Klagen gegen Hersteller von Informationstechnik nehmen weltweit zu

Wie Unternehmen auf Vorwürfe reagieren, Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben

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Menschenrechte werden nicht nur von Regierungen, Behörden oder politischen Organisationen missachtet, sondern auch von Unternehmen. Vor allem westliche Firmen geben sich gerne einen freiwilligen Verhaltenskodex, in dem sie erklären, die Menschenrechte zu achten. Eine weltweit verbindliche Regelung und Ahndung von Menschenrechtsverletzungen gibt es nicht, seit 2000 haben sich aber an die 6000 Unternehmen der UN-Initiative Global Compact angeschlossen. Hier verpflichten sie sich freiwillig, also unverbindlich, zur Einhaltung von 10 Prinzipien aus den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung.

Aufgedeckt und bekannt gemacht werden Missstände vornehmlich durch Menschenrechtsorganisationen oder Medien. Wissenschaftler der Universität Maastricht haben nun erstmals in einer Studie erkundet, ob und wie die Unternehmen auf Vorwürfe reagieren. Ausgewertet wurden die Informationen des 2005 gegründeten, unabhängigen Business & Human Rights Resource Centre, das Unternehmen auffordert, auf Kritik seitens der Zivilgesellschaft zu reagieren. Die Informationen umfassen 5600 Unternehmen in 180 Ländern.

Das Zentrum fordert das betroffene Unternehmen auf, Stellung zu einem kritischen Bericht, der auf Menschenrechtsverletzungen verweist, zu nehmen, bevor dieser auf der Website veröffentlicht wird. Die Antwort wird mit dem Bericht veröffentlicht. Reagieren die Unternehmen nicht, wird noch einmal nachgefragt. Kommt auch dann keine Stellungnahme, ist es eine bewusste Entscheidung des Unternehmens, nicht auf die Vorwürfe reagieren zu wollen. Erreicht werden soll damit neben einer möglichen Lösung des Problems oder einer Verständigung mehr Transparenz.

Seit 2005 hat das Zentrum 1877 Aufforderungen an Unternehmen gerichtet, auf Vorwürfe zu reagieren. Diese antworteten mit 1317 Stellungnahmen, was heißt, dass in 70 Prozent der Fälle eine Antwort erfolgte. Für ihre Studie werteten die Wissenschaftler die Informationen nur quantitativ aus. Sie untersuchten nicht, ob die Unternehmen Menschenrechtsverletzungen begangen haben oder zu Unrecht beschuldigt wurden. Sie weisen auch darauf hin, dass die vom Zentrum gesammelten Berichte und Stellungnahmen nur ein Ausschnitt sind, da hier nicht alle Berichte über Menschenrechtsverletzungen von Unternehmen gesammelt wurden und werden.

Wenn Unternehmen nicht antworten, so die Autoren, sei dies als negatives Zeichen zu bewerten, weil sie nicht bereit sind, in einen Dialog einzutreten, möglicherweise ist ihnen aber auch der Vorwurf mitsamt der Beachtung von Menschenrechten egal. Bei den Unternehmen, die Bodenschätze ausbeuten, kommen mit die schwersten Menschenrechtsverletzungen vor, sie haben auch die geringste Antwortrate. Dagegen ist die Bereitschaft in der Lebensmittelbranche am höchsten. In den meisten Branchen ging die Zahl der Berichte zwischen 2008 und 2014 zurück, nicht aber in der Informationstechnologie. Der Zunahme wird in der Studie dadurch begründet, dass mehr Staaten die Freiheit im Internet beschneiden, dazu kommen die Arbeitsbedingungen in Unternehmen, die Komponenten für die Elektronikbranche liefern.

Interessant ist, worauf Euractiv.de hingewiesen hat, dass deutsche Unternehmen nicht sonderlich gut wegkommen. Mit 86 eingereichten Berichten liegt Deutschland an fünfter Stelle vor Frankreich mit 76. An US-amerikanische Unternehmen gingen mit 511 Berichten die meisten Beschwerden, obgleich sich die USA gerne als Advokat und Vorbild für Menschenrechte geben. Auch in Großbritannien (198) scheinen die Unternehmen nicht streng auf die Einhaltung von Menschenrechten zu achten. Kanada liegt mit 110 Beschwerden an dritter Stelle, noch vor China mit 94.

Bei den westlichen Konzernen geht es normalerweise um globale Unternehmen, deren Niederlassungen im Ausland Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Chinesische Unternehmen erhalten vermutlich auch deswegen weniger Beschwerden, meist geht es um Arbeitsbedingungen, weil es in China besser zugeht, sondern weil das Rechtssystem dies nicht fördert, die Medien zensiert werden und viele Unternehmen staatlich sind. Chinesische Firmen zeigen mit 40 Prozent auch die geringste Bereitschaft, auf Vorwürfe zu antworten. Nicht viel besser ist es in Indien (v.a. Kinderarbeit, Umwelt, Arbeitsbedingungen), Israel (v.a. illegale Siedlungen) und Russland (v.a. Umwelt, Gesundheit, Arbeitsrechte).

Shell und Chevron sind die Unternehmen, gegen die sich mit 34 bzw. 21 am meisten Beschwerden richteten. Große Konzerne werden öfter öffentlichkeitswirksamer Gegenstand der Kritik als kleine. Und in Wirklichkeit könnten andere Konzerne schlimmer sein, gegen die aber nicht so viele Beschwerden gerichtet wurden. An dritter Stelle kommt Anglo Gold Ashanti (Südafrika), danach Barrick Gold (Kanada), Wal-Mart (USA), Goldcorp (Kanada), Foxconn (Taiwan), BHP Billiton (Australien), Microsoft (USA), Newmont (USA) und Total (Frankreich). Auffällig ist, dass 5 der 12 Unternehmen, die die geringste Antwortbereitschaft haben, staatseigene Konzerne sind.