Kein Pardon für Cybersquatter

WIPO will Missbrauch von Domain Names ein Ende bereiten.

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Die World Intellectual Property Organization (WIPO) möchte der unerlaubten symbolischen Landnahme im Internet ein Ende bereiten. Die im amerikanischen Netzjargon als "Cybersquatting" (Squatter=Hausbesetzer) bezeichnete Praxis besteht darin, Domain Names bekannter Firmenmarken zu registrieren und daraus später durch Verkauf an die Markeninhaber Kapital zu schlagen. Nach einem Vorschlag der WIPO soll es nun bald Exklusivitätsrechte für berühmte und weltbekannte Marken geben, so dass diesen automatisch das Recht zur Registrierung des eigenen Namens als Top Level Domain zufällt.

Die WIPO-Vorschläge sind Teil eines umfassenden Berichts über die konfliktreichen Beziehungen zwischen Domain Names im Internet und Markennamen in der wirklichen Welt, deren Schutzmechanismen entwickelt wurden, als es noch kein Internet gab. Der Bericht enthält eine Reihe weiterer Vorschläge zur Politik der Registrierung von Domain Names und ist in erster Linie an die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) gerichtet, die in enger Abstimmung mit der WIPO die zukünftige Praxis der Vergabe von Domain Names regeln wird.

Ausgangspunkt ist das zunehmende Gedrängle, das in den sogenannten generic Top Level Domains (gTLD's) herrscht, vor allem in der gTLD .COM. Die Regierung der Vereinigten Staaten hatte sich an die WIPO mit dem Ersuchen gewandt, Lösungsvorschläge für die Handhabung der gTLD's zu erarbeiten. Daraufhin begann die WIPO im Sommer 1998 mit einem umfassenden Beratungsprozess (WIPO Process) zur Sache Domain Names, mit 15 Meetings in verschiedenen Städten und der Hinzuziehung von Internet- und Rechtsexperten. Es darf vermutet werden, daß Lobbies der US-Industrie dabei mehr als nur ein Wörtchen mitzureden hatten. Am 30 April ließ die WIPO nun die Katze aus dem Sack, in Form eines 352-seitigen Abschlussberichts.

Für Inhaber weltbekannter Markennamen soll es demnach Exklusivitätsbestimmungen geben, so dass sie ein automatisches Recht zur Nutzung ihres Firmennamens als Domain Name haben, und zwar gleich in mehreren oder allen gTLD's. Sollte es dennoch zu einem Streit um das Nutzungsrecht an einem Domain Name kommen, soll ein Standardverfahren zur Konfliktlösung in Kraft treten. Dieses Verfahren ist gezielt gegen Cybersquatter gerichtet und soll nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Vorwurf einer absichtlich missbräuchlichen Verwendung besteht. Die Beweislast wird diesbezüglich bei den Inhabern von Domain Names liegen, die beweisen müssen, dass sie diesen nicht in der Absicht, dem Markennameninhaber zu schaden, eingerichtet haben. Der Verlierer eines solchen Verfahrens muss den Domain Name abtreten und die Verfahrenskosten tragen.

Soweit so gut. Wer möchte schließlich, daß dem braven Kaufmann in beutelschneiderischer Absicht das Recht zur Verwendung des eigenen Markennamens von irgendwelchen Wegelagerern streitig gemacht wird. Doch die WIPO-Empfehlungen gehen noch weiter, und wie so oft bei Anstrengungen zur Internetregulierung in letzter Zeit besteht dabei die Gefahr, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird.

Hat eine Firma einmal das Recht zur Exklusivität der eigenen Marke als Domain Name erlangt, so leitet die WIPO daraus auch das Recht ab, die missbräuchliche und absichtlich fehlleitende Verwendung von Domain Names, die vom Markennamen nur leicht verschieden sind (indem sie z.B. nur in einem oder mehreren Buchstaben abweichen), mittels des selben Konfliktlösungsverfahrens zu unterbinden. Daraus geht hervor, dass sich die Vorschläge nicht nur gegen die Cybersquatter richten, die Domain Names von Firmen mit der Absicht registrieren, sie später weiterzuverkaufen, sondern gegen ein viel weiteres Feld von "Übeltätern". Im Visier sind dann auch Sites, die Domain Names besetzen, die sehr ähnlich klingen wie die von vielbesuchten Sites, um von den Irrtümern von Usern bei der Namenseingabe im Location Bar des Browsers zu profitieren und auf diese Art Traffic auf die eigene Site umzulenken. Häufig seien es Pornosites, die sich diese Praxis zunutze machen, oft sind es aber auch Bürgerrechtsgruppen oder Privatpersonen, die Kritik an multinationalen Konzernen auf Sites publizieren, deren Domain Name dem Namen des Konzerns ähnlich ist. Es wäre dann also nicht mehr möglich, Domains wie z.B. "Microsaft.de" zu registrieren und auf dieser Site dann Microsoft-feindliche Materialien zu veröffentlichen.

Weitere Vorschläge des WIPO-Berichts drehen sich um die eindeutige Identifizierung von Inhabern von Domain Names, um die Registrierung unter falschem Namen oder falscher Adresse prophylaktisch zu unterbinden, sowie um die Einführung neuer gTLD's, wobei die WIPO zu einer vorsichtigen und langsamen Erweiterung des Namensraums rät. Die WIPO-Empfehlungen werden beim nächsten ICANN-Treffen vom 25. bis 27.Mai in Berlin beraten und dort möglicherweise bereits in ein Regelwerk für die zukünftige Praxis der Domain Name Registratur gegossen. Dieser gesamte Vorgang kann nur als Indiz dafür gelesen werden, wie sich der Zugriff der Mächtigen der realen Welt auf die Eigentumsrechte im Cyberspace verstärkt. Hausbesetzer in europäischen Städten sind bereits zur Rarität geworden, nun droht auch der Räumungsbefehl im Internet.