Kiew scheut bislang vor einer Zerschlagung des Rechten Sektors zurück

Die Milizen des Rechten Sektors wollen unabhängig bleiben und drohen, gegen alle Linken am 1. Mai vorzugehen

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Dmitri Jarosch, der Chef des während der Proteste auf dem Maidan bekannt gewordenen rechtsnationalistischen Rechten Sektors, kämpft auch als Berater des Generalstabs weiter darum, das Kommando über seine Milizen zu behalten. Die ukrainische Regierung hatte sich endlich einmal wieder getraut, gegen die wild wuchernden, bis an die Zähne bewaffneten, meist rechten "Freiwilligenverbände", die von Oligarchen und durch Spenden finanziert werden, vorzugehen. Sie sollen entweder durch den Eintritt in die Streitkräfte oder in die Nationalgarde legalisiert werden und unter das entsprechende Kommando kommen oder ihre Waffen abgeben. Die meisten Freiwilligenbataillone, es ist die Rede von bis zu 50 verschiedenen, unterstanden zwar formell dem Innenministerium oder der Nationalgarde, aber sie blieben bewaffnete Einheiten mit Tausenden von Kämpfern, die nicht wirklich vom Zentralstaat kontrolliert wurden. Man brauchte die Milizen, weil Nationalgarde und die regulären Streitkräfte den Separatisten nicht standhalten konnten.

Dmitri Jarosch, Chef des Rechten Sektors

Letztes Jahr war man bereits daran gescheitert, den Rechten Sektor zu entwaffnen. Zwar verließ seine Führung unter Druck nach einem Mord Kiew, aber baute in Dnipropetrowsk sein neues Hauptquartier auf. Der damalige Gouverneur, der vor kurzer Zeit zurückgetretene Oligarch Ihor Kolomojskyj, finanzierte die Miliz Dnipr, wohl aber auch die Kämpfer des Rechten Sektors, die dann lange Zeit den Flugplatz von Donezk verteidigt hatten. Nach dem letzten Vorrücken der Separatisten bei Donezk übte Jarosch scharfe Kritik am Generalstab und forderte, für die Freiwilligenverbände einen parallelen und unabhängigen Generalstab einzurichten.

Um Jarosch und den Rechten Sektor einzubinden, wurde diesem ein Beraterposten beim Generalstab angeboten, verbunden mit dem Auftrag, die Streitkräfte zu reformieren und schlagkräftiger zu machen. Jarosch akzeptierte dies schließlich und kämpft seitdem darum, zwar die Kämpfer des Rechten Sektors, für die er ein bewunderter Held ist, in die Armee einzugliedern, aber ihre Einheiten intakt zu lassen, um seine Befehlsgewalt zu wahren, d.h. die Bewaffneten jederzeit auch gegen die ukrainische Regierung einsetzen zu können.

Am Dienstag kam es dann zu einem ernsten Konflikt, der zeigt, dass die Ukraine nicht nur zwischen Kiew und dem Donbass, sondern auch im Inneren zerrissen ist, wo durchaus auch ein bewaffneter Konflikt aufbrechen kann. Armeeverbände schlossen das Lager der Miliz des Rechten Sektors bei Dnipropetrowsk ein, um die Entscheidung herbeizuzwingen. Am Mittwoch hatte der Rechte Sektor zu Protesten vor dem Präsidentenpalast aufgerufen. Die 300 erschienenen Anhänger des Rechten Sektors drohten, das Gebäude abzubrennen, wenn der Staat weiter gegen den Rechten Sektor vorgehe und ihn zu entwaffnen versuche. Es kam zu Verhandlungen, Ergebnisse sind noch nicht bekannt. Während von der Regierungsseite erzählt wurde, dass die Miliz zu einem unabhängigen Teil der Streitkräfte würde, schon die Idee macht die Zwickmühle oder die Angst deutlich, erklärte ein Sprecher des Präsidenten, dass man die Miliz nicht entwaffnen wolle, sondern dass nur Militärübungen durchgeführt würden. Jarosch ruft alle Patrioten dazu auf, Druck auf Poroschenko auszuüben, um die Freiwilligenbataillone zu erhalten.

Andriy Bondarenko, einer der Führer des Rechten Sektors, bezichtigte diejenigen, die für das Vorgehen gegen die Miliz verantwortlich sind, als "Agenten des Kreml". Jarosch selbst und Andriy Stempitsky, der direkte Kommandeur der Miliz, gaben den Befehl aus, sich nicht entwaffnen zu lassen und das Lager zu verteidigen. "Warum sollte das Ukrainische Freiwilligencorps seine Waffen hergeben", so Skoropadsky, "da es sie im Kampf durch Verlust seines Blutes erlangt und kein Maschinengewehr, kein Sturmgewehr oder keine Kurzwaffe vom Staat erhalten hat?" Das Gewaltmonopol des Staates wird nicht akzeptiert und dieser setzt es nicht entschlossen durch.

Für heute hat der Rechte Sektor angekündigt, Menschen nicht zu gestatten, mit kommunistischen Symbolen in Kiew öffentlich aufzutreten. Skoropadsky, der Sprecher der Organisation erklärte, es seien Anstrengungen zur nationalen Verteidigung erforderlich, das bedeute "den Schutz der Ehre und Würde des ukrainischen Volks mit allen verfügbaren Mitteln und Methoden". Man würde in diesem Sinne auch gegen "andere linke, anti-ukrainische Kräfte" vorgehen. Wie das möglicherweise aussehen könnte, hatten vermutlich auch Mitglieder des Rechten Sektors fast genau vor einem Jahr vorgeführt, als sie am 4. Mai Oppositionelle in das Gewerkschaftshaus in Odessa trieben und dieses anzündeten (Die Tragödie von Odessa). Unklar ist noch, wer für die Morde an ukrainischen Oppositionellen verantwortlich ist, daher können solche Drohungen blutiger Ernst sein.

Die Kommunistische Partei, die schon nicht mehr in der Rada sitzt und verboten werden soll, hatte ursprünglich am 1. und 9. Mai Kundgebungen geplant. Inzwischen wurde aber durch ein Gesetz das Zeigen von Nazi- und kommunistischen Symbolen verboten, während die von Stepan Bandera geführte Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), die mit den Nazis zeitweise kollaborierte und auf die sich Rechtsnationalisten weiterhin beziehen, davon ausgenommen wurde (Kiew will Autonomie erst nach den Wahlen gewähren). Das ist ein deutliches Zeichen dafür, welchen Einfluss die rechtsnationalistischen Kräfte haben, die sich wie der Rechte Sektor auf OUN und Bandera beziehen. Die Kommunistische Partei hat zu einem Marsch am 1. Mai, dem Internationalen Tag der Arbeit, aufgerufen. Unter anderem soll es in einer "Situation der politischen Hysterie" gegen die Macht der Oligarchen gehen, die als Diktatur bezeichnet wird.