befragten Jugendlichen stellen eben doch nur einen Ausschnitt aller Jugendlichen dar. Es gab und es wird in Zukunft nun einmal nicht den Parade-Jugendlichen geben. Die jetzt vorgelegte 13. Auflage der Shell-Jugend-Studie hat es sich zum Anspruch gemacht, ein möglichst differenziertes Bild abzuliefern. Neu an der Studie ist die Einbeziehung von ausländischen Jugendlichen. In einer Zusatzstichprobe wurden 648 ausländische Jugendliche über ihre Lebenssituation, Vorstellungen und Wünsche befragt.

Die Autoren der Studie erachten es als besonders wichtig, darauf hinzuweisen, dass sie sich in der Tradition bisheriger Shell-Jugenduntersuchungen befinden. Sie stellen die Fragen nicht aus dem Blickwinkel der Gesellschaft an die Jugendlichen, sondern versuchen, den Sichtweisen der Jugendlichen zu folgen. Ebenso weisen sie darauf hin, dass die 13. Shell-Jugendstudie auch keine Ausländerstudie ist. Sie sehen die jungen Ausländer als eine Teilmenge der Jugendlichen in Deutschland.

Die folgenden Überschriften sollen nicht als Schlagzeilen dienen, sondern als thematische Verkürzung, die einen Einblick in die Hauptergebnisse der Studie geben soll.

Zuversichtlich

Noch in der letzten Studie herrschte Skepsis, nun blicken 50 Prozent der Jugendlichen zuversichtlich in die Zukunft. Erstaunlich ist, dass sich Jugendliche aus den östlichen Bundesländern in diesem Punkt im Gleichschritt mit den westlichen bewegen. Dennoch gilt, dass dieser Optimismus nicht unbekümmert, sondern realistisch geprägt ist. Die Jugendlichen sind schon in der Zukunft angekommen.

Ausländerfeindlichkeit und Nationalismus

Es gibt Ausländerfeindlichkeit, doch ist sie bestimmt von persönlicher Sorge um Arbeits- und Chancenlosigkeit. Dennoch waren die Forscher von der Entschiedenheit und Ausprägung der Einstellung überrascht. Sie ist jedoch nicht gleichzeitig Indiz für eine nationalistische Gesinnung.

Abgrenzung von ausländischen Jugendlichen

Das Verhältnis von deutschen und ausländischen Jugendlichen ist nicht gestört und es konnten "keine Anzeichen für gravierende Abgrenzungstendenzen" festgestellt werden.

Familie und Beruf

Beides wird zunehmend nicht als Gegensatz verstanden, nur die 22- bis 24-jährigen Frauen zeigen besonders in dieser Lebensphase eine gewisse Skepsis. Deutsche Jugendliche sehen ihre Eltern viel häufiger als Vertrauenspersonen, während sie bei den ausländischen Jugendlichen eher als Respektspersonen im Vordergrund stehen.

Ideologien

Was gestern "IN" war, kann morgen schon "OUT" sein, denn starre Wertorientierungen sind für die Jugendlichen irrelevant. Man nimmt alles mit, was gerade in das aktuelle Lebenskonzept passt. So entsteht der individuelle variable Wertecocktail.

Vertrauen in die Politik sinkt weiter

Das Interesse an der Politik sinkt weiter. Hauptgrund: Die politische Landschaft bietet keinen Raum für Vertrauen. Politik wird als wenig relevant und ohne Bezug zum realen Leben empfunden. Besonders in den neuen Ländern verzeichnen die Forscher einen "erdrutschartigen Vertrauensverlust" in nichtstaatliche Organisationen wie Umweltschutzgruppen oder Bürgerinitiativen.

Europa - Euro

Desinteressiert zeigen sich die Befragten an der Europäischen Union, es bleibt bei der distanzierten und skeptischen Haltung. Zur Euro-Einführung haben sie durchweg eine kritische Stellung bezogen.

Kirche

Viele ahnten es bereits, doch nun wird klar, dass sowohl ein "Rückgang von Glaubensvorstellung ebenso festzustellen ist wie eine abnehmende praktische Ausübung religiöser oder kirchlicher Rituale".

Nun können Pädagogen und Wissenschaftler endlich auf neues Zahlenmaterial aus dem Referenzwerk zurückgreifen, aus dem sich ein aktuelles Spiegelbild von Jugendlichen aus Tabellen, Interviews und anderen Texten herleiten lässt. Vieles erscheint aber auch in einem fragwürdigen Bild, denn ist zum Beispiel eine vorhandene Ausländerfeindlichkeit bei Jugendlichen nicht schon ein Erfolg für nationalistische Parolen, wenn man wegen eigener Perspektivlosigkeit wieder einmal einen "Schwarzen Peter" sucht und findet? Doch wie immer muss man erst die gesamte Studie lesen, um wirklich dieser Interpretation folgen zu können.

Jugendwerk der Deutschen Shell (Hrsg.), Jugend 2000. Die 13. Shell Jugendstudie Verlag Leske + Budrich (Zwei Bände mit je 400 Seiten 29,80DM)