Kein Happy-End für George W. Bush

Der Abschiedsbesuch des US-Präsidenten mobilisiert keine Demonstranten mehr, dafür aber noch einmal die Ressentiments von Politkern und Medien

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Stell Dir vor, der US-Präsident kommt noch Deutschland und der Friedensbewegung ist es egal. Bisher konnte der US-Präsident Bush sicher sein, wenn er Deutschland besucht, sind seine erklärten Gegner auf der Straße. Bei jedem Besuch gab es regelmäßig mehr oder weniger viele Demonstranten, die dem Politiker aus Übersee ihre Meinung sagen wollten. Kriege, die Arroganz der Mächtigen, die Klimaerwärmung waren nur einige der vielen Übel der Welt, für die Bush auf Plakaten und Transparenten verantwortlich gemacht wurde.

Doch beim wohl letzten Besuch des Präsidenten in seiner Amtszeit beherzigten die Friedensfreunde eine ihrer vielzitierten Parolen. "Keiner geht hin". Die Massenmobilisierung blieb aus. War es der Erkenntnis geschuldet, dass man in Zeiten der Fußball-Europameisterschaft sowie kaum Menschen auf die Straße bekommt? Oder hat man Bush einfach schon abgeschrieben? Die Kürze des Deutschlandsbesuchs von Bush kann zumindest nicht als Begründung herangezogen werden. Schließlich gab es im Sommer 2006 gegen eine ebenso kurze Stippvisite von Bush in Mecklenburg-Vorpommern noch eine massive Mobilisierung.

Auch eine zweite Erklärung für das Desinteresse an dem hohen Besuch kann ausgeschlossen werden Es gab keine Versöhnung in letzter Minute Die Beteuerung des US-Präsidenten, in Europa zu Unrecht als Politiker wahrgenommen zu werden, der nur auf militärische Lösungen und zu wenig auf Diplomatie setzt, wurde kaum wahrgenommen. Statt dessen zeigten Erklärungen von Politikern und Kommentare in der Presse, dass das alte Feindbild wenig von seinem Glanz verloren hat.

Keine Träne zum Abschied

Der SPD-Altpolitiker Egon Bahr galt in der Ostpolitik als Meister der Diplomatie. Deshalb war es schon erstaunlich, welche deutlichen Worte Bahr zum US-Präsidenten Bush in einem Interview mit dem Deutschlandradio gefunden hat.

Wenn Sie ein Geschichtsbuch schreiben müssten, welcher Satz über die Regierungszeit Bushs sollte unbedingt da drinstehen?

Bahr: Wie froh und erleichtert die Welt war mit der Aussicht, ihn los zu werden.

Schütte: Das ist ja durchaus ein hartes Urteil. Gab es je zuvor einen Präsidenten, der hierzulande bei Ihnen und auch in allen anderen Parteien durchweg auf so viel Kritik und Unverständnis gestoßen ist?

Bahr: Ich kenne überhaupt keinen Präsidenten in der amerikanischen Geschichte, der seinem Lande mehr geschadet hat. Wissen Sie, ich bin ein großer Bewunderer seines Vaters. Ich halte den für einen weisen Mann. Der hat am Ende des Ost-West-Konfliktes gesagt, Amerika ist die einzige und stärkste Macht der Welt, die in der Lage ist, die Welt in eine neue Weltordnung zu führen. Das war eine Stellung Amerikas, der erste unter gleichen, eine Stärkung der Vereinten Nationen und das heißt natürlich, Amerika muss sich auch an die Ordnung halten. Sein Sohn hat das Gegenteil gemacht. Sein Sohn hat sich das Recht genommen, hat das Recht proklamiert, zu einer Doktrin gemacht, Krieg anzufangen, wenn es nach seiner Auffassung den amerikanischen Interessen entspricht - auch ohne Vereinte Nationen, auch präventiv -, und er hat, was fast immer vergessen wird, die größte Welle von Aufrüstung in der Menschheitsgeschichte ausgelöst.

Die Amerikaner waren doch am Ende des Ost-West-Konflikts die stärkste Macht. Warum mussten sie noch anfangen vorzurüsten? Bis dahin haben sie versucht oder gesagt nachzurüsten. Aber sie haben eine Welle ausgelöst auf allen Gebieten, zu Lande, zu Wasser, in der Luft, im Weltraum, mit neuen Atomwaffen und diese Welle ist über die ganze Welt geschwappt. Sie hat natürlich Europa erreicht. Sie hat Russland erreicht. Sie hat China erreicht. Sie hat Japan erreicht. Sie hat Indien erreicht. Wir leiden und werden noch eine ganze Weile leiden unter dieser völlig unvernünftigen Aufrüstung, die gemacht worden ist unter dem Gesichtspunkt, Amerika soll militärisch uneinholbar werden. Das ist es geworden und wird es mit jedem Monat mehr!

Bahr war nicht der einzige, der jede diplomatischen Zwischentöne vergessen hatten, als sie den letzten Besuch des US-Präsidenten kommentierten.

Die Netzeitung hat unter dem Titel Was von Bush übrig bleibt noch einmal alle Urteile und Klischees zusammengetragen. Da wollte auch die Frankfurter Rundschau nicht nachstehen. In Europa weint kaum einer Bush eine Träne nach, titelte die Zeitung zur Europareise des US-Präsidenten. Im Kommentar wurden dem US-Präsidenten noch einmal die Leviten gelesen.

Bush wird uns als Präsident in Erinnerung bleiben, der die Welt in einen fatalen Krieg führte, der Freiheit predigte und Guantánamo praktizierte.

Der Kommentar schließt mit einem Ausblick:

George W. Bush als "lame duck" - diese Vorstellung hat letztlich auch Vorteile. Der Präsident hat oft damit gedroht, nach dem Irak-Krieg seine Version von Frieden und Freiheit auch in den Iran zu bringen. Aber oops, er kann es nicht noch einmal tun. Weil seine Zeit bald vorbei ist. Endlich.

Alle Optionen offen

Ob diese Einschätzung nicht doch etwas voreilig ist? Schließlich ist Bush bis zur Inauguration des neuen Präsidenten voll handlungsfähig. Die aber ist erst im Januar 2009. Deshalb halten sich auch hartnäckig die Gerüchte, dass Bush noch in seiner Amtszeit den Iran am vermuteten Bau von Atomwaffen hindern wird. Allerdings haben solche Meldungen etwas von ihrer Dringlichkeit verloren, weil sie seit mehreren Jahren immer wieder in Medien auftauchen.

Beim Treffen zwischen Bush und Merkel blieb es in Sachen Iran bei der bisherigen Sprachregelung. Beide Seiten setzen auf diplomatische Lösungen. Die Unterschiede liegen in den Nuancen. Während Merkel betonte, dass man der Diplomatie weiter eine Chance geben müsse, liegen für Bush weiterhin alle Optionen, also auch die militärischen, auf den Tisch. Dass für die US-Regierung allerdings die Option eines Boykotts nicht nur ein Vorwand ist, zeigen die konkreten Maßnahmen. Die Sanktionen wurden gerade im Bankensektor verschärft.

Was kommt nach Bush?

Die Vorfreude über das Ende Bush-Ära kann auch aus einem anderen Grund verfrüht sein. Was sich konkret bei den Nachfolgern ändern wird, ist noch unklar. Sicher scheint nur zu sein, dass sich das Verhältnis zu den europäischen Ländern insgesamt verbessern dürfte. So würde John McCain der für die Republikaner ins Rennen geht, in den Grundzügen an der bisherigen Politik festhalten. Er hat sich allerdings auch als Kritiker von Guantánamo und anderen gerade in Europa heftig kritisierten Maßnahmen zur Einschränkung von Grundrechten einen Namen gemacht. Auch in der Klimapolitik würde er eher den Konsens mit der EU suchen.

Noch unklarer ist die Angelegenheit bei den Demokraten. Denn Barrack Obama hat sich außenpolitisch bisher eher zurück gehalten und unterschiedliche Signale gesendet. So hat er betont, mit allen Gegnern der USA, auch mit dem Iran und Kuba, reden zu wollen, was eine Annäherung an Teile der EU verstanden werden kann. Allerdings hat sich in der Geschichte gezeigt, dass gerade US-Präsidenten, die dem liberalen Flügel der Demokraten nahe stehen, durch eine harte Position in der Außenpolitik ihre Zuverlässigkeit deutlich machen müssen und sich innenpolitisch gegenüber den Konservativen profilieren wollen.

Doch bevor es auch nur überhaupt das außenpolitische Konzept von Obama erkennbar ist, hat er schon in Teilen der hiesigen Medien für Diskussionen gesorgt. So war man sich bei der Tageszeitung uneinig, ob die Titelüberschrift Onkel Baracks Hütte neben dem Bild des Weißen Hauses rassistisch ist oder nicht. Hier wurde auch exemplarisch deutlich, dass es in Deutschland noch längst nicht selbstverständlich ist, wenn die Hautfarbe oder die ethnische Herkunft des Regierungschefs von der Mehrheitsgesellschaft abweicht.

Andere Probleme könnten unter einer Präsidentschaft von Obama auf notorische US-Gegner zukommen. Ihnen käme mit Bush ein beliebtes Feindbild abhanden. Der eloquente, jugendlich wirkende Obama eignet sich doch nicht so für Ressentiments. Deshalb wird in linken Medien mit US-kritischer Grundierung schon betont, dass Obama keine grundlegenden Änderungen in der Politik durchsetzen würde. Allerdings böte der Verlust bewährter Feindbilder auch die Chance, eine Kritik an der Politik der US-Regierung von Ressentiments, wie sie teilweise im Bush-Bashing der letzten Jahre zum Ausdruck kamen, unterscheidbarer zu machen.