Kinobilanz 2000

Mehr Filme, aber pro Film weniger Besucher

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Der Multiplex-Boom ist in Deutschland vorbei. Und in der Kinobranche macht sich nach der Goldgräberstimmung der letzten Jahre langsam Ernüchterung breit. Zwar steigen die Besucherzahlen, aber nur aufgrund der Eröffnung neuer Großkinos. Denn gleichzeitig verzeichneten alle Kinoformate, die bis Ende 1997 entstanden sind, in diesem Jahr betriebswirtschaftlich gesehen durchschnittlich negative Besucherergebnisse.

Bundesweit gab es bis zum 30. September 2000 insgesamt 4741 Kinosäle. 304 Kinosäle nahmen in den ersten neun Monaten dieses Jahres ihren Spielbetrieb auf - davon eröffneten 224 in den alten und 80 in den neuen Bundesländern. Bis zum 3. Quartal '00 existierten 119 Multiplexe, davon wurden 15 Großkinos mit 131 Sälen in diesem Jahr eröffnet. Der Anteil der Multiplexe an den Neu- und Wiedereröffnungen lag bei 43,1%. Geschönt werden die vermeintlich steigenden Besucherzahlen zudem durch ein größeres Filmangebot. So starteten in diesem Jahr mehr Filme als je zuvor: Waren es 1998 insgesamt 312 und im letzten Jahr 350 Produktionen, so gingen bis Ende September dieses Jahres bereits 340 Filme an den Start. Mehr Filme, aber pro Film weniger Besucher, lautet daher die vorläufige "Bilanz 2000" der Berliner Filmförderungsanstalt.

Besonders drastisch hat der Besucherrückgang Hannover erwischt. Dort eröffnete der Hamburger Cinemaxx-Konzern, inzwischen Marktführer der Branche, bereits 1991 sein erstes Multiplex-Kino. In den Anfangsjahren kamen jährlich rund 1,8 Millionen Zuschauer ins Haus. Für dieses Jahre rechnet der Cinemaxx-Chef Hans Joachim Flebbe nur noch mir 1,3 Millionen.

Für Flebbe ist der aberwitzige Bauboom der letzten Jahre endgültig vorbei: "Das Thema 'Overscreening' ist jetzt auch in den mittleren Städten eingezogen." Doch dieses Überangebot an Kinoleinwänden bedeutet nicht automatisch eine größere Programmvielfalt. Auch das lässt sich am Beispiel Hannover zeigen.

Dort übernahm vor knapp zwei Jahren der Cinemaxx-Konzern ein geplantes Kinogroßprojekt eines konkurrierenden Unternehmens. Zitat Flebbe: "Wenn schon Konkurrenz, dann machen wir sie uns selbst." Am 14. Dezember wird nun das neue Kino mit knapp 3000 Plätzen und zehn Sälen am Raschplatz hinterm Hauptbahnhof eröffnet. Gezeigt wird dort dann die für Multiplex-Kinos übliche Mainstream-Mischung, wie sie ja jetzt schon im alten Cinemaxx zu sehen ist.

Gleichzeitig droht aber die Schließung der drei noch verbliebenen traditionellen Innenstadtkinos, die inzwischen auch zum Cinemaxx-Konzern gehören. Dort liefen beispielsweise Filme in der amerikanischen Originalfassung. Und lief anspruchsvollere Filmkost in einem Programmkino, das nun bald aus städtebaulichen Gründen abgerissen werden soll. Da sich ein Neubau für das Unternehmen nicht rechnen würde, wird Filmkunst in Hannover bald nur noch im Kommunalen Kino zu sehen sein. Bitter auch für deutschsprachige Produktionen, deren Marktanteil in den ersten neun Monaten des Jahres bei nur 12,9 % lag (13,8 % waren dies im gleichen Zeitraum 1999). Und die zukünftig gegen das alles erdrückende Überangebot der US-Mainstream-Produktionen kaum noch eine kommerzielle Chance haben werden.