Keine Bettler, kein Alkohol und kein "Gutmenschentum"

Marseilles Innenstadt soll sauber werden

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Südfrankreich ist ein Mythos, der für viele noch immer für das gute, schöne und entspanntere Leben steht. Und manche Innenstädte, wie etwa in Montpellier, sind durch jahrhunderte altes Gemäuer und die engen Gassen vor städtebaulichen Zugriffen in ihrem Kern gefeit, die als "centre commerce" dann am Rand hochgezogen wurden und in ihrer gigantischen architektonischen Häßlichkeit und Kälte nach Trost verlangen.

Manches sieht der Tourist, der wohlweislich in der Innenstadt bleibt und der sich doch Abwechslung von seiner Alltagswirklichkeit versprochen hat, vielleicht nicht so gerne unter den Ferienwolken, im Schatten der Platanen, vor den mehrstöckigen Bürgerhausern mit den verschnörkelten Balkonen - Feuerschlucker zum Beispiel, die mit Schäferhunden, Alkoholgetränken und einem Pulk abgerissener Freunde die Straßen und Plätze der Innenstädte auf ihre mittelalterliche Art beleben. Oder Bettler. Davon geht die Stadtverwaltung von Marseille aus. Ihr geht es ums Prinzip.

Man muss damit aufhören, das Gutmenschentum zu verbreiten und zu erlauben, dass man alles Mögliche macht. Wir sind fest dazu entschlossen, ein Gefühl von Sicherheit unter den Bewohnern Marseilles wiederherzustellen.

Dies stellte die Sicherheitsbeauftragte der Stadtverwaltung Marseilles kürzlich in einer Diskussion klar. Gestritten wird über eine Verordnung, derzufolge das Betteln in den inneren Bezirken Marseilles mit einem Bußgeld von 38 Euro geahndet wird. Das ist viel Geld für einen Bettler. So handelte sich die Stadtverwaltung, worauf auch die Kommentare zu einem Artikel in einer Regionalzeitung hindeuten, eine Menge empörte Kommentare ein. Auch die landesweite Presse dazu war kritisch, die kommunistische Partei sprach gar von einer "Jagd auf die Ärmsten".

Dass auch Angehörige der Roma unter dieser Verordnung zu leiden hätten, machte die Sache für den Bürgermeister Jean-Claude Gaudin, der zur Sarkozy-Mehrheitspartei UMP gehört, heikel. So mühte er sich klarzustellen, dass es es sich um keine "Anti-Bettel"-Verordnung gehe, sondern um das Sicherheitsgefühl der Bürger, und auch die Touristen wurden in die Diskussion geworfen. Es gehe doch um Plätze, die von Tausenden von Touristen frequentiert werden. Im Mittelpunkt steht die "Ruhe in der Öffentlichkeit, im äußersten Fall um die Ahndung der "Vagabondage". Je mehr sich der Bürgermeister und seine Mitarbeiter mühen, die Verordung klarzustellen, desto mehr kehren sie Grundsätze einer Saubermann-Politik heraus (siehe oben), die auf Widerstände stößt.

Ob die Bettler dann in die Vorstädte abgeschoben werden, ist nur eine der Fragen, die gestellt werden. Gaudin versucht es mit Differenzierung, nur die aggressiven Bettler sollen mit einem Bußgeld geahndet und aufgefordert werden, ihren Platz zu verlassen. Der Möglichkeitsraum für polizeiliche Willkür ist weit offen. Auch die Verordnung liest sich kurios: Verboten sind alle Formen eines Gesuches oder Bettelei, die den "freien Verkehr von Personen, die Bequemlichkeit der öffentlichen Wege und den Zugang zu Gebäuden und das ordentliche Verhalten beeinträchtigen können".

Zwar gibt es bereits gesetzliche Handhaben, um gegen Ordnungsverstöße vorzugehen, aber die Polizei habe diesen neue Verordnung nötig, um einen klareren Rahmen zu haben, wird betont, zugleich machen die Stadtoberen darauf aufmerksam, dass man besonders darauf achten werden, dass außerhalb der Lokale nachts kein Alkohol verkauft und konsumiert wird. Andere französische Städte haben bereits ähnliche Verordnungen in Kraft gesetzt.