Klare Ansagen

Über Widerstand unter erschwerten Bedingungen

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Der Anteil von Frauen am Kampf italienischer Partisanen gegen den Faschismus ist zu lange nicht wirklich gewürdigt worden, auch in Italien nicht. Ein Film aus Deutschland, der seit Anfang des Jahres auf kleineren Festivals läuft, erinnert an die Kämpferinnen der Resistenza.

Von den 35.000 Frauen, die aktiv kämpfend am italienischen Widerstand gegen den deutschen und den italienischen Faschismus beteiligt waren (hauptsächlich vom 8.9.1943 - bis zum 25.4.1945), wurden 2812 erschossen oder erhängt, und 1.070 fielen direkt im Kampf.

Eine grausige Bilanz, aber die nackten Zahlen verblassen scheinbar gegenüber den mindestens 45.000 Gefallenen der Resistenza insgesamt. Scheinbar, weil die nackten Zahlen, die bloß einen "Beitrag" der Frauen zum italienischen Befreiungskrieg andeuten, nicht die ganze Geschichte erzählen.

Pierina "Iva" Bonilauri mit ihren Auszeichnungen. Oberfeldwebel Pierina "Iva" Bonilauri war Vizekommandantin des von Partisanen geführten Gefängnisses. Bild: MakeShiftMovies

Resistanza ohne Frauen nicht möglich

Ohne die Frauen, die sich im Gegensatz zu den Männern nach dem Waffenstillstand von Cassibile relativ frei bewegen konnten, wäre nämlich die Resistenza gar nicht möglich gewesen. Es ist geschätzt worden, dass pro Kämpfer in einer Untergrundarmee 14 Unterstützer nötig sind, und diese Unterstützer waren in der Resistenza aus dem besagten Grund nahezu ausschließlich Frauen.

Das ist einer der ersten Aspekte, die Eric Essers Film Geschenkt wurde uns nichts dem Zuschauer nahe bringt, und das macht gleich klar, wohin die Reise in diesem Film geht. Man bekommt keine Bandiera Rossa-Romantik und keinen Militanzfetischismus geliefert.

Stattdessen die Geschichten von drei Frauen, deren Entscheidungen in einem bestimmten Abschnitt ihres Lebens Respekt verlangen. Zentrum der filmischen Erzählung ist ganz klar Annita Malavasi, die im Alter von 22 Jahren zu den Partisanen stieß und bei Kriegsende eine der wenigen weiblichen Kommandantinnen in der Resistenza war.

Was sie in dem Film erzählt, hat sie schon oft erzählt, das merkt man, aber so hat man es - zumal in Deutschland - noch nicht oft gehört. Wie sie nach dem Waffenstillstand der Italiener mit den Alliierten mithalf, wenigstens einige der bis dahin im Bündnis mit der Wehrmacht stehenden italienischen Soldaten vor Gefangennahme oder Schlimmerem zu retten; wie ihr Wehrmachtssoldaten mit vorgehaltener Waffe verboten, das eigene Haus zu betreten; wie sie zum ersten Mal Handgranaten an den Straßenkontrollen der Deutschen vorbeischmuggelte, und dabei Angst hatte, die Dinger würden beim Kontakt mit ihrem Fahrrad explodieren - ihre Erzählungen von diesen Ereignissen in "Geschenkt wurde uns nichts" wirken, als habe ihr Weg in den Kampf aus kurz und logisch aufeinanderfolgenden Schritten bestanden.

Überdeutlich wird aber auch, dass sie als Frau in der Resistenza weitere Kämpfe führte, die an den Männern vorbeigingen. So ist zum Beispiel noch der fast Neunzigjährigen die Empörung über das Gerücht anzumerken, die Partisaninnen hätten den kämpfenden Männern als sexuelle Verfügungsmasse gedient.

Wie der Film im Gespräch zwischen ihr und Pierina Bonilauri zeigt, mussten sich manche der Partisaninnen noch Jahrzehnte nach Kriegsende von ihren eigenen Männern Sprüche anhören wie:

Wer weiß schon, was du damals da oben in den Bergen getrieben hast.

Annita Malavesi berichtet im Gegensatz dazu, dass sie sich erst gegen ihren damaligen Verlobten durchsetzen und dann von ihm trennen musste - was ihr nicht leicht fiel - um Partisanin sein zu können. Als sie in der Resistenza einen Mann traf, mit dem sie sich gut verstand, und der sie als ebenbürtig ansah, der sich aber etwas rasch mit ihr verloben wollte, wies sie ihn zurück - die Trennung von ihrem vorherigen Partner war noch nicht verarbeitet.

Anschauungsmaterial für Widerstand

Es ist eine der berührenden Szenen des Films, wenn sie erzählt, dass der Mann, dem sie die Verlobung verweigerte, zwei Wochen später von den Deutschen erschossen wurde. Trotz der Opfer, von denen man mit Bestürzung hört, ist ihre Geschichte in der Resistenza auch die eines Widerstandes gegen männliches Dominanzverhalten und weibliche Anpassung.

Nach Kriegsende in ihre Familie zurückgekehrt, hatte sie keine Lust mehr, Männern die Schuhe zu putzen, die das sehr gut selber erledigen konnten, und wurde dafür interessanterweise am heftigsten nicht von ihrem Vater und ihrem Bruder kritisiert - sondern von ihrer Mutter. Wenn es heißt, dass die Partisaninnen oft auch dem faschistischen Frauenbild und seinen gesellschaftlichen und politischen Folgen eine Absage erteilten, dann ist sie das Paradebeispiel dafür.

Formal ist der Film einfach gebaut. Die Redebeiträge der drei Frauen werden durch kurze Landschaftschwenks, Fahrten im Auto, Blicke vom Balkon vervollständigt, die ihre Lebenswelt zum Zeitpunkt der Aufnahmen illustrieren. Ab und an bekommt man auch einige Fotos und Dokumente von damals zu sehen. Das ist in seinem Verzicht auf filmische Effekte wirkungsvoll und folgerichtig.

Esser und seine Kamerafrau Caro Krugmann hätten vielleicht in jedem Fall ein Stativ benutzen sollen, um den Kontrast zwischen den bewegten und bewegenden Erzählungen und den stillen Zwischenpassagen noch zu verstärken, aber das ist eine technische Randerscheinung.

Annita Malavasi, Pierina Bonilauri und Gina Moncigoli starben alle drei 2011, hochbetagt, und es ist der Verdienst von Essers Film, ihnen am Ende ihres Leben noch einmal eine Möglichkeit zum Erzählen gegeben zu haben. Dass dieser Film einem Team aus Deutschland zu verdanken ist kann man angesichts der historischen Vorgänge, um die es hier geht, durchaus für einen Akt gelebter Versöhnung und Völkerverständigung halten.

Wichtiger ist aber noch, dass dieser Film Anschauungsmaterial für viele arme Lichter bereitstellt, die heute glauben, "Widerstand" zu leisten, und dabei all zu oft selbst Agenten der Unmenschlichkeit sind - ob es sich nun um die Anhänger des Massaker-Islamismus à la Hamas oder die Schwätzer neurechter Bewegungen handelt, die sich in diesem Jahr in Deutschland aufgespielt haben. "Geschenkt wurde uns nichts" sollte daher nicht nur auf kleinen Festivals, sondern zum Beispiel auch im Fernsehen laufen - und zwar auf einem wirklich guten Sendeplatz.