Klima, Krieg und jahrelange Versäumnisse: ein grüner Minister in Schwedt

Hier geht es um 1200 tarifgebundene Jobs. Foto: Uckermaerker / CC-BY-SA-4.0

Halbgare Versprechen: Beim Besuch der PCK-Raffinerie in Schwedt wollte Robert Habeck niemanden "vergackeiern" und weder Beschäftigte noch Klima-Aktivisten verprellen

Eigentlich stand ja die Transformation sowieso an, aber da in der Raffinerie Schwedt bisher ausschließlich russisches Öl verarbeitet wird und nun ein Embargo bevorsteht, kann es mit dem Umbau nicht im Bummelstreik-Modus weitergehen.

Bisher waren es "nur" die Notwendigkeiten zur Begrenzung der Klimakatastrophe, aber jetzt ist es wirklich dringend: "Mit dem verbrecherischen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sind die Beschäftigten des PCK in Schwedt praktisch über Nacht in den Fokus der Weltpolitik gerückt", sagte am Dienstag der Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) Berlin-Brandenburg, Rolf Erler. Die Verunsicherung in der Belegschaft, die bisher russisches Öl zu Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl verarbeitet, sei groß.

Schließlich geht es nicht um irgendwelche Jobs, sondern um tarifgebundene – laut IGBCE 1200 an der Zahl. Hunderte bei Zulieferbetrieben kämen hinzu, betonte Erler nach dem Besuch von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montagabend. "Es ging von Anfang immer darum, diesen Standort PCK als Unternehmen möglichst vollumfänglich zu erhalten", hatte Habeck bei dieser Gelegenheit versichert.

"Ich will Sie nicht vergackeiern"

"Dass der Bundeswirtschaftsminister persönlich nach Schwedt gekommen ist, werten wir unbestritten als sehr gutes Signal", so der IGBCE-Bezirksleiter Erler. "Wenn er davon spricht, Schwedt mittelfristig zu einem Leuchtturmprojekt für Energieformen der Zukunft wie den Wasserstoff zu machen, kann er sich auf die volle Unterstützung durch die IGBCE verlassen." Habeck hatte allerdings auch erklärt: "Ich will Sie nicht vergackeiern und Ihnen auch nicht irgendwie den Himmel rosarot malen."

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) spricht von einem "neuen, moderneren Raffineriekonzept unter Verwendung von Wasserstoff ebenso wie auch entsprechender Biomaterialien" – also von einer "Raffinerie 2.0", wie er im Gespräch mit den Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) sagte. Allerdings konkretisierte er nicht, woher die Biomaterialien stammen sollen. Ein Problem ist der Flächenverbrauch: Der Anbau von Biomasse könne mit vielfältigen negativen Wirkungen auf Mensch und Umwelt verbunden sein, gibt etwa das Umweltbundesamt zu bedenken.

"Die Transformation ist eine Aufgabe, die sowieso anstand, weil man davon ausgehen konnte, dass in den nächsten zehn Jahren das klassische Konzept einer Raffinerie nicht mehr tragen würde", betonte Steinbach. In sieben bis acht Jahren könne der Standort von Erdöl insgesamt unabhängig sein.

Diese Zeit soll mit Öllieferungen aus anderen Ländern über Schiffe via Rostock überbrückt werden. Habeck stellte bei seinem Besuch in Schwedt Finanzhilfen des Bundes für mögliche Mehrkosten nach der Umstellung und eine mögliche Treuhandstruktur anstelle des bisherigen Betreibers Rosneft in Aussicht. Wenn all das klappe, "dann haben Sie eine Jobsicherheit für die nächste Zeit", versprach der Minister nach IGBCE-Angaben. Ein Versprechen, das im Grunde keines war.

"Beide Seiten haben ein bisschen recht"

Schließlich musste Habeck sich in Schwedt fragen lassen, ob er überhaupt deutsche Interessen vertrete – und nicht etwa die der USA. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wurde zudem pampig, als Habeck nur die Methoden, nicht aber die Ziele von Klima-Aktivisten verurteilen wollte, die bei Protestaktionen gegen Ölimporte in der Nähe von Schwedt versucht hatten, die Versorgung über die Druschba-Pipeline zu unterbrechen.

"Beide Seiten haben ein bisschen recht", sagte Habeck laut einem Bericht des Handelsblatts. Woidke widersprach, bei solchen Aktionen sei ein Straftatbestand erfüllt: "Punkt, Aus, Ende." Das sei weder zu verstehen, noch zu tolerieren.

Die Gruppe "Aufstand der letzten Generation" begründete derlei Aktionen mit den Folgen fossiler Abhängigkeiten: "Hier an der Raffinerie in Schwedt wird besonders deutlich: Die Abhängigkeit von Öl, Gas und Kohle hat uns in die derzeitige Krise mit Lieferengpässen und explodierenden Heiz- und Spritpreisen geführt", erklärte die Gruppe am Montagabend. "Neue Ölbohrungen und Gasimporte aus Katar verschärfen unsere fossile Abhängigkeit nur noch weiter und finanzieren neue Kriege."

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