Kalbsschnitzel, Erdbeeren und Vertragsänderungen

Angela Merkel schließt nach einem Besuch von David Cameron eine Reform der EU nicht mehr aus

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Letzte Woche reiste der britische Premierminister David Cameron durch vier europäische Hauptstädte, um unter den Regierungschefs Verbündete für seine EU-Reformpläne zu gewinnen, mit denen der seine Landsleute davon überzeugen will, im nächsten oder übernächsten Jahr für einen Verbleib der Vereinigten Königreichs in der EU zu stimmen.

Gestern war er zum Mittagessen in Berlin, wo ihm der Times zufolge Shrimp-Tartar mit Salat, Kalbsschnitzel, Spargel mit Kartoffeln und Erdbeeren serviert wurde. Noch besser als diese Delikatessen könnte ihm eine Äußerung von Angela Merkel geschmeckt haben, die danach öffentlich bekannt gab, sie schließe eine Änderung der EU-Verträge zur Umsetzung von Reformen nicht aus und wolle mit Cameron "sehr eng zusammenarbeiten", damit Großbritannien in der EU bleibt. Der französische Staatspräsident François Hollande hatte sich da am Donnerstag ganz anders geäußert.

In vielen Bereichen, so die Bundeskanzlerin, gebe es schon eine gemeinsame Basis mit dem britischen Premierminister - zum Beispiel beim Bürokratieabbau und bei der "besseren Rechtssetzung". Allerdings zeichne sich ab, dass über die Frage des Sozialmissbrauchs durch Zuwanderer aus Osteuropa "länger verhandeln" müsse. Je nachdem, wie sich die Rechtsprechung des EuGH entwickelt, sei es "gegebenenfalls auch im deutschen Interesse, hier bestimmte Änderungen vorzunehmen". Die Freizügigkeit an sich dürfe bei der Lösung dieses Problems nicht infrage gestellt werden, aber man werde versuchen, Großbritannien so weit wie möglich entgegen zu kommen.

Beide Regierungschefs meinten, sie wollten nach dem Prinzip "Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg" verfahren - auch wenn es keinen Zauberei gebe, mit der man Probleme im Handumdrehen lösen könne.

David Cameron und Angela Merkel: Foto: Bundesregierung / Kugler

Vor seinem Besuch in Berlin hatte Cameron die polnische Regierungschefin Ewa Kopacz besucht. Darüber, was bei diesem Treffen herauskam, wurde in deutschen und in britischen Medien bemerkenswert unterschiedlich berichtet: Während es dazu in deutschen und britischen hieß, Kopacz habe Cameron eine Abfuhr erteilt, betonte man in der Downing Street, beide Regierungschefs seien übereingekommen, dass Kompetenzen, die derzeit in Brüssel liegen, an die Parlamente der Mitgliedsländer zurückübertragen werden müssten, und dass die Nicht-Euro-Staaten (zu denen Großbritannien und Polen gehören) gegenüber den Euro-Ländern nicht benachteiligt werden dürften.

Sogar in der Frage der Zuwanderung sei man sich einig gewesen, dass die Freizügigkeit nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, auch wenn es hinsichtlich der Auswirkungen auf Sozialsysteme noch Diskussionsbedarf gebe. Polens Europaminister Rafał Trzaskowski hatte vorher verlautbart, eine Beschränkung von Sozialleistungen für Polen und andere Osteuropäer in Großbritannien werde "schwierig". Wenn jedes Land mit solchen Wünschen daherkäme, dann werde die EU "implodieren".

Über eine solche Implosion freuen würde sich Nigel Farage: Der Vorsitzende der EU-kritischen United Kingdom Independence Party (UKIP) bemängelte nach der Europareise des Premierministers, Cameron erwecke bei den Bürgern den Eindruck, es gehe beim EU-Referendum im nächsten oder übernächsten Jahr nur um die Frage der Sozialleistungen für Zuwanderer - dabei sei diese in Wirklichkeit ein "marginales Detail eines weit größeren Problems" mit einem "überholten, erstarrten und überregulierten Block".

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