Kettenreaktion beim Klima

Schon vor 55 Millionen Jahren sah sich die Erde einer globalen Temperaturerhöhung um sechs Grad ausgesetzt. Forscher konnten den genauen Ablauf der Ereignisse damals nun genauer rekonstruieren

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Als in den arktischen Gebieten Palmen wuchsen, hatte die Ereigniskette im Paläozän und Eozän (siehe Hitzewelle im Eozän) ihren Höhepunkt erreicht: um sechs Grad war die mittlere Temperatur in erdgeschichtlich kurzer Zeit gestiegen. Das Paläozän-/ Eozän-Temperaturmaximum, kurz PETM, dauerte ungefähr 200.000 Jahre. Dass die genauen Ursachen dafür heute von höchstem Interesse sind, ist klar - und so versuchen denn Geologen auch emsig, anhand von Sedimentschichten ihre Schlüsse zu ziehen. Einem niederländisch-amerikanischen Forscherteam ist das recht nachvollziehbar in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature gelungen - sie haben anhand von rund 55 Millionen Jahre alten Gesteinsschichten in New Jersey die Ereignisfolge weniger tausend Jahre rekonstruieren können.

Die Wissenschaftler untersuchten dort Sedimente, die damals den Grund des Ozeans bedeckten. Über einen so weiten Zeithorizont hinweg auf wenige tausend Jahre genau zu arbeiten, ist natürlich eine echte Detektivarbeit. Recht klar konnten die Forscher immerhin feststellen, wann es damals zu einer großen Freisetzung von Kohlenstoff in die Erdatmosphäre kam. Doch was war die Ursache dafür - sorgte zunehmende Wärme dafür, oder war die Erwärmung nur eine Folge der sich ändernden Treibhausbedingungen?

Apectodinium, einer der Zeugen für die Klimaerwärmung vor 55 Millionen Jahren (Bild: Appy Sluijs, Utrecht University)

Um diese Fragen zu beantworten, machten sich die Wissenschaftler auf die Suche nach einem Kleinstorganismus, dem Dinoflagellaten Apectodinium. Dieser kam zunächst nur in subtropischen und tropischen Breiten vor, konnte sich mit der zunehmenden Erderwärmung aber in ursprünglich kältere Gegenden ausbreiten. Nun ist die Rechnung ganz einfach: traf Apectodinium vor dem Kohlenstoff ein, muss es schon recht warm gewesen sein - und genau das stellten die Wissenschaftler in den von ihnen untersuchten Bohrkernen fest.

Die starke Ausbreitung des Dinoflagellaten muss ungefähr 3000 bis 4000 Jahre vor der größten Treibhausgas-Belastung der Erdatmosphäre erfolgt sein. Damit deutet alles auf eine katastrophale Abfolge von Ereignissen hin: zunächst erwärmte sich aus bisher nicht bekanntem Grund die Atmosphäre - nach Lage der Sedimente schon einmal um ungefähr drei Grad. Dadurch wurden aus unterseeischen Lagern riesige Methanvorräte (Schätzungen gehen von bis zu 2000 Gigatonnen aus) in die Lufthülle gespült, die den Treibhauseffekt enorm verstärkten - und schließlich kam es zum beobachteten Temperaturanstieg um insgesamt sechs Grad. Das Spannende (und Erschreckende) an diesen Erkenntnissen besteht vor allem darin, dass heutige Klimamodelle, mit den Daten von damals gefüttert, diesen starken Temperaturanstieg gar nicht vorhersagen würden - der doch in der Realität nachweislich auftrat. Könnte es sein, dass die Klimamodelle für die heutige Zeit ebenso versagen?

Doch was löste dann die initiale globale Erwärmung aus? Der Mensch war in diesem Szenario ganz sicher nicht schuld. Es gibt allerdings, so die Forscher, ernstzunehmende Hinweise darauf, dass diese Periode von einem starken Vulkanismus geprägt war. Ob die Vulkane der Atmosphäre genug CO2 zuführen konnten, um die beobachteten Effekte auszulösen, ist bisher aber nicht hinreichend geklärt. In Frage kommen dafür auch noch weitere, nicht kohlenstoffhaltige Treibhausgase wie etwa Wasserdampf. Für die aktuelle Debatte spielt das aber eine eher kleine Rolle - heute ist eher die Frage, ob wir durch den vom Menschen induzierten CO2-Eintrag in die Atmosphäre nicht womöglich eine ebensolche Kaskade in Gang setzen wie vor 55 Millionen Jahren.

Einer der von den Forschern studierten Sediment-Bohrkerne. (Bild: Appy Sluijs, Utrecht University)