Kinowelts Fall

Kein Grund zur Häme: Der Münchner Filmverleih verliert auch seinen letzten Kino-Blockbuster und steht vor dem Aus

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Es sieht nicht gut aus für die Kinowelt. Zuletzt kam dieser Tage die Meldung, dass der schwer in Schieflage geratene Münchner Verleih den ersten Teil der "Herr der Ringe"-Trilogie (Regie: Peter Jackson) doch nicht wie allgemein sicher erwartet am 19.Dezember ins Kino bringen würde. Stattdessen wird Warner Bros. den Blockbuster herausbringen. Diese Nachricht könnte für die Kinowelt den Todesstoß bedeuten, hatte man doch vor allem vom "Herrn der Ringe" eine dringend benötigte Einnahmespritze für das Unternehmen erhofft, das derzeit allein noch mit der Sparte Home-Entertainment (Video und DVD) schwarze Zahlen schreibt. Der Aktienkurs ist schon länger im Keller, ein Großteil der Kinowelt-Mitarbeiter entlassen, Tochterunternehmen wie der Arthaus-Verleih wurden bereits abgewickelt.

Sollte nun die Kinowelt tatsächlich in Konkurs gehen, ist das kein Grund zur Freude. Trotzdem tauchen, seit die schlechten Meldungen sich häufen, plötzlich immer mehr hämische Kommentare derjenigen auf, die es angeblich schon immer gewusst haben, dass es mit Kinowelt nicht gut gehen könne. "Größenwahnsinnige Tellerwäscher" seien da von Anfang an am Werk gewesen, die sich von Glücksfällen wie dem Erfolg des "Englischen Patient" 1998 hätten blenden lassen. Beliebt ist auch der Vorwurf, das Brüderpaar Michael und Rainer Kölmel an der Unternehmensspitze habe sich immer nur für die spekulative Seite am Filmgeschäft interessiert, habe einfach gesagt immer nur ans Geld gedacht, nie an die Filmkunst.

Solche Vorwürfe sind ungerecht. Schon wahr: Die Kölmels haben Fehler gemacht, für die sie nun bitter bezahlen. Das 1999 erworbene umfangreiche Fernsehrechte-Paket von Warner war so teuer, dass schon damals viele mit der Stirn runzelten. Und das durch den Börsengang gewonnene Geld gab man oft nur für drittklassige US-Produktionen aus. Andererseits brachte Kinowelt aber über den Arthaus-Verleih auch eine große Zahl anspruchsvoller Produktionen ins deutsche Kino. Und das durchaus nicht, wie gern in die Welt gesetzt wird, in jedem Fall auf Kosten anderer - natürlich immer "kleiner" - Verleihe: Viele dieser Filme wären überhaupt nicht, oder allenfalls in weitaus kleinerer Stückzahl ins Kino gekommen. Und auch mit den Projekten ihrer eigenen Produktionsfirma - soeben kam Ben Verbongs gelungener Kinderfilm "Das Sams" ins Kino - bewies die Firma durchaus, dass sie auch an Qualitätvollerem interessiert war.

Das Genick gebrochen hat der Kinowelt eher gerade die Tatsache, dass sie sich mit Unterklassigem nicht zufrieden gab. Wo Constantin mit billigstem US-Abklatsch wie "Harte Jungs" oder "Mädchen, Mädchen" absahnt, wo Senator die Peinlichkeiten gleich dutzendweise in die Kinos schaufelt, stand die Kinowelt immer vergleichsweise für Geschmack und Niveau, für die Absicht, mehr zu tun, als nur "Kohle zu machen".

Nun wird Friedrich Nietzsches Salonzynismus "Was fällt, das soll man noch stoßen" ausgerechnet von all jenen beherzigt, die sich in den letzten Jahren nur zu gerne an den Premierenbüffets von Kinowelt sattgegessen haben. So ist die Welt. Dem deutschen Film- und TV-Markt wird Kinowelts Fall aber schaden.